Informationsdrucksache Nr. 0885/2021:
Ausbau der Frauenhauslandschaft

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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An den Jugendhilfeausschuss (zur Kenntnis)
An den Sozialausschuss (zur Kenntnis)
 
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0885/2021
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Ausbau der Frauenhauslandschaft

I. Einleitung:

Im Rahmen der Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 verabschiedete der Rat der Landeshauptstadt Hannover einen Antrag zum Ausbau der Frauenhauslandschaft (H-0039/2019). Im Jahr 2019 sollten 350.000 € zu diesem Zwecke zur Verfügung stehen, ab dem Jahr 2020 dann 800.000 €. Über die Benennung der Summe hinaus wurden in dem Antrag mehrere Projekte, die für den Ausbau der Frauenhauslandschaft stehen könnten, konkret aufgezählt. Im Vordergrund stand die Einrichtung einer Notaufnahmeeinrichtung für von Gewalt betroffenen Frauen, darüber hinaus sollte eine Ausweitung der Frauenhausplätze finanziert werden. Denkbar sei dabei ein Frauenhaus für junge Frauen oder die Schaffung nachgelagerter Wohnangebote mit sozialer Betreuung als Übergangsangebot sowie die Implementierung anderer Projekte zur Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitssuche. Ausgangspunkt für diese konkrete Beschlussfassung war insbesondere eine Anhörung, die am 3. September 2018 im Gleichstellungsausschuss stattgefunden hat. Bei der Anhörung zum Thema „Umsetzung der Istanbuler Konvention mit dem Fokus auf den Zugang in Frauenhäuser“ waren mehrere Expertinnen (unter anderem eine Vertreterin des Frauenhaus 24/7 in Hamburg) eingeladen, ihre Perspektiven auf den Ausbau der Frauenhauslandschaft einzubringen. In dieser Drucksache soll nun die Entwicklung des Ausbaus der Frauenhauslandschaft seit diesem Beschluss beschrieben sowie ein Ausblick auf die weitere Entwicklung geworfen werden.

II. Bereits umgesetzte Bausteine der Frauenhauslandschaft

a. Frauenhaus24
Zentrale Aufgabe des Frauenhaus24 ist die unbürokratische, sofortige Aufnahme von Frauen über 18 mit und ohne Kinder, die von häuslicher Gewalt und von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind. Der Aufenthalt dient den Frauen zum Schutz und unterstützt die Beendigung der Gewalt. Beratung zu den Gewalterfahrungen, Orientierung im Hilfesystem und Informationen über Frauenhäuser, Gewaltschutz, Kinderschutz und angrenzende Themen sind originäre Aufgaben der Mitarbeiterinnen. Gemeinsam werden die Bedarfe der Bewohnerinnen und auch der Kinder besprochen und erörtert, welche Unterstützungsmöglichkeiten passend sind und wie sie genutzt werden können.

Neu aufgenommene Frauen und Kinder werden mit Nahrung, Hygieneartikeln und ggf. Kleidung versorgt. Der Aufenthalt im Frauenhaus24 soll 4 Werktage nicht überschreiten und bietet so ausreichend Zeit, um Schutz, Informationen und Beratung zu erhalten und den bzw. die nächsten Schritte zu planen.

Die Trägerschaft für das Frauenhaus24 liegt bei Frauen helfen Frauen e.V. Die Erarbeitung des Konzepts sowie einer Kooperationsvereinbarung fand durch Vertreterinnen aller in Hannover ansässigen Frauenhäuser im Rahmen der Begleitgruppe Frauenhaus24 (siehe unten) statt.

Im Februar 2020 konnte das Frauenhaus24 in einer durch die Landeshauptstadt Hannover vermittelten Immobilie mit eingeschränkten Kapazitäten starten. Zunächst gab es im Haus Platz für bis zu 15 Personen, bedingt durch die Covid19-Pandemie standen im Haus ab Juli 2020 nur noch Plätze für 5 Frauen mit Kindern zur Verfügung. Entlastung bot ein zusätzlich bereitgestelltes Gebäude in der Zeit von April bis Juni sowie eine ab dem 3. Quartal 2020 zur Verfügung stehende Wohnung für zwei Frauen bzw. eine Frau mit Kindern. Im März 2021 erfolgte der Umzug in das eigentliche Haus. Seither können dort unter den derzeitigen Bedingungen neun Frauen mit ihren Kindern untergebracht werden, ohne die pandemiebedingten Einschränkungen können bis zu 18 Frauen aufgenommen werden. Das Frauenhaus24 ist seit seiner Eröffnung gut ausgelastet und hat auch zur erhofften Entlastung in den anderen Frauenhäusern geführt. Eine ausführliche Berichterstattung ist in einer der kommenden Sitzungen des Gleichstellungsausschusses geplant.

Die Finanzierung erfolgt im Rahmen einer Beihilfe jeweils zur Hälfte durch die Region und die Landeshauptstadt Hannover. Eine Kostenbeteiligung des Landes Niedersachsen ist bisher nicht in Aussicht gestellt.

Weitere Informationen zum Frauenhaus24 finden sich in der Informationsdrucksache 0575/2019.


b. Übergangswohnen

Anfang Februar 2019 hat die AWO Region Hannover sogenannte Übergangswohnungen in Betrieb genommen, die Frauen nach ihrem Aufenthalt in einem Frauenhaus beziehen können. Das Übergangswohnen der AWO Region Hannover ist vorrangig für Frauen und Kinder vorgesehen, die keinen anonymen und geschützten Frauenhausplatz mehr benötigen und vorher in einem der drei Frauenhäuser in Hannover untergebracht waren. Im Übergangswohnen ist eine Aufenthaltsdauer von drei bis zwölf Monaten vorgesehen. Die Miete für die Wohnungen bezahlen die Bewohnerinnen entweder selbst, wenn sie über genügend eigenes Einkommen verfügen. Bei Frauen mit Leistungsbezug übernimmt der jeweilige Kostenträger die Miete.

Das Übergangswohnen der AWO bietet Raum für maximal sieben Frauen und 16 Kinder in abschließbaren Wohnungen mit zwei oder drei Zimmern und einem Garten, den sie gemeinsam nutzen können.

Die Finanzierung des Übergangswohnens erfolgt durch die Region Hannover. Weitere Informationen finden sich in der Drucksache BDs 1846 (IV) der Region Hannover.


III. Geplante Projekte kurz vor der Umsetzung

a. Schutzeinrichtung für 18- bis 25-jährige Frauen
In der AG Zwangsheirat des Hannoverschen Interventionsprogramms gegen Häusliche Gewalt (HAIP) wurde Anfang des Jahres 2018 der Bedarf erkannt, für die Zielgruppe der 18- bis 25jährigen Frauen, die von Gewalt betroffen sind, ein eigenständiges Angebot zu schaffen. Angehörige dieser Altersgruppe stehen mit ihren Bedarfen zwischen Jugendhilfe und Frauenschutz – und brauchen letztendlich Unterstützung aus beiden Fachlichkeiten, damit sie vor weiterer Bedrohung und Gewalt geschützt werden und eine stabile Alltagsstruktur erlangen können. Eine Schutzeinrichtung für 18- bis 25-jährige Frauen wird in der Landeshauptstadt Hannover nun dazu beitragen, dass diese Lücke geschlossen wird.

Nach vorbereitenden Arbeiten im Jahr 2019 konnte 2020 die Entwicklung eines Konzepts für eine Schutzeinrichtung für 18- bis 25-jährige Frauen ausgeschrieben werden. Im Rahmen einer Verhandlungsvergabe (ohne Teilnahmewettbewerb) wurden drei Einrichtungen aufgefordert ein Angebot abzugeben. Mit Ablauf der Angebotsfrist wurde letztendlich ein Angebot eingereicht. Da dieses den Kriterien entsprach und für wirtschaftlich erachtet wurde, erfolgte dementsprechend der Zuschlag.

Verabredungsgemäß wurde Ende November 2020 durch den Träger Mädchenhaus zwei13 e.V. das Konzept für eine Schutzeinrichtung für 18- bis 25jährige Frauen vorgelegt, welches nun zunächst als Modell B mit 4 Plätzen umgesetzt werden soll. Die Umsetzung erfolgt durch den Träger Mädchenhaus zwei13 e.V., die Finanzierung erfolgt durch die Gewährung von Zuwendungen. Ziel ist es, die Einrichtung im 3. Quartal zu eröffnen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine entsprechende Immobilie zeitnah zur Verfügung steht.

Die Finanzierung des Projekts erfolgt durch die Landeshauptstadt Hannover. Für eine mögliche Erweiterung der Kapazitäten ist die Beantragung von Mitteln aus dem Bundesinnovationsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ durch den Trägerverein angedacht.


b. Weiteres Frauenhaus im Umland

Bereits Ende 2018 wurde im Rahmen des „Konzepts zur Weiterentwicklung von Beratung, Schutz und Hilfen für gewaltbetroffene Frauen in der Region Hannover“ (BDs 1846 (IV)) durch die Region Hannover der Beschluss zur Einrichtung eines weiteren Frauenhauses in Form eines gesicherten Frauenhauses gefasst. Aus einem Interessenbekundungsverfahren ist bereits ein Träger hervorgegangen, ein Konzept für eine Einrichtung mit 20 Plätzen für 12 Frauen und ihre Kinder, das sich an den Standards des Oranje Huis orientiert, ist ebenfalls vorhanden. Die Suche nach einer Immobilie im Umland war bislang erfolglos, so dass derzeit eine Beantragung von Mitteln im Rahmen des Bundesinvestitionsprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ vorbereitet wird.


IV. Weitere Arbeitsschwerpunkte der Begleitgruppe Frauenhaus24

Der Ausbau der Frauenhauslandschaft in Stadt und Region wird seit Januar 2019 von der Begleitgruppe Frauenhaus24 flankiert, die zunächst nur die Einrichtung der Notaufnahme Frauenhaus24 im Blick hatte, mittlerweile aber den gesamten Prozess begleitet. Mitglieder sind derzeit Vertreter*innen der Region (zwei Kolleg*innen aus dem Team Fachaufsicht Sozialhilfe im Fachbereich Soziales sowie die Gleichstellungsbeauftragte), Vertreterinnen der drei Frauenhäuser in der Region Hannover (Frauenhaus der AWO, Frauen- und Kinderschutzhaus und Autonomes Frauenhaus), eine Vertreterin des Frauenhaus24 sowie die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Hannover. Es ist geplant den Kreis jeweils um Vertreterinnen der neu eingerichteten Häuser zu erweitern.

In der Arbeit der Begleitgruppe steht über den fachlichen Austausch zur Umsetzung der oben genannten Projekte das Thema Wohnraum bzw. Wohnen im Anschluss an einen Aufenthalt im Frauenhaus im Fokus. Anfang des Jahres fand ein Austauschtreffen mit dem Team Wohnen des Fachbereichs Soziales in der Region Hannover statt, in dessen Verlauf Verabredungen zur weiteren Zusammenarbeit mit den Frauenhäusern getroffen wurden. Mittlerweile erfolgte eine Abfrage, um den aktuellen Bedarf an benötigtem Wohnraum zu ermitteln. Darüber hinaus gab es unter anderem eine Vorstellung des Projekts „Frauen_Wohnen“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Schleswig-Holstein. Es handelt sich dabei um ein nachhaltig-innovatives Kooperationsprojekt, das gemeinsam mit namhaften Vertreter*innen der Wohnungswirtschaft neue Wege der Zusammenarbeit entwickelt und praktisch umsetzt, um betroffenen Frauen den Zugang zum Wohnungsmarkt zu erleichtern.

Auch die Situation obdachloser Frauen und deren Gewalterfahrungen sind Thema in den Sitzungen der Begleitgruppe. So ist in einer der kommenden Sitzungen ein Austausch mit der Fachberatung und Koordination Hilfen für Frauen der SeWo e.V. geplant, um die Vernetzung zwischen Frauenhäusern und den Hilfen nach §§ 67 ff SGB XII zu verbessern. Im Zuge dessen wird auch eine Vernetzung mit der Johann-Jobst-Wagenerschen-Stiftung zum Projekt Berta erfolgen.

Abschließend ist zu berichten, dass im vergangenen Jahr ein Austausch mit der Gleichstellungsbeauftragten einer Kommune außerhalb Niedersachsens sowie Vertreterinnen des dort ansässigen Frauenhauses stattfand. Es bestand großes Interesse an den Erfahrungen bzgl. des Aufbaus einer Sofortaufnahme.


V. Projekte im Umfeld der Frauenhauslandschaft: Berta

Mit dem Projekt Berta beabsichtigt die Johann-Jobst-Wagenersche Stiftung ein zusätzliches Wohn- und Beratungsangebot für obdachlose und von Obdachlosigkeit bedrohte Frauen, auch im Sinne des „Second Stage“ Ansatzes, zu schaffen. Im Rahmen des Haushaltsbegleitantrags H-0366/2021 zum Ausbau der Frauenhauslandschaft wurde die Verwaltung beauftragt, eine Förderanfrage an das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesförderprogramms „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ zu stellen. Diesbezüglich ist bereits eine Kontaktaufnahme mit dem Träger Johann-Jobst-Wagenersche Stiftung sowie dem Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung erfolgt. Die Johann-Jobst-Wagenersche Stiftung wird sich nach aktuellem Stand mit entsprechenden Beratungsstellen in Hannover verständigen, ob ein gemeinsamer Antrag im Bundesinnovationsprogramm „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“ zur Verbesserung des Zugangs zu Versorgung und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen möglich ist. Die Verantwortung für die Beantragung von Mitteln aus dem Förderprogramm liegt letztendlich beim Träger. Ein möglicher Antrag wird selbstverständlich von Seiten der Landeshauptstadt Hannover unterstützt.


VI. Fazit und Ausblick

Den Ausbau der Frauenhauslandschaft so voranzutreiben war ein bedeutsamer Meilenstein: Mit der Umsetzung aller beschriebenen Projekte konnte die Zahl der Frauenhausplätze in Hannover um 24 auf 120 Plätze erhöht werden. Mit der quantitativen Verbesserung ist auch eine qualitative Entwicklung einhergegangen: Durch die Einrichtung der Sofortaufnahme mit aktuell 9 Plätzen ist es möglich, dass Frauen zeitnah Schutz im Frauenhaus finden können und nicht warten müssen, bis ein Platz frei wird. Zudem ist es mit der Schutzeinrichtung für 18- bis 25-jährige von Gewalt betroffene Frauen gelungen, ein zielgruppenspezifisches Angebot für junge Frauen zu entwickeln, welches die Frauenhauslandschaft in Hannover erweitert. Darüber hinaus wurde die Vernetzung zwischen den Frauenhäusern und der Verwaltung von Stadt und Region über die jeweils zuständigen Stellen im Fachbereich Soziales der Region und im Referat für Frauen und Gleichstellung der Landeshauptstadt weiter ausgebaut. Das hat sich unter anderem daran gezeigt, dass es zu Beginn der Pandemie gelungen ist, in einem gemeinsamen Kraftakt kurzfristig die Kapazitäten des Frauenhaus24 auszubauen. Auch die Zusammenarbeit zwischen den Frauenhäusern und dem Bereich Unterbringung im Fachbereich Planen und Stadtentwicklung konnte gestärkt werden. Im Bereich ist eine Ansprechperson für die Frauenhäuser vorhanden, so dass bei Anträgen aus den Frauenhäusern eine gute Absprache erfolgen kann (Informationsdrucksache 1977/2020). Auch die Vernetzung mit anderen Projekten innerhalb Hannovers und über die Region Hannover hinaus konnte ausgebaut werden.

Mit dem Beschluss über die Gewährung von Zuwendungen zur Umsetzung der Schutzeinrichtung für 18- bis 25-jährige von Gewalt betroffene Frauen sind die Mittel für den Ausbau der Frauenhauslandschaft ausgeschöpft. Am Ende der gemeinsamen Arbeit zum Ausbau der Frauenhauslandschaft sind Stadt und Region damit jedoch nicht angekommen: Es bleibt abzuwarten, ob die bereits umgesetzten bzw. die noch in Planung befindlichen Projekte den erhofften Effekt haben und letztendlich alle von Gewalt betroffenen Frauen in Hannover den Schutz und die Hilfe erhalten, die sie brauchen. Darüber hinaus gibt es gerade zu den Themen Übergang zwischen Frauenhaus und eigener Wohnung sowie zur Situation obdachloser Frauen, die von Gewalt betroffen sind, weiterhin Vernetzungsbedarfe – und vor allem auch den Bedarf nach adäquatem Wohnraum. Zudem gibt es weitere Bedarfe, die eine so vielfältige und ausdifferenzierte Frauenhauslandschaft in den Blick nehmen muss. Dazu gehört unter anderem die besondere Situation von trans Frauen, die von Gewalt betroffen sind und ebenfalls Schutz im Frauenhaus suchen. Es gilt also die gute Zusammenarbeit zwischen Politik, Trägervereinen und Verwaltung im Sinne der von Gewalt betroffenen Frauen fortzusetzen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Frauen und Mädchen sind häufig geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt und unverhältnismäßig stark von häuslicher Gewalt betroffen. Um sie vor Gewalt zu schützen und ihnen entsprechende Unterstützung und Beratung zukommen zu lassen, bedarf es einer Hilfs- und Unterstützungsstruktur. Ein Teil dieser Struktur sind Frauenhäuser.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.


GB 
Hannover / 19.04.2021