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Die Verwaltung wird beauftragt, ein umfassendes Maßnahmenkonzept zu erarbeiten, das von Gewalt betroffenen Frauen einen schnellen Ausstieg aus gewaltgeprägten Lebenssituationen sowie den Übergang in eine sichere neue Lebenswirklichkeit ermöglicht und die Angebote zur Prävention vor Gewalt, auch im häuslichen Zusammenhang ausbaut. Bestehende Angebote, insbesondere die Beratungsstellen und Frauenhäuser, leisten bereits einen unverzichtbaren Beitrag. Um jedoch allen Betroffenen gerecht zu werden und auf die steigende Zahl der Fälle zu reagieren, ist eine bedarfsgerechte Erweiterung dringend erforderlich.
Konkret beinhaltet das Konzept Umsetzungsvorschläge und Kostenschätzungen für die folgenden Maßnahmen:
1. Schnelle Wohnungsvermittlung:
Die mit dem Haushaltsantrag H-0018/2023 eingerichtete Stelle zur Wohnraumvermittlung von Frauen in Notsituationen im Bereich Stadterneuerung und Wohnen soll eine Anlaufstelle sein, die allen von Gewalt betroffenen Frauen zügig eine eigene Wohnung vermittelt, die ihren Bedürfnissen entspricht. In einem unmittelbaren Beratungsgespräch werden die Betroffenen über ihre Möglichkeiten informiert und aktiv zum Schritt in ein selbstbestimmtes Leben ermutigt. Dabei sollen akut von Gewalt betroffene Frauen wie Frauen ohne Obdach Vorrang vor anderen Wohnungssuchenden haben. Sollten bestehende Richtlinien hierfür angepasst werden müssen, unterbreitet die Verwaltung hierfür Vorschläge.
Es wird ein Konzept erstellt, wie trotz der angespannten Wohnungssituation in der Stadt Hannover weiterer Wohnungsraum zu diesem Zweck rekrutiert werden kann. Dabei wird eine Zusammenarbeit mit der privaten Wohnungswirtschaft, Stiftungen sowie privaten Hauseigentümern und entsprechenden Verbänden angestrebt. Insbesondere werden Bürger zur Gründung von Stiftungen ermutigt, womit Erblasser ihren Wohnraum in Zukunft von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen zur Verfügung stellen. Die Verwaltung wird dem Ausschuss im 4. Quartal 2025 über ihre Planungen berichten. Bestandteil des Konzeptes wird darüber hinaus eine offensive Öffentlichkeitsarbeit sein, damit Betroffene niedrigschwellig über die Arbeit dieser Stelle informiert werden und die Voraussetzungen für die Erteilung von Berechtigungsscheinen und erweiterten Berechtigungsscheinen einschätzen können.
Die Verwaltung legt im Konzept außerdem dar, ob und inwieweit Ansätze aus dem Strategiepapier „Obdach 2030“ (Drucksache 0628/2025), etwa Überlegungen zum Auszugsmanagement, einbezogen werden können, um auch dezernatsunabhängig von Gewalt betroffene Frauen unkompliziert in ein selbstbestimmtes eigenständiges Wohnen zu vermitteln.
2. Wege aus dem Frauenhaus; sog. Übergangswohnen (Second Stage)
Die Verwaltung nimmt die Anregung aus dem Haushaltsantrag H-0039/2019 auf und erarbeitet, wie nachgelagerte Wohnangebote nach dem Frauenhausaufenthalt mit sozialer Betreuung als Übergangsangebot umgesetzt werden können. Sie soll sich dabei an das in der Region Hannover bestehende Angebot zum Übergangswohnungen orientieren (Drucksache 1846 (IV) der Region Hannover).
3. Qualifizierte Erstberatung:
In den Frauenhäusern und Beratungsstellen, die gewaltbetroffenen Frauen Hilfe leisten, sollen Frauen auch vor einem Frauenhausaufenthalt eine zweimalige qualifizierte Erstberatung mit konkreten Hilfestellungen bekommen können, wie sie einer gewaltgeprägten Lebenssituation entkommen können. Wartezeiten sollten für diese Gespräche möglichst vermieden werden, um schnelle Orientierung und Stabilisierung der Betroffenen zu gewährleisten.
4. Ausbau der sozialen Trainingsprogramme:
Die Verwaltung legt dar, wie bestehende Angebote im Bereich Anti-Aggressionstraining so ausgebaut werden können, dass jede polizeilich als Täter oder Täterin ermittelte Person unmittelbar einer entsprechenden Maßnahme zugeführt werden kann.
5. Einwerbung von Fördermitteln
Im Hinblick auf das Gewalthilfegesetz ist zu prüfen, wie der kontinuierliche Betrieb von Frauenhäusern und Beratungsangebote im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt sichergestellt und ggf. durch die oben genannten Maßnahmen ausgebaut werden kann, so dass die Frauenhäuser keine Kürzungen befürchten müssen, sondern Planungssicherheit haben.
Die Landeshauptstadt Hannover bewirbt sich aktiv um Fördermittel des Bundes sowie anderer Fördergeber, um die Maßnahmen zur Bekämpfung häuslicher Gewalt abzusichern und auszubauen. Dabei werden insbesondere Programme genutzt, die den Ausbau von Schutzunterkünften, Beratungsangeboten und Täterarbeit fördern.
Die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt in Hannover nimmt bedenklich zu. Im Jahr 2023 wurden in der Region Hannover 6.814 Fälle häuslicher Gewalt polizeilich registriert – ein Anstieg von 9,87 % gegenüber dem Vorjahr. Besonders dramatisch ist, dass in acht Fällen Tötungsdelikte im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt verübt wurden, davon vier mit tödlichem Ausgang.
Diese Zahlen verdeutlichen, dass bestehende Strukturen an ihre Grenzen stoßen und der Schutz von Betroffenen dringend intensiviert werden muss. Betroffene benötigen niedrigschwellige, sofort greifende Unterstützungsangebote, um die oftmals lebensgefährliche Situation schnell verlassen zu können. Dazu gehören insbesondere der rasche Zugang zu einer eigenen Wohnung, frühzeitige professionelle Beratung und konsequente Täterarbeit.
Nur durch eine Kombination aus Schutzmaßnahmen für Betroffene und verbindlichen Maßnahmen für Täter kann dem Anstieg häuslicher Gewalt wirksam begegnet werden. Die Erweiterung und Verbesserung der Hilfsstrukturen ist daher unabdingbar – gerade auch mit Blick auf das 2032 in Kraft tretende Gewalthilfegesetz.
Felix Semper
Fraktionsvorsitz
Kerstin Klebe-Politze/Dr. Bala Ramani
Fraktionsvorsitz