Informationsdrucksache Nr. 1105/2016:
Sucht- und Drogenbericht der Landeshauptstadt Hannover

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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1105/2016
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Sucht- und Drogenbericht der Landeshauptstadt Hannover

Mit dem Antrag zum Haushaltsplan 2015 (DS Nr. 2530/2014) wurde die Verwaltung beauftragt, einen detaillierten Leistungsbericht der Drogen- und Suchtkrankenhilfe zu erarbeiten. Mit der vorliegenden Drucksache legt die Verwaltung den Sucht- und Drogenbericht der Landeshauptstadt Hannover für das Jahr 2015 vor.


1. Ausgangslage und Herausforderung

Die Landeshauptstadt Hannover ist mit über 530.000 Einwohnerinnen und Einwohnern die einzige Stadt dieser Größenordnung in Niedersachsen. Eine der typischen aus dieser Metropolstellung geborenen Problemlagen war und ist der Handel und Konsum mit sowohl illegalen als auch legalen Suchtmitteln. Wie viele andere Städte sah sich Hannover spätestens ab Beginn der 1970er Jahre damit zunehmend konfrontiert. Somit blicken wir mittlerweile auf über 40 Jahre kommunaler Bemühungen zurück, um die Sucht- und Drogenproblematik in den Griff zu bekommen.

Neben der rasanten allgemeinen Entwicklung von Angebot und Nachfrage im illegalen Drogenhandelssektor gab es in Hannover noch eine Verschärfung der Gesamtsituation durch strukturelle Probleme:
  • Die Stadt Hannover war und ist bis heute als Landesmetropole mit zudem hohem Armuts- und Migrationspotential auch Anziehungspunkt für Drogenkonsumenten und für Drogenhändler aus einem überregionalen Einzugsgebiet, bis hin zu einem Radius von ca. 100 km über die Stadtgrenze hinaus. Das hatte zur Folge, dass Hannover gegenüber anderen Städten in Niedersachsen von Drogenhandel, Drogenkonsum und den damit verbundenen negativen Begleiterscheinungen, wie z. B. Beschaffungskriminalität und –prostitution, um mehr als das Zweifache betroffen war.

  • Bereits seit den 1970er Jahren gab es eine Nord-Süd-Handelsachse zwischen den Städten Hamburg und Frankfurt am Main. Da die Stadt Hannover direkt an der Autobahnverbindung zwischen diesen beiden Städten liegt, wurde sie gern als Zwischenstation genutzt, um größere Mengen von illegalen Drogen hier in den Handel zu bringen (diese Handelsroute hat im Laufe der Jahre an Bedeutung verloren).

  • Anfang 1990, seit dem Fall der innerdeutschen Grenze, gab es eine neue Handelsachse vom Westen nach Osten (Amsterdam – Berlin); auch hier liegt Hannover direkt an der Autobahnverbindung zwischen diesen Städten.

Diese unterschiedlichen inhaltlichen und strukturellen Faktoren haben letztendlich dazu geführt, dass die Stadt Hannover bis Anfang 1990 zu den zehn bundesdeutschen Ballungszentren gehörte, die am stärksten durch Drogenhandel, Anzahl der Drogenabhängigen und durch die Anzahl der Drogentodesfälle betroffen war.

Die Interventionsstrategien in den 1970er und 1980er Jahren waren vor allem auf die Angebote von Beratung und stationären Langzeittherapien im Bereich der Drogenhilfeeinrichtungen ausgerichtet. Im Bereich der Polizeiaktivitäten lag der Fokus auf der Bekämpfung des Drogenhandels und der offenen Drogenszene.

Vor dem Hintergrund des über die Jahre gesammelten Wissens und der Erkenntnis, dass es sich bei der Sucht- und Drogenproblematik und allen damit verbundenen Facetten um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen handelt, wurde die Notwendigkeit ganzheitlicher Interventionsstrategien deutlich.


2. Trendwende

Trotz dieser Ausgangslage fand bereits auf kommunaler Ebene eine breite Diskussion statt, die dank der Unterstützung durch die politisch verantwortlichen Gremien und des Austausches mit der Polizei und Staatsanwaltschaft zur Findung neuer und innovativer Wege in der Sucht- und Drogenhilfe und in der Drogenbekämpfung geführt hat.

Ausgehend von ca. 5.000 bis 6.000 Opiatabhängigen in der Stadt und Region Hannover (diese Zahl ist seit ca. 3 Jahren rückläufig) und einer ausufernden offenen Drogenszene in den Jahren 1994 und 1995 hat sich die Situation im Jahr 2016 deutlich verbessert:

Bereits im Jahr 1990 wurde auf Grund politischer Initiative ein sogenannter Runder Drogentisch konstituiert. Unter der Leitung des damaligen Gesundheits-, Jugend- und Sozialdezernenten hatte er die Aufgabe die unterschiedlichen Aktivitäten im Bereich von Drogenhilfe und Drogenbekämpfung zu koordinieren und neue Projektüberlegungen vorzuschlagen.

Zeitgleich mit der Entstehung des Runden Drogentisches wurde die Stelle eines Drogenbeauftragten eingerichtet. Neben der Geschäftsführung des Runden Drogentisches bestehen seine Aufgaben darin, durch direkten Kontakt zu den unterschiedlichen Akteuren im Bereich der Drogenhilfe und Drogenbekämpfung die Vernetzung zu optimieren und gemeinsam mit den Einrichtungen neue Konzepte einer innovativen Sucht- und Drogenhilfe zu entwickeln. Darüber hinaus schlägt er Konzepte und Maßnahmen zur Verbesserung der Drogenhilfe den Ratsgremien zur Beschlussfassung vor.

In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt der zu behandelnden Themen des Runden Drogentisches im Bereich der illegalen Suchtsubstanzen.

Mit der ständigen Erweiterung des Teilnehmerkreises und des Themenspektrums sowie durch Hinzunahme von substanzungebundenen Süchten, wie Glücksspielsucht, Gaming und Gambling im Internet und auch durch die Bearbeitung der Themen Alkohol- und Nikotinkonsum kam es im Jahr 2012 zu einer Änderung des Namens in „Runder Tisch Sucht und Drogen“.

Zurzeit sind folgende Einrichtungen, Institutionen und Gruppen am Runden Tisch Sucht und Drogen vertreten:
  • Verwaltung
  • Politik
  • Sucht- und Drogenhilfe
  • Ärzteschaft
  • Entgiftungskliniken
  • Elternkreise
  • Selbsthilfegruppen
  • Polizei
  • Bewährungshilfe
  • Staatsanwaltschaft
  • Justizvollzugsanstalten
  • JobCenter
  • Kostenträger (AOK, Deutsche Rentenversicherung)
  • Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung

Durch Initiative des Runden Tisches Sucht und Drogen wurden für Hannover folgende sechs Eckpfeiler entwickelt, auf denen sich die Sucht- und Drogenhilfe sowie die Drogenbekämpfung
aufbauen:
  • Prävention
  • niedrigschwellige Angebote (Tagesanlaufstellen und Übernachtungsangebote)
  • Beratung und Behandlung (medizinisch und psychosozial)
  • stationäre Therapie
  • Therapienachsorge (Schule, Arbeit, Freizeitangebote)
  • polizeiliche und ordnungsrechtliche Maßnahmen
Im Jahr 2015 fanden folgende Aktivitäten des Runden Tisches Sucht und Drogen statt:

Anfang des Jahres 2015 informierte sich eine Delegation aus der Türkei (Istanbul) über die Arbeit des Runden Tisches Sucht und Drogen.

Im weiteren Verlauf des Jahres 2015 wurden einige Themen, die bereits im Berichtsjahr 2014 am Runden Tisch Sucht und Drogen ihre Anfänge hatten, vertiefend behandelt. Hierzu gehörten die Themenbereiche:
  • Aktueller Sachstand zu „Legal Highs“,
  • Sucht im Alter,
  • Zusammenlegung der Einrichtungen Café Connection und Fixpunkt,
  • Einweihung des Gedenkortes für die suchtkranken verstorbenen Menschen,
  • Haftentlassung von Methadon-Substituierten ohne bestehende Krankenversicherung,
  • Entwicklung eines Beratungskonzepts für Flüchtlingseinrichtungen.

Am 29. April 2015 haben Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Runden Tisches Sucht und Drogen an der Fachtagung des Fachverbandes Drogen und Rauschmittel in Hannover teilgenommen.

Am 04. Mai 2015 war der Drogenbeauftragte der Stadt Hannover an einem Städtetreffen in Frankfurt a. M. zur Vorbereitung eines Modellprojekts zur Regulierung des Cannabismarktes beteiligt.

Am 11. Mai 2015 wurde der lange geplante Gedenkort für suchtkranke verstorbene Menschen auf dem Neustädter Friedhof unter Beteiligung von ca. 70 Gästen von Herrn Stadtrat Thomas Walter, Herrn Diakoniepastor Müller-Brandes und Frau Lina Möller (Elterninitiative für akzeptierende Drogenarbeit e. V. Hannover - Stadthagen) offiziell und würdevoll eingeweiht.

In der Julisitzung des Runden Tisches Sucht und Drogen wurde über das Thema „Legal Highs“ von Herr Dr. Manfred Rabes (Niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen) und Herrn Kriminalhauptkommissar Siegmar Müller (Landeskriminalamt Niedersachsen) referiert. Das Thema „Sucht im Alter“ wurde von Frau Prof. Dr. Irmgard Vogt (Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences) einleitend referiert und von Herrn Peter Mertens (Projektleiter und Mitarbeiter der STEP gGmbH) um den aktuellen Sachstand der Arbeit in Hannover fachlich ergänzt.

Im September 2015 feierte die Selbsthilfegruppe Warstraße 15 ihre offizielle Wiedereröffnung der Einrichtung für betreutes Wohnen für Methadon-Substituierte Drogenabhängige, nachdem große Teile der Einrichtung im Februar 2014 einem Brand zum Opfer gefallen waren und aufwändig saniert werden mussten.

Am 30.09.2015 hat der Drogenbeauftragte der Stadt Hannover an einem Runden Tisch Spielerschutz, der vom Diakonischen Werk und der Drobs Hannover veranstaltet wurde, teilgenommen.

An der 2. Cannabis-Tagung mit dem Schwerpunkt "Jugendliche und Cannabis" war die Stadt Hannover durch den Drogenbeauftragten und seinen Stellvertreter vertreten.

Am 13. Oktober veranstaltete die Fach AG des Kommunalen Sozialdienstes gem. § 78 SGB VIII, Erziehungshilfen in Kooperation mit dem Runden Tisch Sucht und Drogen den Fachtag zum Thema "Drogen in der Jugendhilfe – Stör(?)faktor Sucht."

Der Drogenbeauftragte vertritt die Interessen des Fachdezernates und des Runden Tisches Sucht und Drogen in folgenden Arbeitskreisen:
  • AK Sucht, Drogen und AIDS (Zusammenschluss der Einrichtungen)
  • AKG (Arbeitskreis Gemeindepsychiatrie der Region Hannover)
  • KPR (Kriminalpräventiver Rat)
  • Lenkungsgruppe Sicherheit und Ordnung im öffentlichen Raum
  • Konferenz Innenstadt

3. Aktuelle Bestandsaufnahme

Mittlerweile befinden sich jährlich ca. 2500 Drogenabhängige in medizinischer und therapeutischer Behandlung oder in Beratung. Allein ca. 1700 ehemals Drogenabhängige werden mit dem Ersatzmedikament Methadon behandelt. Für sie besteht keine Notwendigkeit mehr, kriminell zu werden oder sich zu prostituieren, um ihre Drogensucht zu finanzieren.

In dieser erfolgversprechenden Behandlung ist die Zahl der behandelnden Ärztinnen und Ärzten aus unterschiedlichen Gründen seit Jahren rückläufig, während die Zahl der Patientinnen und Patienten aber stetig zu nimmt. Dies hat zur Folge, dass eine wohnortnahe Versorgung von Opiatkonsumenten seit längerer Zeit nicht im gewünschten Maße möglich ist. So kommt es zu Ballungen an wenigen Schwerpunktpraxen in der Stadt Hannover, begleitet von teils sozialunverträglichem Verhalten der Patientinnen und Patienten gegenüber der Nachbarschaft und den Gewerbetreibenden.

Diese Ballungen sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass Patientinnen und Patienten aus den ländlichen Bereichen in die Metropolen ausweichen, um die Behandlung zu ermöglichen.

Die offene Drogenszene am Nordkopf des Hauptbahnhofes in der Tivolistraße konnte mit einem Bündel von sozialen und polizeilichen Maßnahmen auf ein für alle Beteiligten erträgliches Ausmaß reduziert werden, was sowohl im Sinne der Drogenabhängigen als auch im Sinne der Bevölkerung insgesamt, der Gewerbetreibenden und der Besucher der Stadt Hannover ist.

Die Zahl der Drogentoten in Hannover konnte von 65 Todesfällen im Jahr 1992 (höchste Anzahl in der Stadt Hannover) auf deutlich unter 20 Todesfälle in den letzten Jahren erheblich reduziert werden.

Die Korrelation zwischen dem Ausbau des Sucht- und Drogenhilfesystems und der Entwicklung der drogenbedingten Todesfälle in der Stadt und Region Hannover soll durch die folgende 5-Jahres-Tabelle verdeutlicht werden:
1991 – 58 2001 – 19 2011 – 9
1992 – 65 2002 – 18 2012 – 4
1993 – 63 2003 – 18 2013 – 13
1994 – 37 2004 – 17 2014 – 11
1995 – 31 2005 – 18 2015 – 12
Somit liegen Stadt und Region Hannover deutlich unter dem Bundestrend im Jahr 2015.

Für die Stadt Hannover bedeutet diese positive Entwicklung zwar keine Entwarnung, aber sie zeigt eine deutliche Trendwende. Zurückzuführen ist diese Trendwende auf die vielfachen Hilfsangebote, die in den vergangenen Jahren unter erheblichen finanziellen Aufwendungen und im breiten politischen Konsens in der Ratsversammlung beschlossen wurden.

4. Hilfsangebote, Maßnahmen und Finanzierung

Die kommunalen Finanzmittel wurden seit 1988 (ca. 220.000 €) deutlich aufgestockt auf ca. 1,6 Mio. Euro im Jahr 2015 und 2016. 50 % dieser Kosten werden jeweils von der Region Hannover und von der Stadt Hannover getragen.

Mit diesen Finanzmitteln konnten im Laufe der Jahre folgende Hilfsangebote realisiert und unterstützt werden:
  • 1990: Beratungsstelle PRISMA (3. Sucht- und Drogenberatungsstelle nach DROBS und Neues Land e. V.)
  • 1992: Gründung des Arbeitskreises Substitution (seit 1997: Arbeitskreis Substitution und Schwangerschaft und seit 2006: Arbeitskreis Familie und Sucht)
  • 1992: Einrichtung der ersten Schwerpunktpraxis für Methadon-Substituierte, auf Grund des Inkrafttretens der neuen Untersuchungs- und Behandlungsrichtlinien zur Methadonbehandlung
  • 1992: Eröffnung der Einrichtung für betreutes Wohnen durch die Selbsthilfegruppe Drogengefährdeter e. V.. (15 Plätze für Methadon-Substituierte)
  • 1993: Gründung des Arbeitskreises Prävention, unter Beteiligung der 3 Sucht- und Drogenberatungsstellen
  • 1993: wurde die Einrichtung La Strada eröffnet, als Beratungs- und Betreuungsangebot für Mädchen und Frauen die der Beschaffungsprostitution nachgehen
  • 1994: Gründung des Arbeitskreises Drogen und Justiz
  • in den Folgejahren wurden drei Übernachtungseinrichtungen (Sleep-In Bachstraße, Unterkünfte in Lahe und der Wörthstraße) mit einer Gesamtkapazität von ca. 100 Schlafplätzen für obdachlose Drogenabhängige eingerichtet
  • 1995: Erstmaliger Einsatz von türkisch- und russischsprachigen Sozialarbeitern zur Kontaktaufnahme mit Drogenabhängigen anderer Nationalitäten
  • 1997: Eröffnung des Drogenkonsum-Raums (Fixpunkt)
  • Seit 1998: Realisierung von mehreren Arbeitsprojekten für ehemals Drogenabhängige, unter anderem ein Malerprojekt, zwei Fahrradstationen und eine Fahrradwerkstatt, ein Gebäudereinigungsprojekt und ein Grünflächenprojekt Einrichtungen für jugendliche-Drogenkonsumenten: bed by night (seit 1996 Übernachtungseinrichtung u. a. auch für Drogenabhängige Straßenkinder ), Teen-Spirit-Island“ (seit 1999 als Entzugsstation in der Kinderklinik auf der Bult) und Stepkids (seit 2000 als pädagogisch-therapeutische Gemeinschaft)
  • Im August 2002 startete in sieben bundesdeutschen Städten (Bonn, Frankfurt a. Main, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Köln und München) ein Projekt zur Diamorphin-gestützten Behandlung Opiatabhängiger, welches mittlerweile erfolgreich abgeschlossen ist und seit Oktober 2010 in die Regelversorgung durch die gesetzlichen Krankenkassen überführt werden konnte. Diese Behandlung wird mittlerweile dauerhaft in einer Schwerpunktambulanz der MHH durchgeführt
  • 2005: Eröffnung des Projektes „Nachtschicht“ von „La Strada“
  • 2014: Start eines neuen Beratungsangebotes bei der STEP gGmbH für Angehörige und Bezugspersonen von älteren suchtkranken Menschen
  • Im Jahr 2013 wurde in Absprache mit der STEP gGmbH und der Polizei die Zusammenlegung von zwei niedrigschwelligen Einrichtungen, nämlich dem Café Connection und dem Fix-Punkt, beschlossen. Im Neubau soll im Ganztagsbetrieb von Montag – Freitag ein verbessertes inhaltliches Angebot, wie z. B. eine tägliche Essenausgabe realisiert werden. Die Eröffnung der neuen Einrichtung „Stellwerk“ ist für Sommer 2016 geplant.

5. Abgleich mit dem Bundestrend

Der Drogenbeauftragte der LHH führt jährlich einen Abgleich mit den auf der Bundesebene durchgeführten Analysen und Veröffentlichungen durch, um bei wesentlichen Abweichungen in der Sucht- und Drogenhilfe in der Stadt Hannover, in Absprache mit den hiesigen Einrichtungen zeitnah reagieren zu können.

Hierbei werden Veröffentlichungen der Bundesdrogenbeauftragten, der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD), der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen und des Bundeskriminalamts gesichtet und bearbeitet.

Drogenpolitik: Rechtsprechung, Strategien und ökonomische Analyse

Die deutsche Drogen- und Suchtpolitik verfolgt einen substanzübergreifenden Ansatz, der gemeinsame Aspekte aller psychotropen Substanzen in den Mittelpunkt stellt.

Vor dem Hintergrund neuer Herausforderungen an die Drogen- und Suchtpolitik und aktueller Entwicklungen hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2012 eine „Nationale Strategie zur Drogen- und Suchtpolitik“ vorgestellt. Ziel der Drogen- und Suchtpolitik ist, wie bereits in der Vergangenheit, die Reduzierung des Konsums legaler und illegaler Suchtmittel sowie die Vermeidung der drogen- und suchtbedingten Probleme in der Gesellschaft. Die Nationale Strategie versteht sich als gesundheitspolitische Leitlinie für eine moderne Drogen- und Suchtpolitik in Deutschland.

Mit der 27. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung (BtMÄndV) wurden mit Wirkung zum 17.07.2013 26 neue psychoaktive Substanzen in die Anlagen I bis III des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) aufgenommen. Bei den Substanzen handelt es sich um synthetische Cannabinoide sowie um synthetische Derivate des Cathinons, Amphetamins und Phencyclidins. Ebenfalls dem BtMG unterstellt werden die beiden Benzodiazepine Etizolam und Phenazepam.

Am 17. Januar 2013 hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Änderung der Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung (MVV-RL)“ für den Bereich der diamorphingestützten Behandlungen von Schwerstopiatabhängigen beschlossen. Die neuen Regelungen sehen für die diamorphinsubstituierenden Einrichtungen Erleichterungen bei den räumlichen und personellen Anforderungen vor.

Vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung des Alkohol- und Medikamentenmissbrauchs bei über 60-jährigen Menschen hat das Bundesgesundheitsministerium einen Förderschwerpunkt zu Sucht im Alter aufgelegt.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung hat am 1. Dezember 2014 den Drogen- und Suchtrat (DSR) neu berufen. Der nationale Drogen- und Suchtrat setzt sich aus Vertretern der Bundesressorts, Ministerfachkonferenzen der Länder, kommunalen Spitzenverbände, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Bundesagentur für Arbeit, den Spitzenverbänden der Krankenkassen sowie Akteuren aus der Suchthilfe, der Suchtprävention und –forschung zusammen.

Der Drogen- und Suchtrat hat bereits 2013 eine „Sozialrechtliche Statusklärung als Grundlage für die Gewährung des KV-Schutzes Haftentlassener“ formuliert. Diese wiederum ist die rechtliche Grundlage für eine bundesweit erstmalige Vereinbarung zwischen dem Jobcenter Region Hannover, den JVA´en Hannover und Sehnde und den Krankenkassen AOK Niedersachsen und BKK Landesverband-Mitte, zum verbesserten Krankenversicherungsschutz von haftentlassenen Methadon-Substituierten in der Region Hannover. Das Inkrafttreten dieser Vereinbarung ist zum 01.07.2016 geplant.
Konsumtrends bei legalen und illegalen Substanzen

Zigaretten:
Der Konsum von Zigaretten ist durch das Zusammenwirken von Maßnahmen der Verhaltens- und der Verhältnisprävention (u.a. durch die Hochsetzung der Altersgrenze auf 18 Jahre und die Einführung der Chipkarte für Zigarettenautomaten) gerade bei Jugendlichen deutlich rückläufig.

Alkohol:
Obwohl der Alkoholkonsum in der Gesamtbevölkerung nach wie vor das größte Suchtproblem darstellt und auch der Alkoholkonsum im öffentlichen Bereich in den Großstädten Problem behaftet ist, sind die alkoholbedingten Krankenhauseinweisungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen im vergangenen Jahr zurückgegangen.

Heroin:
Bei Heroin sind bereits seit 2014 sowohl die Handels- wie auch die Konsumdelikte rückläufig.

Cannabis:
Cannabis und Marihuana sind die unter den 12- bis 25-Jährigen am häufigsten konsumierten illegalen Drogen. Unter anderem auf Grund des in jüngster Zeit feststellbaren erhöhten Wirkstoffgehalts, insbesondere bei Marihuana, bleibt es erforderlich, diese Substanzen in geeigneten präventiven Maßnahmen weiterhin zu thematisieren.

Kokain/Crack:
Die Kokain/Crack-Handeldelikte und auch der Konsum sind rückläufig.

Amphetamine:
Der Amphetaminhandel und der Konsum sind weiterhin von Bedeutung.

Ecstasy:
Der Handel und der Konsum sind weiterhin von Bedeutung.

Crystal Meth:
Die überwiegende Zahl von Sicherstellungen und konsumnahen Delikten werden in Sachsen, Bayern, Sachsen-Anhalt und Thüringen (Nähe des Grenzgebietes zu Tschechien) festgestellt. Steigende Fallzahlen in Brandenburg und Berlin deuten auf eine weitere Ausbreitung des Phänomens hin. Diese Entwicklung bedarf der besonderen Beobachtung.

LSD/Pilze:
LSD und Pilze sind hinsichtlich des Handels und Konsums bereits seit längerer Zeit von geringer Bedeutung.

Legal Highs:
Die seit einigen Jahren festzustellende Entwicklung der Zunahme so genannter „neuer psychoaktiver Stoffe“ (NPS) hat sich auch 2014 und 2015 fortgesetzt. Bei diesen Stoffen handelt es sich um neue synthetische Rauschsubstanzen, die in Deutschland und anderen inner- und außereuropäischen Staaten zunehmend verbreitet werden. Die Substanzen sind in der Regel Derivate bekannter Betäubungsmittel, die in ihrer molekularen Struktur so modifiziert wurden, dass sie zunächst nicht unter die Bestimmungen des BtMG fielen, ihre psychoaktive Wirkung jedoch beibehalten bzw. gesteigert wurde (so genannte „Designerdrogen“). Ein Großteil dieser Stoffe wurde als Wirkstoff in verschiedenen „Legal High“-Produkten festgestellt. Dabei handelt es sich um Produkte, die häufig als „Kräutermischungen“, „Badesalze“ oder „Pflanzendüngemittel“ deklariert werden und in Form von Pulver, Tabletten, Kapseln, Kräutern etc. als angeblich legale Alternativen zu den verbotenen Betäubungsmitteln hauptsächlich über Online-Shops angeboten werden. Darüber hinaus erfolgen zunehmend Sicherstellungen von NPS als Reinsubstanzen.
Ein deutlicher Indikator für die Gefährlichkeit von NPS sind zunehmende Meldungen über Intoxikationsfälle, die im Zusammenhang mit dem Konsum von NPS bzw. „Legal High“-Produkten stehen.

6. Weiterentwicklung der Sucht und Drogenhilfe in der Stadt und Region Hannover

Für die kommenden Jahre werden für Hannover folgende Herausforderungen bei substanzbezogenen Themenstellungen gesehen:
  • Alkoholprävention: Zusammenarbeit mit Schulen (Alkohol-Aktions-Tag, Projektwochen, Unterrichtsbegleitung, Alkoholpräventionstag im Cinemaxx);
  • Jugendschutz auf Großveranstaltungen (Rote Fans sind nicht blau, Aktionswoche ohne Alkohol, Alkohol- und Nikotinfreier Wagen im 96-Fan-Zug), Multiplikator/Innen -Schulung zur Alkoholprävention, Präventionsprojekte wir z. B. Mehr Fun weniger Alkohol;
  • Beteiligung am Alkoholpräventionsprojekt HALT;
  • Konsum von legalen Medikamenten als „Gehirndoping“ in Schulen, Universitäten und im Berufsleben;
  • Illegal hergestellte, neue psychoaktive Substanzen;
  • Exzessiver Cannabis und/oder Marihuanakonsum
  • Beratung von Konsumenten, von Legal-Highs;
  • Suchtmittelabhängige ältere Menschen;
  • Sucht- und Drogenberatung in Flüchtlingsunterkünften.
Bei substanzunabhängigen Themenstellungen:
  • Glücksspielsucht,
  • Exzessiver Medienkonsum,
  • Gaming und Gambling im Internet

7. Schlussbemerkung

Die Stadt Hannover hat in den vergangenen 40 Jahren einen eigenen erfolgreichen Weg zum sozialverantwortlichen Umgang mit suchtmittelabhängigen Menschen und den sich daraus ergebenen Problemen gefunden. Die Grundlage hierfür war die Erkenntnis der Verantwortlichen aus der Politik und Sozialverwaltung, dass die Entwicklung und Fortschreibung von beratenden und therapeutischen bis hin zu lebensrettenden Hilfen für Suchtmittelabhängige eine zwingende Notwendigkeit im Interesse der gesamten Stadtbevölkerung ist.

Denn Menschen Hilfe anzubieten, die in eine problematische Lebenssituation geraten sind, aus der sie mit eigener Kraft nicht mehr heraus gelangen können, heißt neben der Einzelfallhilfe auch, das soziale Miteinander und soziale Klima einer Stadt nachhaltig zu fördern.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Die Angebote richten sich an beide Geschlechter.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Dez. III 
Hannover / 13.05.2016