Informationsdrucksache Nr. 1079/2010:


Kinderschutzkoordinierungszentrum Hannover

Inhalt der Drucksache:

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Kinderschutzkoordinierungszentrum Hannover

Ziele des Projektes
Der Schutz von Kindern vor Misshandlung und Vernachlässigung ist eine vordringliche und kontinuierliche Herausforderung an die Gesellschaft. Dazu ist eine enge Verzahnung zwischen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen notwendig, um in erprobten und verlässlichen Kooperationsstrukturen zusammenzuarbeiten. Diese Vernetzung herzustellen ist das Ziel des vom Land Niedersachsen geförderten Modellprojektes „Koordinierungszentren Kinderschutz – Kommunale Netzwerke früher Hilfen“ im Zeitraum 01.09.2007 bis 31.08.2010. Das Projekt ist mittlerweile bis Ende 2010 verlängert worden. Gerade Säuglinge und Kleinkinder, auf deren Unterstützung und Schutz die Frühen Hilfen abzielen, sind dem Einfluss psychosozialer Risiken (niedriges Bildungsniveau, Armut, zerrüttete familiäre Verhältnisse, psychische oder gesundheitliche Auffälligkeiten bei den Eltern, etc.) existentiell unterworfen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben inzwischen den Zusammenhang zwischen widrigen Kindheitserfahrungen und physischen und psychischen Erkrankungen im Jugend- und Erwachsenenalter nachhaltig erbracht.
Umso wichtiger ist die Erkenntnis, dass der frühe Einsatz von Hilfen die Selbstheilungskräfte innerhalb einer Eltern-Kind-Beziehung nachhaltig aktivieren kann. Ausgehend von der Prämisse, dass alle Eltern gute Eltern sein wollen, gilt es Unterstützungssysteme zu installieren, die sowohl die elterlichen Überforderungssituationen abmildern wie auch die häufig eingeschränkte elterliche Beziehungs- und Erziehungskompetenz stärken.
Insbesondere in den ersten drei Lebensjahren eines Kindes sind es Medizinerinnen und Mediziner, die Kinder regelmäßig sehen und damit erste Anhaltspunkte für eine mögliche kritische Entwicklung oder eine Gefährdung feststellen können. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt des Modellprojektes in der Schaffung von Netzwerk- und Kooperationsstrukturen zwischen den medizinischen Berufsgruppen wie den Kinderärztinnen und –ärzten, den Hebammen, den Kinderkliniken einerseits und der öffentlichen Jugendhilfe auf der anderen Seite. Das Ziel ist, Kindeswohlgefährdungen rechtzeitig zu erkennen, Handlungsabläufe festzulegen und Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Sowohl die Landeshauptstadt wie auch die Region Hannover verfügen durch den Abschluss der Rahmenvereinbarung zu § 8a SGB VIII bereits seit 01.05.2007 über ein erprobtes Instrumentarium zur Sicherstellung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdungen. Die einzelnen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe haben das Verfahren bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung und die einzelnen Handlungsschritte in Form von umfangreichen Arbeitshilfen definiert und in der Praxis implementiert.

Organisationsstruktur
Träger des Modellprojektes ist der Fachbereich Jugend und Familie der Landeshauptstadt Hannover und der Fachbereich Jugend der Region Hannover. Hauptkooperationspartner ist das Kinderkrankenhaus auf der Bult; die inhaltliche Ausrichtung bezieht sich auf die gesamte Region Hannover. Neben den drei Hauptbeteiligten ist in der Lenkungsgruppe deshalb auch eine Vertreterin der fünf eigenständigen Jugendämter der Region vertreten. Die Lenkungsgruppe entwickelt die inhaltlichen und strategischen Ziele des Projektes und begleitet die Arbeit des Projektbüros.
Das Projektbüro besteht aus jeweils einer Mitarbeiterin der Region und der Landeshauptstadt Hannover.
Begleitet wird die Arbeit durch einen Beirat, der sich aus Vertreterinnen und Vertretern der freien Träger, des Gesundheitswesens, der Justiz, der Polizei, aus Beratungsstellen, aus der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ und einer Vertreterin der Grundschulen zusammensetzt. Neben der beratenden und empfehlenden Funktion verstehen sich die Beiratsmitglieder auch als Multiplikatoren in ihren jeweiligen Einrichtungen.
Die fünf eigenständigen Jugendämter haben sich mit jeweils einer Fachkraft zu einer AG zusammengeschlossen, die sich regelmäßig trifft. Zum einen dienen die Sitzungen dem Informationsaustausch zwischen den örtlichen Jugendämtern und dem Projektbüro, zum anderen werden hier konkrete Maßnahmen unter Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten erarbeitet. Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen erfolgt durch die örtlichen Fachkräfte mit Unterstützung des Projektbüros.
Die wissenschaftliche Begleitung / Evaluation erfolgt durch das Institut für soziale Arbeit (ISA)-Münster und die Beratergruppe für Qualität und Organisationsentwicklung (Qubic)-Hannover.

Drei Arbeitsschwerpunkte des Projektes
1. Netzwerkarbeit
Die im Rahmen des Projektes entstandene Netzwerk-AG ist ein Zusammenschluss aus Vertreterinnen und Vertretern des öffentlichen Gesundheitsdienstes, des Kinderkrankenhauses auf der Bult, der Rechtsmedizin, der MHH, der niedergelassenen Kinderärztinnen und –ärzte, der Hebammen, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, des sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der öffentlichen Jugendhilfe von Stadt und Region Hannover. Diese AG bildet die zentrale Arbeitsebene des Projektes; hier werden Verfahren der Zusammenarbeit erarbeitet, Materialien rund um den Kinderschutz entwickelt und der Netzwerkaufbau betrieben.
So wurden beispielsweise gemeinsame Bewertungskriterien von Gefährdungssituationen entwickelt, eine Arbeitshilfe zur besseren Einschätzung von Risikofaktoren als hilfreiches Bewertungsinstrument erarbeitet, Schwellenwerte und ausführliche Indikatoren für eine mögliche Kindeswohlgefährdung definiert. Zur Weiterleitung von Informationen an die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe ist ein standardisiertes Mitteilungsverfahren festgelegt worden. Alle Unterlagen sind unter www.kinderschutz-niedersachsen.de und http://www.hannover.de/de/gesundheit_soziales/jugendliche/Kinderschutz/index.html einsehbar.
Ein weiterer Schwerpunkt in der Netzwerkarbeit des Koordinierungszentrums ist, bereits vorhandene Strukturen sichtbar zu machen, ggf. weiter zu entwickeln und hierzu entsprechende Unterstützung in Form von erprobten Verfahren und Instrumenten zur Verfügung zu stellen. Im Netzwerkaufbau hat sich herausgestellt, dass das gegenseitige Kennenlernen aller beteiligten Berufsgruppen mit ihren jeweilige Aufgaben, Arbeitsweisen und –praktiken eine entscheidende Voraussetzung für eine gelingende - und letztendlich alle entlastende - Zusammenarbeit ist. Konkret ist im Rahmen der Arbeitsgruppe eine Unterlage in Form einer Zusammenstellung der Aufgaben, Leistungen und Kooperationsangebote aller mit dem Kinderschutz befassten medizinischen Berufsgruppen entstanden, die insbesondere für die Kinder- und Jugendhilfe ein gute Übersicht über die im Einzelfall zu nutzenden medizinische Dienste darstellt.
Insgesamt versteht sich das Koordinierungszentrum vor allem als Unterstützung und als Informationsbörse bei der Konzeptentwicklung und erfüllt somit eine Motorfunktion in der Bildung eines Kinderschutznetzwerkes.
Als weiterer wichtiger Baustein sind im letzten Jahr durch die Region Hannover sieben ‚Medizinische Beratungsstellen Kinderschutz’ eingerichtet worden. Die dort tätigen Ärztinnen sind auf die Diagnose von Misshandlungen und Vernachlässigungen spezialisiert und können von den Fachkräften aus Jugendhilfe, Gesundheitswesen und Schulen der Stadt und Region Hannover bei der Diagnose von Kindesmisshandlungen und Kindesvernachlässigungen hinzugezogen werden.

2. Standardisierte Verfahren der Zusammenarbeit
Zu einer praktikablen Netzwerkarbeit gehört auch eine berufsgruppenspezifische Festlegung der Form der Kooperation einschließlich verbindlicher Handlungsabläufe. Das Koordinierungszentrum hat inzwischen mit dem Kinderkrankenhaus auf der Bult sowie dem öffentlichen Gesundheitsdienst (Sozialpädiatrie und Jugendmedizin, Sozialmedizin und Behindertenberatung) eine konkrete Kooperationsvereinbarung entwickelt. Beschrieben sind hier neben den Zielen der Kooperation die genauen Handlungsabläufe und Verantwortlichkeiten sowie die rechtlichen Grundlagen der Zusammenarbeit. Ein genaues Ablaufdiagramm sowie ergänzendes Material vervollständigen die Vereinbarung.
Mit den niedergelassenen Kinderärztinnen und Kinderärzten sind Leitlinien zur Zusammenarbeit entwickelt und in einer Informationsveranstaltung im April 2010 den Medizinerinnen und Medizinern vorgestellt worden. Für die Berufsgruppe der niedergelassenen Hebammen soll 2010 eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen werden.
Für die Kooperation zwischen der Gemeindepsychiatrie und der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe verfügt der Kommunale Sozialdienst im Fachbereich Jugend und Familie der Landeshauptstadt Hannover bereits über Leitlinien der Zusammenarbeit. Das Koordinierungszentrum hat mit der Durchführung einer Fachveranstaltung zum Thema „Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Gemeindepsychiatrie im Kinderschutz“ im März 2010 einen Anstoß gegeben, auch hier ein regionsweit verbindliches Verfahren zu entwickeln.
Mit der Medizinischen Hochschule Hannover, dem Institut für Rechtsmedizin und der Kinderklinik in Neustadt sind Kooperationsvereinbarungen in Vorbereitung.

3. Qualifizierung
Das Qualifizierungsprogramm basiert auf den drei Handlungsebenen ‚Erkennen - Beurteilen - Handeln’. Es fanden Veranstaltungen zur Diagnostik von Misshandlungen und Vernachlässigungen für alle Fachkräfte im ASD und KSD sowie zwei offene Veranstaltungen zur Arbeitsweise der Jugendhilfe und zur Kooperation zwischen Jugendhilfe und Medizin statt.
Aufgrund des hohen Informationsbedarfes seitens der Medizinerinnen und Mediziner über die Aufgaben und Arbeitsweisen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe fanden regionsweit auch auf lokaler Ebene gemeinsame Veranstaltungen von Jugendhilfe und Medizin statt.
Das Koordinierungszentrum versteht auch seine Öffentlichkeitsarbeit und die Herstellung und Bereitstellung von verschiedenen Informationsmaterialien als Beitrag zu einer interdisziplinären Qualifizierung aller am Kinderschutz beteiligten Fachkräfte und Institutionen. Es ist geplant die bisherigen Arbeitsergebnisse im Sommer dieses Jahres zu einem Netzwerkhandbuch zusammenzufassen und somit einer möglichst breiten Fachwelt zur Verfügung stellen zu können.

Ausblick
Der bisherige Projektverlauf hat deutlich gemacht, dass die entstandenen Strukturen noch nicht dauerhaft sind und weiter gefestigt und gepflegt werden müssen. Das Land Niedersachsen hat deswegen in Aussicht gestellt, das Projekt um ein weiteres Jahr bis 31.12.2011 zu verlängern.
Neben der Fortführung des im Projektzeitraum von 2007 bis 2010 entstandenen Netzwerkes ist eine Erweiterung auf Geburtskliniken, gynäkologische Praxen, Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen und Familienservicebüros vorgesehen. Auch hier sollen konkrete Verfahren der Zusammenarbeit standardisiert und festgeschrieben werden.
Das Qualifizierungsprogramm mit seinen Bausteinen zur medizinischen Diagnostik von Kindesmisshandlungen, zu den Unterstützungs- und Interventionsmöglichkeiten der Jugendhilfe und zu den Möglichkeiten der Kooperation und Zusammenarbeit wird fortgesetzt und nach Bedarf lokal, zentral, interdisziplinär oder berufsgruppenspezifisch weiter entwickelt und ausgebaut.
Die Angebote Früher Hilfen in der Landeshauptstadt und Region Hannover (21 Kommunen) sollen im Herbst diesen Jahres erhoben werden, um somit die verschiedenen Instrumente und Unterstützungsmöglichkeiten für Familien transparent zu machen und mögliche Angebotslücken zu identifizieren.
Die Zusammenarbeit der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe mit den Grundschulen der Landeshauptstadt Hannover soll im Bereich des Kinderschutzes verbessert und standardisiert werden.
Wesentliche Aufgabe im Jahr 2011 wird sein, über die Organisation von Veranstaltungen, die Entwicklung von Informations- und Arbeitsmaterial sowie über Öffentlichkeitsarbeit das Netzwerk Kinderschutz zu stabilisieren und so auch über das Projektende hinaus eine Nachhaltigkeit der Ergebnisse zu sichern.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor körperlicher und sexueller Gewalt gilt sowohl für Mädchen als auch für Jungen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

51.2 
Hannover / May 11, 2010