Drucksache Nr. 1045/2020:
Elterngeldähnliche Sonderleistung für Pflegeeltern

Inhalt der Drucksache:

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1045/2020
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Elterngeldähnliche Sonderleistung für Pflegeeltern

Antrag

zu beschließen, dass Pflegeeltern ab dem 01.06.2020 im ersten Aufnahmejahr eine elterngeldähnliche Leistung beanspruchen können, um einen Ausgleich zu schaffen für einen zeitweisen Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit zugunsten der Betreuung und Erziehung eines Pflegekindes.

Die Umsetzung erfolgt zunächst befristet als Modellprojekt für zwei Jahre und entfällt, sobald eine Gesetzesänderung des Bundes erfolgt, die den Bezug von Elterngeld oder einer elterngeldähnlichen Leistung durch Pflegeeltern regelt.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Gender-Aspekte werden im Rahmen des Schriftverkehrs bei entsprechenden Ansprachen an Pflegeeltern und deren Pflegekinder berücksichtigt. Die Aufgabe der Fachkräfte ist es, die Beratung und Begleitung während der Antragstellung gender- und kultursensibel zu gestalten.

Kostentabelle

Darstellung der zu erwartenden finanziellen Auswirkungen in Euro:
Teilfinanzhaushalt 51 - Investitionstätigkeit
EinzahlungenAuszahlungen
Zuwendungen für Investitionstätigkeit 0,00 €
Beiträge u.ä. Entgelte für Investitionstätigkeit 0,00 €
Veräußerung von Sachvermögen 0,00 €
Veräußerung von Finanzvermögensanlagen 0,00 €
Sonstige Investitionstätigkeit 0,00 €
  
  
  
Erwerb von Grundstücken und Gebäuden 0,00 €
Baumaßnahmen 0,00 €
Erwerb von bewegl. Sachvermögen 0,00 €
Erwerb von Finanzvermögensanlagen 0,00 €
Zuwendungen für Investitionstätigkeit 0,00 €
Sonstige Investitionstätigkeit 0,00 €
  
Saldo Investitionstätigkeit 0,00 €
0,00 €

Teilergebnishaushalt 51 - Investitionstätigkeit
Produkt 36302
Hilfen zur Erziehung
Angaben pro Jahr
Ordentliche ErträgeOrdentliche Aufwendungen
Zuwendungen und allg. Umlagen 0,00 €
Sonstige Transfererträge 0,00 €
Öffentlichrechtl. Entgelte 0,00 €
Privatrechtl. Entgelte 0,00 €
Kostenerstattungen 0,00 €
Auflösung Sonderposten (anteilige Zuwendungen) 0,00 €
Sonstige ordentl. Erträge 0,00 €
  
Außerordentliche Erträge 0,00 €
  
Erträge aus internen Leistungsbeziehungen 0,00 €
Personalaufwendungen 0,00 €
Sach- und Dienstleistungen 0,00 €
Abschreibungen 0,00 €
Zinsen o.ä. (TH 99) 0,00 €
Transferaufwendungen 57.600,00 €
Sonstige ordentliche Aufwendungen 0,00 €
  
Saldo ordentliches Ergebnis -57.600,00 €
Außerordentliche Aufwendungen 0,00 €
Saldo außerordentliches Ergebnis 0,00 €
Aufwendungen aus internen Leistungsbeziehungen 0,00 €
Saldo aus internen Leistungsbeziehungen 0,00 €
Saldo gesamt -57.600,00 €
Die entsprechenden Mittel stehen im Haushalt 2020 zur Verfügung.

Leistungsbeschreibung

Diese Leistung kann im Sinne einer Leistung zum notwendigen Unterhalt des Kindes im Sinne des § 39 Abs. 1 S. 1 SGB VIII gelten.

Leistungsberechtigt ist die hauptbetreuende Vollzeitpflegeperson, die tatsächlich / nachweislich ihre Erwerbstätigkeit vollständig ruhen lässt. Aus fachlichen Erwägungen sollte der Betreuungszeitraum mindestens sechs Monate betragen.

Die Leistungsdauer beträgt ab Aufnahme des Kindes regelhaft bis zu 12 Monate.

In besonders zu begründenden Einzelfällen kann die Leistung auch länger gewährt werden.

Die Leistungshöhe beträgt 800,- € pro Monat (= 9.600,- € pro Jahr/Kind) im ersten Kalenderjahr nach Aufnahme des Kindes.

Die Leistungshöhe orientiert sich an der Berechnungsgrundlage für das Elterngeld. Es werden 67 % des Verdienstausfalls finanziert. Hier gilt eine Verdienstobergrenze des vorherigen Einkommens von 1.200,- €. Die Höchstsumme einer möglichen Auszahlung liegt demnach bei 804,- €, abgerundet 800,- €. Hier folgt die Landeshauptstadt Hannover den bereits umgesetzten Verfahren anderer Jugendämter wie beispielsweise der Region Hannover.


Es werden pro Jahr ca. sechs Leistungsberechtigte erwartet. In 2018 wurden weniger als zehn Kinder im Alter von 0-6 Jahren in Pflegefamilien vermittelt.

Begründung des Antrages

Der Gesetzgeber sieht unter Berücksichtigung der altersspezifischen Bedarfe vor, unterschiedlichste Formen der (Fremd-)Unterbringung für Kinder und Jugendliche vorzuhalten.

Die Betreuung und Erziehung in einer Pflegefamilie soll insbesondere jüngeren Kindern eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten. Die Landeshauptstadt Hannover hat hier geeignete Angebote im Rahmen der Fremdplatzierung von Kindern und Jugendlichen vorzuhalten. Zu diesem Zweck wirbt, prüft und qualifiziert der Pflegekinderdienst (PKD) der Landeshauptstadt Hannover interessierte Paare und Alleinstehende im Zuständigkeitsbereich des Fachbereiches Jugend und Familie der Landeshauptstadt Hannover regelmäßig.

In den letzten Jahren hat sich eine bundesweite Entwicklung abgezeichnet, die einen kontinuierlichen Rückgang an Interessierten deutlich macht.

Gleichzeitig aber steigt der Bedarf an Pflegefamilien für diese Kinder (vornehmlich 0 Jahre bis Grundschulalter) kontinuierlich. So ist bundesweit der Anteil der 0- bis 6-jährigen Kinder, die in Pflegefamilien leben, von 2010 bis 2015 von 25,4 % auf 23,3 % gesunken. Stattdessen erfolgt eine Unterbringung in Heimeinrichtungen.

Im Jahr 2019 sind in der Landeshauptstadt Hannover für sieben Kinder unter sechs Jahren Pflegefamilien gefunden worden. Im gleichen Zeitraum wurden 38 Kinder unter sechs Jahren in Heimeinrichtungen untergebracht.

Ein wesentlicher Faktor für den Rückgang der überwiegend berufstätigen Bewerber*innen sind die erheblichen finanziellen Einbußen, die im Besonderen im ersten Jahr der Aufnahme entstehen. In dieser Zeit gilt es, den emotionalen, pädagogischen und psychischen Bedarfen der Kinder gerecht zu werden, die in der Regel bisher Instabilität und Vernachlässigung sowie psychischen und physischen Mangel und z. T. Gewalterleben erfahren haben. Es ist erforderlich, dass ein stabiles und tragfähiges Beziehungsangebot vorgehalten wird. Dies erfordert vom hauptbetreuenden Pflegeelternteil nicht nur Kraft, sondern auch eine quasi ständige zeitliche Verfügbarkeit. Bisher können berufstätige Pflegepersonen zwar Elternzeit in Anspruch nehmen, anders als leibliche Eltern haben sie jedoch keinen Anspruch auf Elterngeld. Der Gesetzgeber schließt Pflegeeltern aus dem berechtigten Personenkreis aus. Das führt dazu, dass potenziell gut geeignete Paare entweder ihre Bewerbung zurückziehen, da sie mit dem Gehalt eines Alleinverdieners nicht auskömmlich sind, oder der Fachdienst eine Bewerbung pädagogisch geeigneter Bewerber*innen zurückstellen muss, da diese durch die Aufnahme eines Pflegekindes bei gleichzeitigem Wegfall ihres Einkommens ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten könnten. Der Pflegekinderdienst strebt an, auf eine Anzahl breit gefächerter Profile von Vollzeitpflegestellen in Familien zurückgreifen zu können, um möglichst individuelle Passungen von Kind und Pflegefamilie vornehmen zu können.

Dies macht es notwendig, zum einen über einen ausreichend großen Pool offener Pflegestellen zu verfügen, zum anderen aber auch in diesem Pool möglichst breit gestreut Familien aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Lebensbereichen vorzuhalten. Die Möglichkeit zur Aufnahme eines Pflegekindes sollte nicht vorrangig eine Frage der persönlichen wirtschaftlichen Situation sein.

Es ist deshalb anzustreben, die Aufnahme eines Pflegekindes für Familien nicht nur durch eine qualifizierte Vorbereitung und Begleitung, sondern auch durch den Ausgleich wirtschaftlicher Einbußen attraktiver zu machen. Nicht nur aus pädagogischer Sicht stellt die Unterbringung eines (Klein-)Kindes in einer Pflegefamilie eine für seine Entwicklung deutlich adäquatere Unterbringungsform als die Heimerziehung dar. Auch die finanziellen Aufwendungen liegen im Einzelfall in der Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII unter denen für einen Erziehungsstellen- bzw. Heimplatz nach § 34 SGB VIII (siehe auch Anlage 1 + 2).

Umsetzung

Die Einführung einer elterngeldähnlichen Sonderleistung im o. g. Sinne erfolgt im Rahmen eines Modellvorhabens zunächst für zwei Jahre. Nach entsprechendem Beschluss erfolgt die Umsetzung rückwirkend zum 01.06.2020. Die anspruchsberechtigten Familien werden bei Vermittlung des Kindes von der zuständigen Sachbearbeitung über diese Option informiert. Der Aspekt der elterngeldähnlichen Leistung ist für viele Bewerber*innen entscheidend, um die Aufnahme eines Pflegekindes in Erwägung zu ziehen. Zukünftig wird dieses Thema bereits Inhalt des Bewerbungsverfahrens sein.

Die elterngeldähnliche Sonderleistung als Leistung nach § 39 SGB VIII (siehe Anlage 1) ist vor dem Hintergrund bisher fehlender gesetzlicher Anpassungen zu sehen. Der Niedersächsische Landesjugendhilfeausschuss vertritt die Auffassung, dass eine einheitliche Lösung im Bundesrecht gefunden werden sollte. Die Zahlung dieser Sonderleistung nach § 39 SGB VIII würde bei einer entsprechenden Gesetzesänderung wieder entfallen.

51.2 
Hannover / 15.05.2020