Informationsdrucksache Nr. 0991/2011:
Koordinierungszentrum Kinderschutz – Netzwerk Früher Hilfen

Inhalt der Drucksache:

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0991/2011
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Koordinierungszentrum Kinderschutz – Netzwerk Früher Hilfen

Koordinierungszentrum Kinderschutz – Netzwerk Früher Hilfen

In der Informationsdrucksache Nr. 1079/2010 ist die grundsätzliche Projektstruktur, die Arbeitsweise und ein erstes Zwischenergebnis der Projektpraxis dargestellt worden. Aus Gründen der Übersicht und Verständlichkeit werden in der jetzt vorgelegten Drucksache zu den einzelnen Schwerpunkten die Gesamtergebnisse beschrieben.

Mit dem Ziel, wirksamen Kinderschutz durch frühe und verbindliche Hilfen herzustellen, sind die Koordinierungszentren Kinderschutz – Netzwerke früher Hilfen 2007 als Modellprojekt des Landes Niedersachsen in den Städten Oldenburg, Lüneburg, Braunschweig und in Hannover an den Start gegangen. Inzwischen befinden sich die Projekte in der Verlängerungsphase und werden im Dezember 2011 abgeschlossen.

In Hannover lag der Fokus der Projektpraxis zunächst auf der tertiären Prävention und der Zielgruppe der bis zu sechsjährigen Kinder, weil gerade kleine Kinder von einer möglichen Vernachlässigung oder Misshandlung existentiell betroffen sind. Der Schwerpunkt des Modellprojektes liegt in der Schaffung von Netzwerk- und Kooperationsstrukturen zwischen den medizinischen Berufsgruppen und der öffentlichen Jugendhilfe. Das Ziel ist, Kindeswohlgefährdungen rechtzeitig zu erkennen, Handlungsabläufe festzulegen und Schutzmaßnahmen einzuleiten.
1. Netzwerkarbeit
Das Koordinierungszentrum hat sich mit der Gründung einer Netzwerk-AG eine zentrale Arbeitsebene geschaffen, in der Vertreterinnen und Vertreter des öffentlichen Gesundheitsdienstes, des Kinderkrankenhauses auf der Bult, der Rechtsmedizin der MHH, der niedergelassenen Kinderärztinnen und –ärzte, der Hebammen, des sozialpsychiatrischen Dienstes (SpDi) und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe von Stadt und Region Hannover mitarbeiten.

Es wurden gemeinsame Bewertungskriterien von Gefährdungssituationen entwickelt, ausführliche Indikatoren für eine mögliche Kindeswohlgefährdung definiert und ein standardisiertes Mitteilungsverfahren zur Weiterleitung von Informationen an die öffentliche Kinder- und Jugendhilfe festgelegt. Die erstellten Materialien sind unter www.kinderschutz-niedersachsen.de abrufbar.

Die erarbeiteten Arbeitshilfen und Herangehensweisen bieten auch für andere Bereiche der Jugendhilfe eine gute Orientierungshilfe. So hat beispielsweise das Projekt HaLT (Hart am Limit) bei der Entwicklung seiner Risikoeinschätzung zum kritischen Alkoholkonsum bei Jugendlichen auf die Materialien und die Kenntnisse des Koordinierungszentrums zurückgegriffen.

Darüber hinaus ist im Rahmen der Netzwerk-Arbeitsgruppe eine Zusammenstellung der Aufgaben, Leistungen und Kooperationsangebote aller mit dem Kinderschutz befassten medizinischen Berufsgruppen entstanden, die insbesondere für die Kinder- und Jugendhilfe eine gute Übersicht über die im Einzelfall zu nutzenden medizinischen Dienste darstellt.
2. Standardisierte Verfahren
Zu einer praktikablen Zusammenarbeit zwischen medizinischen Berufsgruppen und der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe gehört die Vereinbarung von berufgruppenspezifischen Verfahren der Kooperation. Im Laufe des Projektes wurde mit dem Kinderkrankenhaus auf der Bult, der Kinderklinik Neustadt und dem öffentlichen Gesundheitsdienst jeweils eine Kooperationsvereinbarung entwickelt.

Für die niedergelassenen Kinderärztinnen und -ärzte und Hebammen wurden Leitlinien der Zusammenarbeit im Kinderschutz entwickelt und im Rahmen von Informationsveranstaltungen bekannt gemacht.

Nach einer Erprobungsphase sollen diese Verfahren hinsichtlich ihrer Bekanntheit, Anwendbarkeit und ihrer Wirksamkeit hin ausgewertet und gegebenenfalls angepasst werden.

Nach einer Fachveranstaltung des Koordinierungszentrums zum Thema „Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Gemeindepsychiatrie im Kinderschutz“ fanden in allen 11 Sektoren des Sozialpsychiatrischen Verbundes der Region Workshops statt, an denen jeweils MitarbeiterInnen des Sozialpsychiatrischen Dienstes und die Fachkräfte des entsprechenden Kommunalen Sozialdienstes / Allgemeinen Sozialdienstes beteiligt waren. Auf Grundlage der bereits seit April 2007 vorliegenden Leitlinien für eine Zusammenarbeit zwischen dem KSD und dem Sozialpsychiatrischen Dienst der Landeshauptstadt Hannover sowie den Ergebnissen der Workshops wird derzeit in einem weiteren Schritt eine Kooperationsvereinbarung / Leitlinie für die Gesamtregion erarbeitet.
3. Qualifizierung
Ein wirksamer Kinderschutz erfordert Handlungssicherheit bei der Erkennung möglicher Risikofaktoren und deren Auswirkungen und das Wissen um die nötigen Handlungsschritte. Der KSD hat mit der Vorlage seines „Qualitätspapiers Kinderschutz“ die Grundlagen für ein strukturiertes Handeln in Kinderschutzfällen beschrieben.
Das Qualifizierungsprogramm des Koordinierungszentrums basiert ebenfalls auf dem Grundsatz ‚Erkennen - Beurteilen - Handeln’. Es wurden nach Bedarf inhaltlich verschiedene Veranstaltungen angeboten: fachliche Qualifizierungen z.B. zur Diagnostik von Misshandlungen und Vernachlässigungen, interdisziplinäre Angebote für MedizinerInnen und MitarbeiterInnen der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe, berufsgruppenspezifische oder auch lokal ausgerichtete Angebote zur Zusammenarbeit von Medizin und Jugendhilfe in einer Stadt.
4. Frühe Hilfen
Lag der Fokus des Projektes in den ersten drei Jahren auf dem Bereich der tertiären Prävention, d.h. auf der Zusammenarbeit bei Verdacht auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung, so erweitert sich der Blick in der letzten Projektphase auf den Bereich der primären und sekundären Prävention.
Mit den Frühe Hilfen sind Unterstützungs- und Hilfsangebote gemeint, die sich insbesondere an Familien mit besonderen Problemlagen und bei ersten Hinweisen auf misslingende Erziehungsprozesse richten. Dazu gehören weitere medizinische Kooperationspartner wie die Geburtskliniken und die Gynäkologinnen und Gynäkologen, aber auch andere Akteure wie die Schwangerenberatungsstellen oder das FamilienServiceBüro.

Diese Berufsgruppen benötigen Wissen um weiterführende Betreuungs- und Unterstützungsangebote und damit auch Wissen um zentrale AnsprechpartnerInnen wie die Familienhebammenzentrale oder auch die öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe. Das Koordinierungszentrum leistet hier die Organisation einer guten Netzwerkstruktur und bietet bedarfsspezifische Unterstützung bei der Regelung von Kooperationsverfahren.

Ein weiteres wichtiges Themenfeld ist die Kooperation mit den Grundschulen. In Zusammenarbeit mit den Schulleitungen der Hannoverschen Grundschulen hat das Koordinierungszentrum gemeinsam mit dem KSD ein Instrumentarium für die Risikoeinschätzung im Grundschulbereich entwickelt. Die bereits bestehende Kooperationsvereinbarung zwischen den Grundschulen und der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe wurde geschärft und mit einer höheren Verbindlichkeit in der Zusammenarbeit versehen. Auch die Förderschulen in der Region Hannover sind an einem standardisierten Verfahren zur Zusammenarbeit im Kinderschutz interessiert und es werden zurzeit entsprechende Handlungsabläufe entwickelt.

So kann sich das Netzwerk Kinderschutz und Frühe Hilfen bei Projektbeendigung in diesem Jahr wie folgt darstellt:
5. Rahmenkonzept „Standards im Kinderschutz“
Der Fachbereich Jugend und Familie der Landeshauptstadt Hannover sowie der Fachbereich Jugend der Region Hannover haben in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, die Aufgabe des Kinderschutzes auf qualitativ hohem Niveau umzusetzen. Um diese Qualität langfristig sichern und weiterentwickeln zu können, haben sich beide Fachbereiche auf ein Rahmenkonzept „Standards im Kinderschutz“ verständigt.

Ziel dieses Konzeptes ist es, umfassende, gemeinsame Standards auf den verschiedenen Ebenen in der Kinderschutzarbeit (Personalentwicklung / Qualifizierung; Qualitätsmanagement; Interne Verfahren und Kooperationen) zu definieren und diese fortlaufend zu überprüfen und weiter zu entwickeln. Das Konzept beinhaltet als wichtigen Baustein eine gemeinsame Qualifizierung der Fachkräfte in den Sozialen Diensten beider Fachbereiche.

Für die Umsetzung und Weiterentwicklung eines abgestimmten Konzeptes „Standards im Kinderschutz“ ist eine zentrale Steuerung notwendig, die die einzelnen Kinderschutzthemen und – bereiche zusammenführt, Kooperationsbedarfe aufgreift und bearbeitet, Qualifizierung absichert und das entstandene Netzwerk fachlich weiter betreut und entwickelt.

Im Rahmen dieses Konzeptes sind auch die Ergebnisse des Modellprojektes nachhaltig gesichert und in ein Regelangebot der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe in der Landeshauptstadt Hannover überführt.

Insgesamt hat die Arbeit des Koordinierungszentrums dazu beigetragen, dass sich die multiprofessionelle Zusammenarbeit in Kinderschutzfällen erhöht und durch seine Standardisierung verbessert und intensiviert hat. Damit wird in der konkreten Arbeit mit den betroffenen Familien eine Fachlichkeit geschaffen, die für die Entwicklung passgenauer Hilfen und Unterstützung notwendig ist und damit letztlich den Schutz der Kinder wirksam werden lässt.
6. Ausblick
Die Entwicklungen der kommunalen Kooperationsstruktur in der Kinderschutzarbeit sind vom Institut für soziale Arbeit -ISA-Münster- im Sommer 2010 evaluiert worden. Die Befragten haben den Jugendämtern der Stadt und Region Hannover in den Bereichen Erreichbarkeit, Abläufe und Verfahren, Rückmeldungen und Kommunikationsfluss eine deutliche Verbesserung in der Zusammenarbeit seit 2007 bescheinigt. Auch den Verfahren, Vereinbarungen und Arbeitsmaterialien, die das Koordinierungszentrum in Zusammenarbeit mit den medizinischen Berufsgruppen entwickelt hat, wird eine hohe Bedeutung für die Steuerung der praktischen Arbeit beigemessen. Bei der konzeptionellen Weiterentwicklung der Kinderschutzarbeit ist geplant, stärker als bisher auch die Gefährdung älterer Kinder und Jugendliche in den Blick zu nehmen: Hauptaugenmerk wird hierbei auf den Problemfeldern neue Medien, Mobbing, Erpressung / Nötigung, Sucht, Schulabsentismus, Gewalt oder Delinquenz liegen.

Das Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration plant die unbefristete Weiterförderung der Koordinierungszentren ab 2012. Neben der Weiterentwicklung der hiesigen Netzwerkarbeit sollen die bisherigen Koordinierungszentren auch andere Jugendämter in Niedersachsen beim Auf- und Ausbau eines Kinderschutznetzwerkes beraten.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Der Schutz von Kindern vor Vernachlässigung sowie körperlicher und sexualisierter Gewalt gilt sowohl für Mädchen als auch für Jungen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

51.2 
Hannover / 09.05.2011