Informationsdrucksache Nr. 1053/2008:
Hannoversches Interventionsprogramm (HAIP) Gegen Männergewalt in der Familie

Inhalt der Drucksache:

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Hannoversches Interventionsprogramm (HAIP) Gegen Männergewalt in der Familie

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Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Der Schutz von Kindern vor den Auswirkungen häuslicher Gewalt gilt für beide Geschlechter; sowohl für Mädchen als auch für Jungen. Die Entstehung und Ausprägung von Gewalt, das dabei bestehende Geschlechterverhältnis sowie das Erleben von Gewalt und der Umgang damit sind geschlechterdifferenziert zu betrachten.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.


Auswirkungen von häuslicher Gewalt auf Kinder

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das - direkte und auch indirekte - Miterleben von Gewalt im häuslichen Kontext immer auch eine schädigende Wirkung auf die beteiligten Kinder hat.

Auch wenn Kinder nicht direkt von Misshandlungen betroffen sind, wachsen sie in einem Klima der psychischen und physischen Gewalt auf. Sie sind Augen- und Ohrenzeugen von Gewalt; sie werden z. T. auch direkt in die Gewalthandlungen gegen ihre Mutter verwickelt.

Studien belegen, dass das Miterleben häuslicher Gewalt in der Regel eine erhebliche Belastung für Jungen und Mädchen darstellt und gravierende Folgen haben kann. Insgesamt ist festzustellen, dass Gewalt nicht nur schädigend für die psychische und physische Entwicklung der Kinder ist, sondern auch auf die Einstellung zu Gewalt und zu eigenem gewalttätigen Verhalten Auswirkungen haben kann. Insofern hat die Arbeit mit diesen Kindern auch einen wesentlichen präventiven Aspekt.

Es ist weiter belegt, dass häusliche Gewalt gegen Frauen und Kindesmisshandlung häufig in den gleichen Familien auftreten, weil Männer, die ihre Partnerinnen misshandeln, gleichzeitig auch Gewalt gegen Kinder ausüben. Hinzu kommt, dass misshandelte Frauen häufig so belastet sind, dass sie ihre Kinder nicht angemessen betreuen und versorgen können. Vor diesem Hintergrund ist das Miterleben von häuslicher Gewalt durch Mädchen und Jungen als eine spezifische Form von Kindeswohlgefährdung zu betrachten.


HAIP als Reaktion auf häusliche Gewalt

Das Hannoversche Interventionsprogramm (HAIP) „Gegen Männergewalt in der Familie“ wurde 1997 begonnen. Vorläufer von HAIP war der 1992 von der Frauenbeauftragten gegründete "Runde Tisch gegen Männergewalt in der Familie".

Seit 1997 arbeiten Polizei, Justiz, städtische Beratungseinrichtungen und Beratungsstellen freier Träger im HAIP-Verbund zusammen, um die verschiedenen erforderlichen Maßnahmen wie Intervention, Schutz, Beratung, Hilfe und Prävention zum Nutzen aller Betroffenen (vor allem der Frauen und Kinder) zu integrieren und weiter zu entwickeln.

HAIP ist inzwischen beispielhaft für ein gut funktionierendes Handlungskonzept sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt und anerkannt. Es wurde von der Universität Osnabrück in den Jahren 2000 bis 2003 wissenschaftlich begleitet und ausgewertet (Projekt WiBIG).

Dazu mit beigetragen hat das 2002 in Kraft getretene Gewaltschutzgesetz, wonach Opfer von Gewalttaten, die mit dem Täter in einem gemeinsamen Haushalt leben, Anspruch auf die alleinige Nutzung der Wohnung haben. D. h., der „Täter“ kann in Niedersachsen bis zu 14 Tagen aus der Wohnung verwiesen werden. Ergänzend gab es entsprechende Maßnahmen und Aktionspläne auf Bundes- und Landesebene.
2007 konnte im Rathaus Hannover im Rahmen einer Ausstellung des Kommunalen Kriminalpräventionsrates (KKP) das 10-jährige Bestehen von HAIP gefeiert werden.


Umsetzung und Interventionsverlauf

Ziel ist es, in Hannover grundsätzlich die Gewalt in Familien zu reduzieren, Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder anzubieten und Gewalttäter für ihr Handeln zur Verantwortung zu ziehen, d. h. eine Übernahme von Verantwortung und Verhaltensänderung bei den (überwiegend) männlichen Tätern zu erreichen.

Dazu ist es wichtig, eine sinnvoll vernetzte Intervention aller beteiligten Institutionen bereit zu halten, um den jeweiligen Familienmitgliedern schnelle Möglichkeiten der Hilfe und Unterstützung aufzeigen zu können.

Nach Einstellung des Präventionsprogramms Polizei-Sozialarbeit (PPS) Ende 2005 wird seit Anfang 2006 eine Beratungs- und Interventionsstelle (BISS) durch das Land Niedersachsen gefördert. Diese Aufgabe wird durch das Frauen- und Kinderschutzhaus wahrgenommen, das die Informationen zu Fällen häuslicher Gewalt direkt von der Polizei erhält und diese an die zuständigen Bausteine des Netzwerkes HAIP zur weiteren Bearbeitung weiter leitet.

In der Praxis heißt das, dass die Polizei über jeden Einsatz bei häuslicher Gewalt einen entsprechenden Bericht an die BISS schickt, die dann die Meldungen entsprechend dem betroffenen Personenkreis zur weiteren Bearbeitung und Kontaktaufnahme an die Bestärkungsstelle, SUANA, die Waage und das Männerbüro weitergibt. Der Kommunale Sozialdienst erhält ebenfalls eine Mitteilung, wenn Kinder oder Jugendliche betroffen sind bzw. mit im Haushalt leben.


Organisation und Verantwortlichkeiten

Die Federführung für das Hannoversche Interventionsprogramm (HAIP) wird vom Referat für Frauen und Gleichstellung wahrgenommen. Die zentralen Kooperationspartner im HAIP-Verbund sind die Polizeidirektion Hannover, die Staatsanwaltschaft Hannover, die Bestärkungsstelle für von Gewalt betroffene Frauen, die Beratungsstelle für von Männergewalt betroffene Migrantinnen (SUANA / kargah e.V.), das Männerbüro Hannover e.V. (mit dem Schwerpunkt: Täterarbeit), die Waage Hannover e.V., das Frauen- und Kinderschutzhaus, die Rechtsantragstelle des Amtsgerichts, das Kinderschutz-Zentrum als Koordinierungsstelle für betroffene Kinder und Jugendliche (mit einem Gruppenangebot für betroffene Kinder).

Neben diesen Bausteinen gibt es drei ständige Arbeitsgruppen. Die Leitung der Arbeitsgruppe "Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrungen im häuslichen Bereich" erfolgt durch den Fachbereich Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst (51.2); die Leitung der Arbeitsgruppe "Zwangsheirat" durch das Büro des Oberbürgermeisters (15.23 Integration); die Leitung der Arbeitsgruppe "Migrantinnen" durch das Referat für Frauen und Gleichstellung (18F). Die Koordination des Gesamtprogramms wechselt und wird derzeit wahrgenommen von SUANA/kargah e. V., dem Frauen- und Kinderschutzhaus, der Waage Hannover e. V. und der Gleichstellungsbeauftragten der Landeshauptstadt Hannover.

Zahlen von häuslicher Gewalt in der LHH im Jahre 2007

Im Jahre 2007 wurden nach Angaben der Polizei in der LHH und der Region Hannover insgesamt 3.079 Strafanzeigen im Kontext zu häuslicher Gewalt registriert. Das sind im Verhältnis zu 2006 165 Fälle (+ 5,7 %) mehr. Die Anzahl der sonstigen Ereignisse (häusliche Gewalt, ohne dass es explizit zu Straftaten gekommen ist bzw. diese nicht nachweisbar waren) hat sich von 636 Fällen 2006 auf 563 verringert. Von den insgesamt 3.079 Straftaten entfallen 1.877 Straftaten auf die LHH.

Die Beratungs- und Interventionsstelle der LHH registrierte 2007 insgesamt 1.731 Meldungen der Polizei über häusliche Gewalt. In 1.259 Fällen lebten Kinder und Jugendliche mit im Haushalt der Eltern. Es gab davon 230 Direkt-meldungen der Polizei an den Kommunalen Sozialdienst des Fachbereiches Jugend und Familie der LHH, bei denen ein Handlungsbedarf gesehen wurde.

Grundsatz der Arbeit aller beteiligten Institutionen ist es, durch HAIP unmissverständlich deutlich zu machen, dass Schutz und Sicherheit in der LHH einen hohen Stellenwert genießen und häusliche Gewalt nicht als „Privatsache“ abgetan wird.

In diesem Sinne soll HAIP kontinuierlich weiter entwickelt werden und einen Anstoß auch für andere Städte und Kommunen geben, ähnliche Projekte zu entwickeln.

51.2 
Hannover / 28.04.2008