Informationsdrucksache Nr. 0830/2017:
Kinderschutzbericht Fachbereich Jugend und Familie

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0830/2017 (Originalvorlage)

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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0830/2017
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Kinderschutzbericht Fachbereich Jugend und Familie

Einleitung

Das Gesetz zur Stärkung eines aktiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen, das Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG), definiert den Kinder- und Jugendschutz im Rahmen einer programmatischen Zielsetzung, um neben dem intervenierenden insbesondere den präventiven Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Die Jugendhilfe ist aufgefordert, den Kinderschutz qualitativ zu entwickeln. Dazu sind Qualitätskriterien und fachliche Handlungsleitlinien im Kinderschutz zu erarbeiten, die die öffentlichen Träger der Jugendhilfe, im Rahmen der Verantwortungsgemeinschaft staatlicher Institutionen und Gesellschaft, gemäß § 79a Qualitätsentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe SGB VIII federführend umsetzen und überprüfen sollen. Nachhaltig angelegter Kinder- und Jugendschutz findet demnach nicht nur in der Verbesserung intervenierender Schutzmaßnahmen wie Krisenintervention und sozialpädagogischer Beratungsverfahren statt.
Im Fachbereich Jugend- und Familie gehört auf institutioneller Ebene eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung der Arbeitsprozesse im Kinderschutz in allen Bereichen genauso dazu, wie die Entwicklung präventiver Hilfe- und Unterstützungsangebote. Kinder- und Jugendschutz zeichnet sich durch funktionierende Netzwerke aus, deren Ziel es ist Schulen, Vereine/Initiativen, das Gesundheitswesen, Einrichtungen und Dienste der Jugendhilfe, Polizei, etc. einzubinden und gemeinsam Kinder- und Jugendschutz zu gestalten. Der öffentliche Träger der Jugendhilfe ist verpflichtet, im Rahmen des präventiven Kinder- und Jugendschutzes Netzwerke zu initiieren, Kooperationen zum Kinderschutz und zur Förderung von Kindern und Jugendlichen einzugehen und den anderen kooperierenden Systemen beratend zur Seite zu stehen.
Gemäß Artikel 3 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention achtet der öffentliche Träger der Jugendhilfe im Besonderen den Schutz und die Rechte geflüchteter und neu zugewanderter Kinder und Jugendlicher und sorgt für deren Integration in die Stadtgesellschaft.

Mit dem vorliegenden Bericht wird der Kinderschutzbericht Fachbereich 51 – Kooperationen und Vereinbarungen zum Kinderschutz - Informationsdrucksache 0786/2016 fortgesetzt (Anlage 1).


1. Regelungen und Verfahren zum Kinder- und Jugendschutz in den Organisationsstrukturen im Fachbereich Jugend und Familie
Der Fachbereich Jugend und Familie hat sich als Vertragspartner der ′Rahmenvereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages gemäß § 8a SGB VIII sowie zur Sicherstellung des Tätigkeitsausschlusses einschlägig vorbestrafter Personen gemäß § 72a SGB VIII′ verpflichtet, entsprechende Regelungen und Verfahren zum Kinderschutz in seine Organisationsstrukturen zu verankern und umzusetzen (Anlage 1). Nach in Kraft treten des BKSchG im Jahr 2012 wurde die ′Dienstvereinbarung für 51 Fachbereich Jugend und Familie zur Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII′ von 2007 aktualisiert und auf Grundlage des BKiSchG in folgenden Punkten aktualisiert:

· Beschreibung eines verbindlichen Verfahrens zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung (KWG) (§ 3 DV)
· Konkretisierung der Dokumentation (§ 8 DV),
· Qualitätssicherung und -entwicklung gemäß § 79a SGB VIII (§ 10 DV)
· Aufnahme der Regelungen gemäß § 72a SGB VIII Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen (§ 12 DV).

Durch die Dienstvereinbarung soll sichergestellt sein, dass
· die Fachkräfte bei Bekanntwerden von gewichtigen Anhaltspunkten für die Gefährdung eines von ihnen betreuten Kindes oder Jugendlichen eine Gefährdungseinschätzung vornehmen (§ 8a Abs. 4 Satz 1 Nr.1 SGB VIII),
· bei der Gefährdungseinschätzung eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzugezogen wird (§ 8a Abs. 4 Satz 1 Nr.2 SGB VIII),
· die Vereinbarung Kriterien für die Qualifikation der beratend hinzuzuziehenden insoweit erfahrenen Fachkraft enthält (§ 8a Abs. 4 Satz 2 SGB VIII),
· gemäß § 72a SGB VIII für die Wahrnehmung der Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe keine hauptamtlichen Fachkräfte beschäftigt oder vermittelt werden, die einschlägig vorbestraft sind,
· gemäß § 72a SGB VIII im bzw. vom Fachbereich Jugend- und Familie keine ehren- oder nebenamtlichen Personen beschäftigt oder vermittelt werden, die einschlägig vorbestraft sind.


1.1. Kooperationsvereinbarungen im Fachbereich Jugend- und Familie gemäß der Dienstvereinbarung 'Rahmenvereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages gemäß § 8a SGB VIII sowie zur Sicherstellung des Tätigkeitsausschlusses einschlägig vorbestrafter Personen gemäß § 72a SGB VIII'
Die Rahmenvereinbarung und die daraus resultierende Dienstvereinbarung setzen arbeitsfeldbezogene Regelungen zur Zusammenarbeit im Kinderschutz voraus. Gemäß § 3 Nr. 7 der 'Dienstvereinbarung für Fachbereich Jugend und Familie zur Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII sowie zur Sicherstellung des Tätigkeitsausschlusses einschlägig vorbestrafter Personen gemäß § 72a SGB VIII' wurden zwischen dem Kommunalen Sozialdienst (KSD) und allen anderen Bereichen des Fachbereiches Jugend und Familie in Kooperationsvereinbarungen bereichs- und arbeitsfeldspezifische Regelungen zum Verfahren und zur Zusammenarbeit zum Schutz von Kindern und Jugendlichen getroffen und in folgenden Punkten aktualisiert:

· Bereitstellung eigener insoweit erfahrener Fachkräfte im jeweiligen Bereich zur Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung (KWG) für die Bereiche Jugend- und Familienberatung, Kindertagesstätten, Kinder- und Jugendarbeit,
· alternativ Fachberatung zum Kinderschutz durch die Fachberatung der Koordinierungsstelle Kinderschutz und Frühe Hilfen für die Bereiche Zentrale Fachbereichsangelegenheiten und Unterhaltsrecht und Elterngeld,
· arbeitsfeldspezifische Beschreibungen der verbindlichen Zusammenarbeit und Verfahrensschritte bei dem Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung zwischen den Bereichen mit dem KSD,
· Beschreibung der verbindlichen Zusammenarbeit in Einzelfällen ohne die Bestätigung des Verdachtes auf eine Kindeswohlgefährdung. Hier sind die Bereiche im Einzelfall Teil eines Netzwerkes, in dem in Zusammenarbeit nicht nur der Schutz des Kindes bzw. der/des Jugendlichen sicherzustellen ist, sondern den Betroffenen auch Hilfeangebote gemacht werden müssen.
· Für die Bereiche Zentrale Fachbereichsangelegenheiten und Unterhaltsrecht und Elterngeld wurden erstmals Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen. Für beide gilt die Dienstvereinbarung - als Bereiche mit überwiegend Verwaltungstätigkeiten und geringen Kontakten zu Kindern und ihren Eltern - nur eingeschränkt auf die Art und Weise der Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung und der entsprechenden Meldung beim KSD.


2. Vernetzung und Kooperation im Kinder- und Jugendschutz
Kinderschutz gelingt nur in einer Verantwortungsgemeinschaft. An erster Stelle sind die Eltern als Sorge- und Erziehungsberechtigte dafür verantwortlich, ihr Kind vor Gefahren zu schützen und sein Wohl zu fördern. Über die elterlichen Rechte und Pflichten wacht die staatliche Gemeinschaft (GG Artikel 6 Abs. 2), deren Bestandteil das Jugendamt ist. Mit dem Begriff 'Staatliche Gemeinschaft' wird ein verfassungsrechtlicher Auftrag formuliert, durch den dem Jugendamt eine zentrale Position in der Umsetzung und Weiterentwicklung der Kinderschutzarbeit zugewiesen wird. Kinderschutz wird im SGB VIII und insbesondere im Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) als gesamtgesellschaftliches Anliegen definiert.
Auf Grundlage des SGB VIII arbeitet der Fachbereich Jugend- und Familie schon lange mit anderen zuständigen Leistungsträgern und Institutionen im Kinderschutz qualitativ zusammen.
Mit dem 2012 in Kraft getretenen BKiSchG wurde die Verantwortung, Kinder zu schützen, auch auf andere Systeme wie dem Gesundheitssystem oder dem Bildungsbereich ausgeweitet (″Schutzgemeinschaft“) und es wurden Rahmenbedingungen für verbindliche Netzwerkstrukturen im Kinderschutz geschaffen. Die Systeme außerhalb der Jugendhilfe sind aufgefordert, innerhalb ihrer Organisationen zum Kinderschutz MitarbeiterInnen zu sensibilisieren und eigene Schutzkonzepte und Netzwerke zu etablieren. In diesen Prozessen steht der Fachbereich Jugend und Familie beratend zur Seite. In multiprofessionellen Arbeitsgruppen innerhalb des Fachbereiches Jugend und Familie als auch in den kooperierenden Systemen werden kinderschutzrelevante Themen aufgegriffen und für die praktische Arbeit aufbereitet. Manche Arbeitsgruppen haben ihren Ursprung in anderen Fachbereichen der Stadtverwaltung und arbeiten vertiefend speziell auf die Zielgruppen Kinder, Jugendliche und Familien bezogen als ″Unter-AG“, z.B. des Runden Tisches HAIP.

Im Folgenden sind interne und externe Netzwerke und Arbeitsgruppen zum Kinderschutz beschrieben. Schulungen und Workshops sollen sowohl sensibilisieren als auch zu wichtigen Themen und Verfahren im Kinderschutz qualifizieren und ″Fachfremde“ im Rahmen der Schutzgemeinschaft darin unterstützen, Handlungssicherheit im Einzelfall zu entwickeln.
2.1. Kooperationen und Arbeitsgruppen mit Federführung durch Fachbereich Jugend und Familie
· Der Arbeitskreis ′Sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche′ versteht sich als ein multiprofessionelles Gremium - unter Federführung der Jugend- und Familienberatung -, das sich seit 2007 einrichtungsübergreifend mit den Möglichkeiten der Prävention, dem Aufbau von Netzwerken und der Intervention in diesem Themenfeld beschäftigt. (Arbeit bei sexuell grenzverletzenden Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen – Informationsdrucks. Nr. 0469/2007 N1). Der Arbeitskreis trifft sich viermal im Jahr. Federführung liegt bei der Jugend- und Familienberatung.
· Fachgremium ′Sexualisierte Gewalt'
Das Fachgremium 'Sexualisierte Gewalt' besteht seit 2002. Ziel ist der Ausbau der Kooperation und Vernetzung zwischen den spezialisierten Fachberatungsstellen und dem KSD, um die Situation für von sexualisierter Gewalt betroffener Mädchen und Jungen zu verbessern und passgenaue Hilfen zu entwickeln. Die Treffen finden viermal im Jahr statt. Federführung hat der KSD.
· Arbeitskreis 'Familie und Sucht'
Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, der Suchthilfe und der Medizin treffen sich regelmäßig im interdisziplinären Arbeitskreis 'Familie und Sucht Hannover'. Die Beteiligten und ihre Institutionen haben eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Mit dem Arbeitskreis wurde ein Hilfenetzwerk 'Familie und Sucht' geschaffen, mit den Zielen, ein dauerhaftes Zusammenleben von Eltern und Kindern in suchtkranken Familien unter Berücksichtigung des Kindeswohls zu fördern und zu ermöglichen, einer frühzeitigen Vernetzung, der Zusammenarbeit und Koordination der Fachkräfte und Professionen zur Förderung passgenauer Hilfeangebote, der Entwicklung von Standards und fachlicher Kompetenz. Der Arbeitskreis trifft sich viermal im Jahr. Federführung liegt beim KSD - Koordinierungsstelle Kinderschutz und Frühe Hilfen.
· Kooperationsvereinbarung zum Kinderschutz zwischen dem KSD und den Grundschulen in der Landeshauptstadt Hannover (Informationsdrucks. Nr. 0448/2017)
Mit der Kooperationsvereinbarung zwischen den Grundschulen und dem KSD wird die Zusammenarbeit im Kinderschutz im Einzelfall verbindlich geregelt. Beschrieben werden das konkrete Verfahren der Zusammenarbeit im Einzelfall und die fallunabhängige Zusammenarbeit in Form von stadtteilorientierten Runden Tischen in den jeweiligen Stadtbezirken.
· Fachberatung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in Kooperation mit der Region Hannover (Informationsdrucks. Nr. 0708/2017)
Der Fachbereich Jugend und Familie der Landeshauptstadt Hannover und der Fachbereich Jugend der Region Hannover stellen als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe ein zielgruppenspezifisches und bedarfsgerechtes (telefonisches) Beratungsangebot zur Verfügung. Im Kinderschutz erfahrene Fachkräfte beraten und unterstützen im Prozess der Gefährdungseinschätzung und informieren über Hilfemöglichkeiten und Verfahren der Jugendhilfe und zur Fragen einer Mitteilung einer Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt. Mit dem Angebot kommen die beiden Träger ihrem Auftrag gemäß der § 8a SGB VIII und § 4 KKG nach, Personen und Berufsgruppen außerhalb der Jugendhilfe, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen im Kontakt stehen, eine Fachberatung zum Kinderschutz zur Verfügung zu stellen.


2.2. Kooperationen und Arbeitsgruppen im Kinderschutz unter Beteiligung des Fachbereiches Jugend und Familie als Netzwerkpartner
· Afterwork - Stammtisch Familienhebammenzentrum
Der Afterwork-Stammtisch im Familienhebammenzentrum ist ein Netzwerktreffen und dient dem fachlichen Austausch von Fachkräften im Rahmen der Frühen Hilfen. Teilnehmende sind Familienhebammen, Hebammen, Kinderkrankenschwestern, MedizinerInnen wie KinderärztInnen und GynäkologInnen, MitarbeiterInnen aus Fachberatungsstellen und andere im Kinderschutz tätige Fachkräfte. Das Treffen findet einmal monatlich statt. Die Federführung liegt beim Familienhebammenzentrum.
· AG 'Kinderschutz Kinderkrankenhaus Auf der Bult und Medizinische Hochschule Hannover (MHH)'
Die Arbeitsgruppe ist ein Netzwerktreffen zum Kinderschutz in der Medizin bzw. in Kliniken. Ziel der Arbeitsgruppe ist die interdisziplinäre Vernetzung im Rahmen des Kinderschutzes zwischen Medizin, Polizei, Jugendhilfe und dem Koordinierungszentrum Kinderschutz. Die AG 'Kinderschutz des Kinderkrankenhauses Auf der Bult und der MHH' tagt viermal im Jahr. Die Federführung liegt beim Kinderkrankenhaus Auf der Bult und der Medizinischen Hochschule Hannover.
· HAIP Programm
· Unter-AG 'Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrungen im häuslichen Bereich'
Die AG hat die Aufgabe, die vorhandenen Hilfe- und Unterstützungsangebote für Kinder und Jugendliche in der Landeshauptstadt Hannover und die entsprechenden Bedarfe zu erfassen und zu vernetzen. Fragen wie "Was brauchen Mütter, Väter und ihre Kinder, wenn in ihren Familien häusliche Gewalt passiert?“, "Was braucht das soziale Umfeld und welche Aufgaben haben die beteiligten Institutionen zur Unterstützung dieser Familien?“, "Was sind wertvolle Hilfen für Familien, so dass es gar nicht erst zu Gewalt kommt?“, "Was ist zu tun, wenn es einen Vorfall häuslicher Gewalt gab – wer kann was tun, um den Betroffenen adäquate Hilfe zu leisten?“ werden in Qualitätsstandards beantwortet und in Leitlinien und zur Orientierung für Betroffene, Institutionen und Helfende dargelegt. Die AG trifft sich sechsmal im Jahr. Die Federführung liegt beim KSD.
· Unter-AG Migrantinnen
VertreterInnen aus städtischen Einrichtungen, Vereinen und Verbänden der Migrations- und Sozialarbeit treffen sich in der Unter-AG zum fachlichen Austausch. Ziele sind, Schwierigkeiten und Missstände im Hilfesystem aufzudecken und zu thematisieren, Lobbyarbeit zu leisten und bestehende Unterstützungsangebote und Schutzmaßnahmen für Migrantinnen jeden Alters weiterzuentwickeln. Ein inhaltlicher Arbeitsschwerpunkt der AG ist die Ausgestaltung eines jährlichen Fachtages zum 25.11.2016, dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Die AG tagt sechsmal im Jahr. Federführung hat Kargah e.V.
· Unter-AG 'Zwangsheirat'
Die AG Zwangsheirat tagte im Jahr 2016 insgesamt an sieben Terminen. In 2016 wurde ein Fachtag zum Thema „Zwangsheirat- (k)ein Thema an unseren Schulen!“ geplant. Weitere Arbeitsschwerpunkte orientierten sich an aktuellen gesellschaftlichen und politischen Diskussionen, z.B. die Ehe minderjähriger Flüchtlinge. Die AG Zwangsheirat ist in der Bundesfachkonferenz Zwangsheirat (BuKo) vertreten, ein von Terre des Femmes initiierter Zusammenschluss aller Schutzeinrichtungen und Beratungsstellen der Bundesländer. Federführung hat Kargah e.V.

2.3. Schulungen und Qualifizierungen im Kinderschutz
· im Ehrenamt: Ehrenamtliche Vormunde, von IKEM betreute Ehrenamtliche, Mitarbeitende und Ehrenamtliche in Flüchtlingsunterkünften, Nachbarschaftskreise,
· im Gesundheitsbereich: Medizinisches Personal und Pflegepersonal in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Langenhagen, der Geburtsklinik Vinzenzkrankenhaus, der MHH - Kinderonkologie.



3. Kultursensibler Kinderschutz in der Flüchtlingsarbeit und im Obdach
Für den Fachbereich Jugend und Familie ist die Sicherung von Kinderrechten handlungsleitend und alle minderjährigen Flüchtlinge und Zugewanderte werden in der Wahrnehmung dieser Rechte unterstützt und gestärkt. Dieses gilt für die Vermeidung von Benachteiligung, dem Recht auf Gleichheit, die elterliche Fürsorge, das Recht auf Bildung und den Schutz vor Gewalt und Ausbeutung.
Die Landeshauptstadt Hannover hat u.a. mit der Drucksache Nr. 1003/2016 Standards für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbegehrenden gesetzt und hierin auch den Schutz vor Gewalt festgeschrieben.
Über den Gewaltschutz hinaus müssen insbesondere für Kinder- und Jugendliche die Zugänge zu Bildung, Spiel- und Freizeitangeboten entwickelt werden. Der Fachbereich Jugend und Familie hat dazu einen Handlungs- und Maßnahmenkatalog für die vor- und außerschulische Betreuung von Kindern in Gemeinschaftsunterkünften zusammengestellt (siehe Informationsdrucks. Nr. 2094/2015).


3.1 Kooperation mit dem Sachgebiet Unterbringung und den Betreibern der Flüchtlingsunterkünfte und des Obdachs
Der Fachbereich Jugend und Familie arbeitet seit 2015 gemeinsam mit Fachberatungsstellen, dem Sachgebiet Unterbringung und den Betreibern an der Entwicklung von spezifischen Schutzkonzepten für Kinder und Jugendliche und deren Umsetzung vor Ort, um in den Flüchtlingsunterkünften und im Obdach ein schützendes und förderndes Umfeld zu schaffen. Ziele des präventiven Kinderschutzes sind,

· niedrigschwellige Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen,
· Informationen zu den Rechten und Ansprüchen von Kindern und Jugendlichen, Frauen und queeren Menschen in den Unterkünften und im Obdach zur Verfügung zu stellen,
· funktionierende Beratungs- und Beschwerdemechanismen für BewohnerInnen, aber auch für Mitarbeitende zu etablieren,
· den haupt- und ehrenamtlich Tätigen Handlungsempfehlungen und -pläne für Krisen und Notfälle zur Verfügung zu stellen,
· eine Plattform zum fachlichen Austausch und zur Qualifizierung der Hauptamtlichen und beteiligten Fachdienste und Institutionen anzubieten,
· Zugänge zu medizinischer Versorgung und psychosozialer Unterstützung zu schaffen,
· die Optimierung der Zusammenarbeit im Kinderschutz der unterschiedlichen Fachbereiche, Behörden, Träger, Betreiber, Beratungsstellen und Polizei,
· Netzwerke zum Kinderschutz zu schaffen.

Um diese Ziele erreichen zu können, haben der Fachbereich Jugend und Familie und der Fachbereich Planen und Stadtentwicklung eine 'Kooperationsvereinbarung zum Kinderschutz für Flüchtlinge, Zuwanderer, Zuwandererinnen und ihrer Familien in Unterkünften der Flüchtlingsunterbringung und dem Obdach' abgeschlossen. Folgende Mindeststandards werden beschrieben:


3.1.1 Qualifizierung und Sensibilisierung der MitarbeiterInnen in Unterkünften zum Thema Kinderschutz
Sowohl MitarbeiterInnen der Betreiber als auch Ehrenamtliche werden regelmäßig durch die Koordinierungsstelle Kinderschutz und Frühe Hilfen zu den Grundlagen im Kinderschutz qualifiziert. Sie erhalten

· Informationen zu den gesetzlichen Grundlagen aus dem Bundeskinderschutzgesetz (BKiScHG),
· Informationen zu Vereinbarungen und Beratungsverfahren gemäß § 4 Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) und den §§ 8a und 8b, Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII),
· Wissen über Kriterien bzw. Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung, insbesondere vor dem Hintergrund geflüchteter Menschen,
· Wissen über Methoden zur Gefährdungseinschätzung,
· Handlungsempfehlungen und -pläne zum Schutz vor Gewalt und sexualisierter Gewalt in Unterkünften,
· eine Plattform zum fachlichen Austausch zur Weiterentwicklung der sozialen Betreuung und des Gewaltschutzes in Unterkünften (Runder Tisch).


3.1.2 Fachliche Beratung der MitarbeiterInnen in den Unterkünften und im Obdach
Sowohl die Fachkräfte als auch Ehrenamtliche in den Unterkünften und im Obdach haben die Möglichkeit, eine Fachberatung zum Kinderschutz gemäß §§ 8b SGB VIII / 4 KKG durch eine Kinderschutzfachkraft der Koordinierungsstelle Kinderschutz und Frühe Hilfen in Anspruch zu nehmen. Diese Beratung erfolgt im Regelfall telefonisch. Beratungen vor Ort sind ebenfalls möglich. Die Fachberatung dient der Einschätzung eines Gefährdungsrisikos und erfolgt vor einer Meldung an den KSD.


3.1.3 Runder Tisch 'Prävention und Schutz vor Gewalt und sexualisierter Gewalt in Flüchtlingsunterkünften und Obdach'
Ziel des Runden Tisches (4 x jährlich) ist die Kooperation und Vernetzung der verschiedenen Akteure, u.a.
· Referat für Frauen und Gleichstellung Landeshauptstadt Hannover
· Polizeidirektion Hannover,
· Kinderschutzzentrum,
· Violetta,
· Anstoß/Männerbüro,
· Kargah e.V.
· Koordinierungszentrum Kinderschutz (KoKi),
· Betreiber von Unterkünften Fachbereich 50 - Koordinierungsstelle Zuwanderung Osteuropa/ Integrationsmanagement für Flüchtlingsunterkünfte
· Integrationsmanagement für Flüchtlingsunterkünfte,
· Fachbereich Planen und Stadtentwicklung-Unterbringung
Er dient als Austauschplattform und der weiteren Qualifizierung und konzeptionellen Entwicklung zum Thema Gewaltschutz.


3.1.4 Konzept 'Schutz vor Gewalt und sexualisierter Gewalt in Flüchtlingsunterkünften und im Obdach'
Das Gesamtkonzept zum Gewaltschutz und zum Schutz vor sexualisierter Gewalt gliedert sich in den drei Säulen: Prävention – Schutzkonzept – Notfallplan. Es richtet sich an die Personengruppen Kinder und Jugendliche, Frauen und Männer, queere Menschen (LSBTTQ). Für die genannten Gruppen gibt es unterschiedliche gesetzliche und soziale Voraussetzungen und Bedingungen und es sind spezifische interkulturelle Fragestellungen im Gewaltschutz zu berücksichtigen. Daher wird das Gesamtkonzept um gruppen- und kulturspezifische Handlungsempfehlungen ergänzt, um so den MitarbeiterInnen in den Unterkünften die Möglichkeit zur Entwicklung und Integration eigener Gewaltschutzkonzepte zu geben. Hierbei sind abgestimmte Verfahren und Absprachen zwischen den beteiligten Fachkräften von Betreibern, Institutionen und Behörden im Notfall erforderlich, um schnelle Hilfe leisten zu können.


3.2 Präventiver Kinderschutz und Frühe Hilfen für zugewanderte Kinder und Jugendliche aus Südosteuropa im Obdach
Ab dem Jahr 2013 ist ein Zuzug von EU-BürgerInnen aus Südosteuropa zu beobachten. Dieser Personenkreis hat keinen Flüchtlingsstatus und damit auch keinen Anspruch auf Integrationsangebote. Einige Familien leben wegen unterschiedlicher Vermittlungshemmnisse - z.B. Großfamilie oder schwierige soziale Integration - seit 2013 in im Obdach im Burgweg und in der Alte Peiner Heerstraße. Mit der zunehmend prekären Wohnsituation in dieser Unterbringungsform steigen die sozialen Probleme und haben starke Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche.
Es ist daher für die Jugendhilfe besonders wichtig, den Fokus auf den Kinderschutz und die Entwicklungsförderung der Kinder- und Jugendlichen im Obdach zu legen, um den Kindern und Jugendlichen die Zugänge in unser Bildungssystem und soziale und kulturelle Teilhabe zu schaffen. Kinderschutz zeichnet sich bei dieser Zielgruppe vor allem durch Integrationsangebote und kulturspezifische soziale Betreuung bzw. Begleitung aus. Sinnvoll ist hierbei Netzwerkarbeit vor Ort, um z.B. die Gesundheitsberatung - in Kooperation mit der Stiftung ″Eine Chance für Kinder“ - zu ermöglichen, sowie Sprachentwicklung durch ″Rucksack“ und Integrationslotsen zu unterstützen.



4. Kulturspezifische Themen im Kinderschutz
Neben der Entwicklung von Schutzkonzepten und Maßnahmen in den Flüchtlingsunterkünften und im Obdach wird deutlich, dass mit dem Zuzug von Flüchtlingen und Zuwanderern aus anderen Kulturen auch Inhalte des Kinderschutzes sich verändern bzw. anpassen müssen. Weiblicher Genitalverstümmelung (FGM), Zwangsverheiratung von Minderjährigen oder die Verletzung der Selbstbestimmung und der Bewegungsfreiheit von jugendlichen Mädchen muss Jugendhilfe entgegentreten, da sowohl Grundrechte als auch Menschen- und Kinderrechte verletzt werden. Hier hat der Kinder- und Jugendschutz die Aufgaben sowohl zu schützen (Schutzauftrag des Jugendamtes) und aufzuklären als auch die Unterstützungssysteme zu sensibilisieren und zu qualifizieren.

Thema 'Kinderhandel'
Mit dem am 15.10.2016 in Kraft getretenen 'Gesetz zur Umsetzung der EU- Richtlinie 2011/36 des Europäischen Parlaments und des Rates aus 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer' wurde der Begriff Menschenhandel differenziert und die verschiedenen Ausbeutungsformen als Straftatbestände im Strafgesetzbuch (StGB) aufgenommen. Der Handel mit Kindern wird nun konkret beschrieben und die Schutzaltersgrenze in Deutschland von 14 Jahre auf 18 Jahre angehoben. Im Oktober 2016 wurde hat hierzu ein erstes Netzwerktreffen 'Handel von Kindern bekämpfen' stattgefunden.

Thema 'Weibliche Genitalverstümmelung (FGM)'
Durch die Zuwanderung/Flucht nach Deutschland werden vermehrt Fälle von Mädchen und Frauen bekannt, die von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen oder bedroht sind. FGM wurde im September 2013 als Straftatbestand der schweren Körperverletzung in das Strafgesetzbuch (§ 226a StGB) aufgenommen. Sie stellt eine massive Gefährdung des Kindeswohls dar und ist somit auch bei dem Verdacht, dass Eltern eine ″Beschneidung“ ihrer Tochter planen, dem Jugendamt zu melden. Die Sensibilisierung der Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe (BezirkssozialarbeiterInnen/ErzieherInnen), aber auch der anderen Akteure im Kinderschutz und in der Arbeit mit Frauen (MitarbeiterInnen im medizinischen Bereich/in der Flüchtlingsarbeit/in Beratungsstellen/Hebammen u.v.m.) ist hierzu besonders wichtig. Im Dialog mit den afrikanischen Communitys sind präventive Angebote zur Aufklärung für Eltern und ihre Kinder zu entwickeln.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Geschlechtsspezifische Fragestellungen und Bedingungen von Kindern, Jugendlichen, Frauen, Männern und queeren Menschen werden bei der Entwicklung von Konzepten und Maßnahmen zum Gewaltschutz programmatisch einbezogen. Barrieren sollen dabei soweit wie möglich abgebaut werden, um die betroffenen Menschen unabhängig von ihrem Alter, ihrem Geschlecht und ihrer Nationalität darin zu unterstützen, selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

51.2 
Hannover / 30.03.2017