Informationsdrucksache Nr. 0891/2013:
Informationen zum Zustand der Gewässer in Hannover

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Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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0891/2013
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Informationen zum Zustand der Gewässer in Hannover

Arbeitsprogramm „Naturnahe Gewässergestaltung“

Die fortschreitende Industrialisierung hat die ursprünglich strukturreichen Gewässer stark verändert. Der Verlust von Tier- und Pflanzenarten, die Verschlechterung der Gewässer- güte, die Veränderung der Grundwasserneubildung und die Reduzierung von Über- schwemmungsflächen waren die negativen Auswirkungen. In Hannover wurde daher An- fang der 90er Jahre ein Konzept zur Wiederherstellung der Multifunktionalität der Gewässer in Hannover erarbeitet.

Die Stadtentwässerung Hannover - als Unterhaltungspflichtige für ca. 130 km Gewässer - ließ eine ausführliche Bestandsaufnahme der aktuellen Gewässerzustände vornehmen, de- finierte anschließend anhand von Leitbildern Entwicklungsziele und leitete hieraus Einzel- maßnahmen ab. Dabei sind die seit 1984 von der Arbeitsgemeinschaft Limnologie und Ge- wässerschutz (ALG) e.V. durchgeführten Wassergütebestimmungen wichtige Grundlagen.

Seit 1994 wird das hieraus hervorgegangene Arbeitsprogramm „Naturnahe Gewässer- gestaltung in Hannover“ umgesetzt. Das Projekt hat dabei Auswirkungen bei der Aufstellung von B-Plänen, Grünordnungsplänen, Hochwasserschutzplanungen, Klimaschutzmaß- nahmen usw. Das Projekt ist Schnittmenge mit anderen Programmen zur Etablierung von mehr Natur in der Stadt zur Erhöhung der Biodiversität.

Die Reihenfolge der Maßnahmen richtet sich nach einer Prioritätenfolge, die in Anlehnung an das Niedersächsische Fließgewässerschutzsystem und unter Berücksichtigung weiterer Faktoren wie finanzieller Aufwand, Verfügbarkeit von Grunderwerb und Randstreifen- nutzung festgelegt wurde.

Mit dem naturnahen Ausbau werden insbesondere zwei Zielkomplexe verfolgt:

Zum einen dienen alle ausgebauten und auch die noch auszubauenden Gewässer der Niederschlagswasserbeseitigung im Stadtgebiet.
Durch ihren Ausbau soll eine Verbesserung der hydraulischen Situation und des Abfluss- verhaltens erreicht werden, um eine leistungsfähige Entwässerung nachhaltig sicher zu stellen. Dies wird erreicht durch die Schaffung von Retentionsräumen (Rückstaumöglich- keiten) und einer Verzögerung des Hochwasserabflusses (Hochwasserschutz durch Dämpfung der Abflussspitzen, Förderung der Grundwasserneubildung).

Zum anderen soll eine deutliche Verbesserung des ökologischen Zustandes der Gewässer erreicht werden, und zwar durch eine Optimierung der Gewässerstruktur, durch die Ver- ringerung von Schadstoffeinträgen, durch die Beseitigung von Wanderhindernissen, durch die Förderung der Gewässer-Eigendynamik und durch die Schaffung von Ersatzauen.
Durch Schaffung strukturreicher Querprofile mit Ersatzaue und Vorland und zum Teil breiter Gewässerrandstreifen und extensiver Unterhaltung sollen sowohl Insekten als auch Vogel- aufkommen gefördert werden. Die Pflanzen- und Tierwelt der Fließgewässerzone und des aquatischen Bereiches soll verbessert werden. Ebenso sollen die Arten und Anzahl aqua- tischer Bewohner gefördert werden.

Die genannten Zielstellungen wurden erreicht bzw. sind vielerorts auf den Weg gebracht. Die Erhöhung biologischer Vielfalt, Verknüpfung von Biotopen, Herstellung von Durch- gängigkeit im Gewässersystem, Stärkung der Selbstreinigungskraft der Gewässer, An- reicherung von Grundwasser, Reduzierung der Gewässerunterhaltung, Schaffung attraktiven Wohnumfeldes, Verbesserung der Naherholung und der Lebensqualität sind weitere erwünschte Nebeneffekte.

In das Programm wurden insgesamt 37 Fließgewässer aufgenommen. An der Mehrzahl der Gewässer wurden bereits Maßnahmen umgesetzt (s. Anlage Arbeitsprogramm „Naturnahe Gewässergestaltung“).

Abschnittsweise oder ganz wurden bereits folgende Gewässer naturnah umgestaltet:

Ahlemer Maschgraben, Desbrocksriede, Fösse, Hirtenbach, Ihme, Laher Graben, Land- wehrgraben, Roßbruchgraben, Oberer Schiffgraben, Stöckener Bach, Wettberger Bach, Wiehegraben, Wietze, Büntegraben, Badegraben, Bassriede, Galgengraben, Mardal- wiesenbach, Rohgraben, Seelhorstbach, Graben Laher Heide.

Davon wurden in den letzten 5 Jahren folgende naturnahe Ausbaumaßnahmen umgesetzt:
Fösse, Hirtenbach, Roßbruchgraben, Büntegraben und Oberer Schiffgraben.

Insgesamt wurden über 20 km Gewässer ausgebaut und viele km Gewässer- randstreifen erworben und angelegt. Die Stadtentwässerung hatte seit 1996 Aus- gaben in Höhe von ca. 700.000 € für den Grunderwerb und ca. 10,0 Mio. € für Planung und Bau investiert. In Einzelfällen fand im geringen Maße eine Co-Finanzierung durch Dritte (Region, Land) statt.

Pflege und Entwicklung der Gewässer
Naturnahe Gewässer erfüllen vielfältige Funktionen auch im städtischen Umfeld. Das Er- leben von Natur im urbanen Kontext, Verbesserung der Zugänglichkeit von Natur und Zeigen von Vielfältigkeit, Schaffung von Trittsteinbiotopen zur Wiederansiedlung von Pflanzen- und Tierarten, Bewusstseinsbildung im Sinne von mehr Identifikation mit dem Lebensumfeld, Verbesserung des Binnenklimas sind einige.

Zur Kontrolle, ob die definierten Ziele erreicht werden, wird für die meisten ausgebauten Ge- wässer ein Monitoring durchgeführt; zur Weiterentwicklung und Sicherung der Planungs- ziele werden Pflege- und Entwicklungspläne aufgestellt. Wiederkehrende Gewässerstruktur- gütekartierungen werden durchgeführt, um Entwicklungen zu dokumentieren. Ergebnisse dieser begleitenden Maßnahmen können hier aufgrund der kurzen Untersuchungszeiträume noch nicht genannt werden.

Renaturierte Gewässer werden in den ersten Jahren so gut wie gar nicht unterhalten und der natürlichen Sukzession überlassen; anschließend werden Pflege- und Entwicklungs- pläne oder Unterhaltungspläne, in denen detailliert Maßnahmen benannt werden, aufge- stellt. Die Pflege wird mit eigenem Personal durchgeführt. Zur Schulung des Personals für diese neuen Aufgaben der Gewässerunterhaltung erfolgt zurzeit die Teilnahme an einem praxisorientierten Projekt bei der Region Hannover.

Entwicklung der Gewässergüte
Die Entwicklung der Gewässergüte wird durch regelmäßige Untersuchungen durch die Ar- beitsgemeinschaft Limnologie und Gewässerschutz dokumentiert und anhand biologischer, chemischer und physikalischer Kriterien sieben Gewässergüteklassen zugeordnet:

Wassergüteklassen
Belastung
I
unbelastet bis sehr gering
I-II
gering belastet
II
mäßig belastet
II-III
kritisch belastet
III
stark verschmutzt
III-IV
sehr stark verschmutzt
IV
übermäßig verschmutzt

Die Güteklasse II stellt für die hannoverschen Gewässer die natürliche Güteklasse dar, d.h. auch ohne Einfluss im Stadtgebiet selber würden die Gewässer aufgrund der von oberhalb mitgebrachten Einträge und der relativ geringen Fließgeschwindigkeit mäßig belastet sein.

Ein Vergleich der Gütedaten der letzten Jahre zeigt eine erfreuliche Entwicklung. Der Anteil der Gewässerstrecken mit Gewässergüteklasse II (mäßig belastet) ist seit 1998 von 27,3 Prozent auf 49,0 Prozent in 2012 gestiegen.

Jahr
Wassergüteklasse

II
II-III
III
III-IV
IV
verödet
2012
49,0
45,1
2,4
--
--
3,6
2007
43,0
48,6
4,0
0,6
--
3,8
2004
43,0
46,3
5,9
0,6
0,3
4,0
2001
33,3
54,7
7,1
0,6
1,5
2,7
1998
27,3
60,2
7,7
0,6
1,5
2,7
Wassergüte der hannoverschen Fließgewässer bezogen auf ihre Fließstrecke in %

Aktuell im Untersuchungszeitraum von 2008 bis 2012 gibt es weitere Güteverbesserungen
gegenüber der letzten Untersuchung aus 2007:

· Der mittlere Abschnitt der Leine (Maschsee bis Herrenhäuser Wehr) verbesserte sich von Güteklasse II-III auf Gkl. II,
· der Unterlauf des Ihme-Flusses befindet sich jetzt ebenfalls in der Gkl. II (vorher II-III),
· Gkl.II hat auch der untere Abschnitt des Eilenriede-Grenzgrabens erreicht (vorher II-III),
· der Oberlauf des Landwehrgrabens (auch Tiergartengraben genannt) entspricht der Güteklasse II (vorher II-III),

· der obere Abschnitt des Mardalwiesenbaches ist nur noch kritisch belastet (Gkl. II-III), 2007 war er noch stark verschmutzt (Gkl.III),
· der Wietzegraben befindet sich oberhalb der Kläranlage Ahlten durchgehend in Gkl. II, 2007 war er im Bereich der Untersuchungsstelle 2 (direkt oberhalb der Kläranlage) noch kritisch belastet (Gkl. II-III),
· der obere Schiffgraben wird aktuell in Gkl. II-III kartiert (2007 Gkl. III-IV),
Demgegenüber stehen zwei Güteverschlechterungen:
· Der obere Abschnitt der Wietze ist von Gkl. II auf Gkl. II-III zurückgefallen,
· der östliche Abschnitt des mittleren Schiffgrabens ist aktuell stark verschmutzt (Gkl. III), 2007 war er (wie der westliche Abschnitt) nur kritisch belastet (Gkl. II-III).

Verbesserung der Naherholungsqualitäten durch das Programm
Durch die Umsetzung des Projektes werden auch die Naherholung, die Biodiversität im Stadtgebiet, das Wohnumfeld und die Lebensqualität durch die Vielzahl der neu ent- standenen Grünräume verbessert. Auch eine Verbesserung der Identifikation der Bürger in ihrem Stadtteil mit "ihrem" Gewässer wird erreicht, eine Resonanz auf die Teilprojekte ist vorhanden. Durch die attraktive Gestaltung und den Ausbau des Fahrradwegenetzes wird der Anreiz zur Mobilität erhöht und ein Erleben von Natur im urbanen Kontext ist möglich.

Das Projektgebiet erstreckt sich auf das gesamte Stadtgebiet. Alle Stadtteile mit unter- schiedlichen Sozialstrukturen sind eingebunden. Einzelmaßnahmen werden in Grünzügen, in B-Plangebieten, in Gewerbe- und Wohngebieten realisiert. Die renaturierten Gewässer werten die Erholungs- und Grünräume in den Stadtteilen auf und werden als Bestandteil dieser Flächen positiv angenommen. Besonders wichtige Beispiele sind: Laher Graben, Fösse, Tiergartengraben, Hirtenbach, Bassriede, Roßbruchgraben, Desbrocksriede (Kinder- wald).

Fazit und Ausblick
Die Umsetzung der Renaturierungsmaßnahmen an den Gewässern im Stadtgebiet zeigt nachweisbare und sichtbare positive Entwicklungen zur Verbesserung der ökologischen Infrastruktur. Hannover hat eine gute Ausstattung mit Grünräumen unterschiedlicher Art. Das spiegelt sich auch im hohen Stellenwert als weicher Standortfaktor für die Wirtschaft wieder. Mit den Anpassungsstrategien zum Klimawandel für die Landeshauptstadt Hannover hat das Arbeitsprogramm eine zusätzliche Bedeutung bekommen.
Beplant werden zurzeit weitere Maßnahmen an der Wietze, am Laher Graben und am Seel- horstgraben.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Aussagen zur Geschlechterdifferenzierung sind für diese Drucksache nicht relevant und werden daher auch nicht näher ausgeführt.

Kostentabelle

Entstandene Kosten sind im Text genannt. Zukünftig entstehende Kosten werden im Wirtschaftsplan der Stadtentwässerung beantragt.

68.1 
Hannover / 18.04.2013