Drucksache Nr. 0925/2007:
Luftreinhalte-Aktionsplan für die Landeshauptstadt Hannover

Informationen:

Beratungsverlauf:

Nachrichtlich:

  • Stadtbezirksräte 01 - 13

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Ausschuss für Umweltschutz und Grünflächen
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
In den Ausschuss für Arbeitsmarkt-, Wirtschafts- und Liegenschaftsangelegenheiten
In den Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
An die Stadtbezirksräte 01 - 13 (zur Kenntnis)
 
Nr.
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0925/2007
1
 
BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt

Luftreinhalte-Aktionsplan für die Landeshauptstadt Hannover

Der Rat möge beschließen:

Der als Anlage beigefügte Luftreinhalte-Aktionsplan für die Landeshauptstadt Hannover, insbesondere mit den in Kapitel 7 genannten Einzelmaßnahmen, wird hiermit in Kraft gesetzt.


Begründung:

1. Zuständigkeit:

Die niedersächsische Landesregierung hat die Zuständigkeit für die Luftreinhalteplanung mit Erlass vom 27.03.2007 auf die Kommunen übertragen. Nach der EU-Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie einschließlich der deutschen Umsetzungsvorschriften ist es erforderlich, für das Gebiet der Landeshauptstadt einen Luftreinhalte-Aktionsplan zu erstellen. Weitere Einzelheiten zu den Zuständigkeiten sind Kapitel 0 und 1 der Anlage zu entnehmen.


2. Luftqualität in Hannover

Der in der EU-Richtlinie seit dem 01.01.2005 festgelegte Tagesmittel-Grenzwert für Feinstaub (definiert als PM10; dies bezeichnet die Menge von Faserteilen, die kleiner als 10 Mikrometer = kleiner als zehnmillionstel Meter sind) wurde in der Messstation Göttinger Straße in den Jahren 2002-2006 jeweils zwischen 54 und 138 Mal überschritten; zulässig ist eine jährliche Überschreitung von 35 Mal. Ebenfalls überschritten wurde in der Göttinger Straße in den Jahren 2002-2006 der ab 01.01.2010 geltende Jahresmittel-Grenzwert für Stickoxide (gemessen 58-66 µg; zulässig 40 µg). Nach Berechnungen des Niedersächsischen Umweltministeriums geht dieses davon aus, dass es bei weiteren viel befahrenen Straßen Hannovers mit ungünstiger Durchlüftung (Vahrenwalder Straße, Marienstraße, Sallstraße, u. ä.; Einzelheiten siehe Kap. 2.4. der Anlage) ähnliche Überschreitungen gibt, sodass die Erstellung eines flächendeckenden Luftreinhalte-Aktionsplans rechtlich zwingend ist.

Die Luftqualität in Hannover ist insgesamt gesehen und im Verhältnis zu anderen bundesdeutschen Städten relativ gut: Die Belastung mit Schwefel, Blei usw. ist in den letzten Jahren kontinuierlich zurückgegangen und liegt (teilweise erheblich) unter den zulässigen Werten. Bei den bundesweiten Messstationen für Feinstaub lag Hannover 2006 mit 53 Überschreitungen auf Platz 27; "Spitzenreiter" war München mit 92 Überschreitungen und auch in Niedersachsen waren die Werte in Göttingen (67 Überschreitungen) und Osnabrück (58 Überschreitungen) ungünstiger.


3. Gesundheitliche Gefährdung

Feinstäube gelangen durch Mund und Nasen in den Atemtrakt, wo sie je nach Größe bis in die Hauptbronchien oder Lungenbläschen transportiert werden - nach Einschätzung des Bundesumweltministerium sterben in Deutschland jährlich mindestens 14.000 Menschen an den Folgen von Erkrankungen, die durch Feinstäube ausgelöst werden. Auch Stickoxide sind bei hoher Konzentration in erheblichem Maße gesundheitsgefährdend.


4. Schwerpunktsetzung des Luftreinhalte-Aktionsplans auf den Verkehrsbereich

Obwohl insbesondere beim Feinstaub nur ca. 6-8 % der PM10-Feinstaubemissionen aus den Auspuffen der Kfz kommen, beschäftigt sich der hier vorgelegte Luftreinhalte-Aktionsplan aus folgenden Gründen schwerpunktmäßig mit dem Verkehrsbereich:
- Bei den besonders gesundheitsgefährlichen lungengängigen besonders kleinen Feinstäuben (PM2,5 bzw. PM1) ist die Rolle des Kfz-Verkehrs als Verursacher wesentlich größer.
- Bei den Stickoxiden (NOx) stellt der Verkehr mehr als 50 % der Ursache dar.
- Bei den übrigen Emissionsquellen (Industrie, Gewerbe, Kaminöfen, Laserdrucker usw.) haben die Kommunen, die zur Aufstellung der Luftreinhalte-Aktionspläne verpflichtet sind, keine relevanten Entscheidungsbefugnisse.
Einzelheiten zu den Schadstoffquellen sind Kapitel 4.2 bis 4.4 der Anlage zu entnehmen.


5. bereits durchgeführte Maßnahmen

Durch eine vorsorgende und weitgehende Umwelt- und Verkehrsplanung der Landeshauptstadt ist die Luftsituation in Hannover schon heute relativ gut. Besonders zu nennen ist:
- Der seit 1965 vorangetriebene Bau des Stadtbahnnetzes mit einem erheblichen Ausbau und einer Optimierung des Fahrzeugparks in den letzten Jahren. Das Stadtbahnsystem Hannovers stellt im Vergleich zu ähnlichen Verdichtungsräumen einen nahezu optimalen Standard dar.
- Der Ausbau des S-Bahn-Netzes im Zusammenhang mit der Expo 2000.
- Die Priorisierung von Bussen und Bahnen im Verkehrsablauf und verkehrsträgerübergreifende Mobilitätsangebote führen zu einer hohen Attraktivität des ÖPNV, was dazu führt, dass relativ viele Menschen in Hannover den ÖPNV nutzen.
- Verglichen mit anderen deutschen Großstädten verfügt Hannover über ein gutes Radwegenetz, das in den nächsten Jahren durch verschiedene Maßnahmen noch verbessert werden soll.
- In der Innenstadt sorgt ein Parkleitsystem dafür, dass der Parkplatzsuchverkehr minimiert wird.
- Seit 1986 werden Tempo-30-Zonen eingerichtet, die inzwischen alle Wohnviertel im Stadtgebiet abdecken. Durch eine bewusste Lenkung des Kfz-Verkehrs auf Hauptverkehrsstraßen wurde der Durchgangs- und Schleichverkehr in den Wohngebieten erheblich verringert.
Weitere Einzelheiten der bisherigen Maßnahmen sind Kapitel 6 der Anlage zu entnehmen.


6. Maßnahmen des Luftreinhalte-Aktionsplans

Im Rahmen dieses Luftreinhalte-Aktionsplans sind folgende Maßnahmen vorgesehen (Einzelheiten siehe Kap. 7 der Anlage):

- Ein Fahrverbot für LKW-Durchgangsverkehr mit zulässigem Gesamtgewicht von über 12 t im gesamten Gebiet der Landeshauptstadt, um zu verhindern, dass LKWs Schleichstrecken durch die Stadt nutzen, um auf diese Weise Mautgebühren zu sparen.
- Abschluss der Arbeiten an einem LKW-Wegweisungs- und Beschilderungskonzept, mit dem das umwegfreie Erreichen von Gewerbegebieten verbessert und LKW-Verkehr von dicht besiedelten Wohngebieten fern gehalten werden soll.
- Weitere Optimierung der Ampelschaltungen, um den Kfz-Verkehr noch flüssiger zu gestalten. Dabei wird jedoch die Vorrangschaltung für den ÖPNV beibehalten!
- Nach der Auswertung der Auswirkungen der Tempo-40-Beschränkung in der Göttinger Straße durch das Niedersächsische Umweltministerium wird geprüft, auf welchen anderen stärker belasteten Straßen im Stadtgebiet die gleiche Geschwindigkeitsbeschränkung sinnvoll ist. In diesen Straßen wird die Straßenverkehrsbehörde dieses dann umsetzen.
- Bei der Sanierung von Straßenfahrbahnen wird geprüft, ob abriebarme Beläge eingesetzt werden können.
- Bei der Neuplanung bzw. der Grunderneuerung von Straßen wird der Einbau von optischen Fahrbahneinengungen zur Minderung der Fahrgeschwindigkeit geprüft und ggf. umgesetzt. Zur Verbesserung der Luftqualität werden an dafür geeigneten Stellen zusätzliche Straßenbäume gepflanzt.
- Die Stadtverwaltung selbst wird bei ihrer Fahrzeugbeschaffung vorbildlich vorgehen: Seit Juni 2005 sind schadstoffarme Motoren verbindliches Kriterium für die Neubeschaffung von Fahrzeugen. In einem kurzfristigen Umrüstprogramm sollen ca. 40 Fahrzeuge mit Russfiltern nachgerüstet und ca. 120 städtische Fahrzeuge durch Neuwagen ersetzt werden, mindestens ca. 50 davon durch Fahrzeuge mit Gasantrieb. Dies erfordert Aufwendungen in Höhe von ca. 3, 5 Mio. €. Zur Abwicklung dieses Programms wird die Verwaltung eine eigene Ratsdrucksache vorlegen.
- Die Stadtverwaltung startet ein umfangreiches Programm zur Aufklärung der Bevölkerung über Möglichkeiten, zur Verringerung der Luftschadstoffbelastung in Hannover beizutragen.
- Neben dem Verkehrsbereich kommt dem sonstigen Energiebereich (Stromerzeugung und Wärmebereitstellung) bei den kommunalen Handlungsmöglichkeiten zur Verringerung der Luftschadstoffe eine zentrale Bedeutung zu, da die Reduzierung der CO2-Emissionen parallel mit der Reduzierung anderer Luftschadstoffe verbunden ist. Die Verwaltung wird in enger Abstimmung mit den Stadtwerken und den übrigen "Betroffenen" ein Klimaschutzprogramm 2008-2020 erarbeiten und den Ratsgremien zur Beschlussfassung vorlegen. Dies ist ein weiterer Baustein zur Reduzierung der Luftschadstoffe in Hannover.
- Eine Umweltzone mit Fahrverboten für Kfz mit besonders emissionsstarken Motoren wird eingeführt.

7. Einrichtung einer Umweltzone in Hannover
Die Verwaltung schlägt vor, in den in Kapitel 7.11 dargestellten Grenzen eine Umweltzone einzurichten, in die ab dem 01.01.2008 nur noch Diesel-Kfz mindestens mit EURO 2 und Benzin-Fahrzeuge mit Katalysator einfahren dürfen. Ab dem 01.01.2010 soll das Fahrverbot auf Diesel-Kfz ausgedehnt werden, die nicht mindestens EURO 3 haben und ab 01.01.2012 soll es eine weitere Verschärfung für Diesel-Kfz geben, die nicht mindestens EURO 4 haben.

Der vom Landesumweltministerium im Juni 2006 versandte Entwurf sah schon für 2008 wesentlich weiter gehende Beschränkungen vor. Hiergegen gab es jedoch (berechtigte) Einwendungen, da die Auswirkungen auf die hannoversche Wirtschaft, insbesondere das Handwerk unangemessen hoch gewesen wären. Der jetzt von der Verwaltung vorgelegte Vorschlag ist ein ausgewogener Kompromiss zwischen dem Gesundheitsinteresse der Bevölkerung und den wirtschaftlichen Belangen der Kfz-Besitzer. Vom 01.01.2008 an sind nur Fahrzeuge betroffen, die vor 1992 gebaut wurden, also älter als 16 Jahre sind. Hiervon sind rechnerisch nach dem Statistikstand 01.01.2006 im Stadtgebiet von Hannover 11.390 PKW (5,3% des Bestandes) und 3.550 Nutzfahrzeuge (30,4% des Bestandes) betroffen. Das Fahrverbot wird jedoch für wesentlich weniger Fahrzeuge gelten, da
- in den zwei Jahren zwischen dem 01.01.2006 und dem 01.01.2008 davon auszugehen ist, dass noch eine Reihe der mindestens 16 Jahre alten Fahrzeuge durch neue ersetzt werden,
- ein erheblicher Teil von den betroffenen Fahrzeugen mit einem (steuerlich geförderten!) Rußfilter nachgerüstet werden können,
- für eine Reihe von Fahrzeugen Ausnahmeregelungen gelten.

Ausnahmen vom Befahrungsverbot in der Umweltzone:

Nach der bundeseinheitlichen Kennzeichnungsverordnung können insbesondere folgende Fahrzeuggruppen die Umweltzone befahren, auch wenn sie den Emissionskriterien nicht entsprechen: Feuerwehr, Polizei, Fahrzeuge, die dem Bau, der Unterhaltung und der Reinigung von Straßen dienen, Müllabfuhr, Fahrzeuge von Schwerbehinderten, u. a.

Benzinfahrzeuge mit einem Katalysator der ersten Generation (US-Norm); nach der derzeit geltenden Plakettenverordnung dürften die Fahrzeuge nicht in die Umweltzone einfahren. Da diese Fahrzeuggruppe nicht relevant zur Feinstaubproblematik beiträgt, gibt es im hannoverschen Luftreinhalte-Aktionsplan eine entsprechende Ausnahmeregelung. Die Bundesregierung hat außerdem zugesagt, die Verordnung bis zum 01.01.2008 entsprechend zu ändern.

Ausgenommen werden im hannoverschen Plan außerdem:
- historische Fahrzeuge (älter als 30 Jahre),
- Sonderfahrzeuge von Schaustellern, da sie im Stadtgebiet nur sehr geringe Strecken fahren;
- alle gewerblichen Sonderfahrzeuge, die mit Fahrtenbuch-Nachweis jährlich nicht mehr als 2.000 km fahren (z. B. Werkstattwagen von Handwerksbetrieben);
- vorübergehend Busse, die noch nicht EURO-Norm 2 erfüllen.
Darüber hinaus wird die Landeshauptstadt auf Antrag nach Einzelfallprüfung weitere Ausnahmegenehmigungen in Fällen erteilen, in denen das Fahrverbot in keinem angemessenen Verhältnis zum wirtschaftlichen Schaden für den Kfz-Besitzer steht. Sie wird dies in der Startphase der Regelung großzügig tun.


8. Aktuelle Maßnahmen, wenn die Grenzwerte zukünftig überschritten werden:

Trotz der in Kap. 7 der Anlage näher aufgeführten Maßnahmen ist nicht gewährleistet, dass zukünftig die Grenzwerte für NO2 und PM10 in Hannover eingehalten werden. Daher ist die Landeshauptstadt verpflichtet, für diesen Fall aktuell wirkende Maßnahmen durchzuführen. Da es im kommunalen Einflussbereich über das schon dargestellte hinaus keine direkt wirksamen Handlungsoptionen gibt, haben folgende geplante Maßnahmen ausschließlich Appellcharakter:

Bei Wetterlagen, bei denen erhöhte Schadstoffkonzentrationen prognostiziert werden, wird die Bevölkerung aufgefordert, innerhalb des Stadtgebietes auf die Benutzung des eigenen Fahrzeuges zu verzichten und stattdessen den ÖPNV zu nutzen. Außerdem wird die Bevölkerung des Stadtgebietes aufgefordert, in diesen Fällen den Betrieb von Kleinfeuerungsanlagen mit festen Brennstoffen (Kamine, Kachelöfen) zu unterlassen.


9. Weitere erforderliche Maßnahmen außerhalb des kommunalen Einflussbereiches

Durch die beabsichtigten kommunal beeinflussbaren Maßnahmen soll eine Verringerung der Luftbelastung erreicht werden. Die weit überwiegenden Ursachen für die Luftbelastungen entziehen sich jedoch dem lokalen Zugriff und die entsprechenden Maßnahmen sind auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene zu ergreifen. Hierzu gehören insbesondere:
- Die zügige europaweite Umsetzung des besten Standes der Luftreinhaltetechnik bei Großemittenten (Industrie, Gewerbe, Kraftwerke).
- Die Entwicklung von anspruchsvollen Standards zur Minderung der überregionalen Emissionen insbesondere im Bereich der Landwirtschaft.
- Die Weiterentwicklung anspruchsvoller Standards zur Emissionsbegrenzung bei neu zugelassenen Kraftfahrzeugen sowie mobilen Maschinen und Geräten (u. a. bei Laserdruckern usw.).
- Die Ausweitung der Maut auf vom überregionalen Verkehr besonders genutzte Bundes- und Landesstraßen.


Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Von den gesundheitsschädlichen Folgen der Feinstaubbelastung sind vornehmlich Kinder und alte Menschen betroffen. Von den Maßnahmen zur Reduktion der Feinstaubbelastung profitieren Frauen und Männer gleichermaßen.

Kostentabelle

Im städtischen Haushalt fallen kurzfristig folgende Kosten an: Ca. 150.000 € für das Aufstellen der erforderlichen Schilder zur Kennzeichnung der Umweltzone und ca. 3,5 Mio. € für die Umrüstung der städtischen Fahrzeugflotte, wenn die Neubeschaffung nicht über Leasing abgewickelt wird. Die Verwaltung wird hierzu eine eigene Drucksache vorlegen. Für die Ausgabe der Plaketten und die Erteilung von Einzelfall-Ausnahmegenehmigungen werden kostendeckende Gebühren erhoben.

Dez. V /OE 67.10
Hannover / 23.04.2007