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1. Vorwort
In der ersten Jahreshälfte 2016 der Flüchtlingsströme stand zunächst vorrangig die Bewältigung der Unterbringung und Organisation des Lebensalltages der nach Deutschland eingereisten und in Hannover zu versorgenden unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) im Vordergrund. In der zweiten Jahreshälfte 2016 erfolgte dann die Entwicklung und Umsetzung pädagogischer Konzepte und Verfestigung von organisatorischen Strukturen und Abläufen.
In der vorliegenden Informationsdrucksache soll ein Überblick über die Fallzahlenentwicklung im Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.12.2016 sowie ein Einblick über die strukturelle und fachliche Entwicklung zur Betreuung von UMF gegeben werden.
2. Sachstand Fallzahlen und Hilfeangebote
2.1 Vorläufige Inobhutnahmen nach §42a SGB VIII
Gesetzliche Grundlage ist der am 28.10.2015 in Kraft getretene Paragraph 42a des SGB VIII. Dieser legt fest, dass das Jugendamt berechtigt und verpflichtet ist, ein ausländisches Kind oder einen ausländischen Jugendlichen in Obhut zu nehmen, dessen unbegleitete Einreise nach Deutschland festgestellt wird. Die vorläufige Unterbringung erfolgt in einer Einrichtung der Jugendhilfe des örtlich zuständigen Trägers der Jugendhilfe, in diesem Fall der Fachbereich Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst. Für den Jugendlichen/das Kind werden notwendige ärztliche Erstuntersuchungen und/oder medizinische Versorgungen veranlasst. Es erfolgen Gespräche mit dem jungen Menschen/dem Kind und ggf. mit Dritten zur Klärung der Voraussetzung für eine Verteilung. Ebenso wird geprüft, inwieweit eine Kindeswohlgefährdung durch die Verteilung ausgeschlossen werden kann, Verwandte im In- oder Ausland (ggf. Teilprozess Familienzusammenführung) leben und der Gesundheitszustand eine Verteilung zulässt. Die Gesamtzahl der vorläufigen Inobhutnahme im Zeitraum 11/2015 – 12/2016 belief sich auf insgesamt 369. (Anlage 1)
Das Landesjugendamt wird am ersten Tag der vorläufigen Inobhutnahme informiert, von dort wird die Verteilung vorgenommen, wenn eine „Verteilungsfähigkeit“ bestätigt wird und der Fachbereich Jugend und Familie als abgebendes Jugendamt bestätigt wird. Der UMF wird zum aufnehmenden Jugendamt begleitet.
2.2 Inobhutnahmen nach §42 SGB VIII
Erfolgt eine Zuweisung von UMF der Landesverteilstelle an die Landeshauptstadt Hannover, werden diese zunächst gem. §42 SGB VIII in Obhut genommen und in geeigneten Einrichtungen der Jugendhilfe innerhalb und außerhalb Hannovers untergebracht. Auch eine Unterbringung bei Verwandten und geeigneten Personen ist möglich. Im Rahmen der Inobhutnahme wird eine Bedarfsfeststellung zum Kind/Jugendlichen vorgenommen. Gleichzeitig wird das Familiengericht über die Inobhutnahme informiert und die Bestellung eines Vormundes angeregt. Nach Abschluss der Bedarfsfeststellung zu den Themenbereichen Gesundheit, Sprache, aufenthaltsrechtliche Perspektive, Soziales, Bildung, Finanzen und Wohnen wird die Maßnahme im Rahmen der Hilfen zur Erziehung gem. §§27ff. SGB VIII eingeleitet und die Inobhutnahme beendet.
(Anlage 2)
2.3 Stationäre Heimerziehung gem. §34 SGB VIII
Auf der Grundlage einer Hilfeplanung gem. §36 SGB VIII erfolgt eine individuelle und auf die Lebenssituation, dem Willen, den Fähigkeiten und Fertigkeiten des jungen Menschen/des Kindes, eine Planung mit Vereinbarung von Zielen und Handlungsschritten. (Anlage 3)
In der Regel werden die jugendlichen Flüchtlinge in Einrichtungen des städtischen Heimverbundes und bei freien Trägern betreut.
Die Platzzahlen in den Einrichtungen variieren konzeptionell zwischen einem Platz als stationäres Einzelwohnen bis zu 10 Plätzen als klassische Heimunterbringung.
Die Belegung erfolgt zumeist bedarfs- und altersgerecht.
Bei der Schaffung von vollstationären Kapazitäten konnten auch neue Träger gewonnen werden.
2.4 Gastfamilien und Netzwerkfamilien §33 SGB VIII
Gastfamilien
Aufgrund der Vielzahl der zu versorgenden UMF erfolgten von November 2015 bis Februar 2016 Informationsveranstaltungen des Fachbereichs Jugend und Familie zur Werbung von Gastfamilien (Begrifflichkeit analog Pflegefamilie). Insgesamt wurden 50 Interessierte geprüft, davon waren für die Aufnahme eines UMF‘s 30 Gastfamilien geeignet. Eine Aufnahme eines UMF in 14 Gastfamilien konnte innerhalb weniger Wochen realisiert werden. Die Gastfamilien wurden zu verschiedenen Themenkomplexen, z.B. Asylrecht, interkulturelle Kompetenz, Rolle der Gastfamilie, psychologische Aspekte einschließlich Traumatisierungen geschult. Im Rahmen der Hilfeplanung werden für jeden UMF in einer Gastfamilie Ziele vereinbart und Absprachen zur Umsetzung der Ziele getroffen. In halbjährigen Hilfeplangesprächen wurden diese Ziele und Absprachen überprüft und ggf. neu ausgerichtet. Aufgrund unterschiedlicher Erfahrungen (z.B. unterschiedliche Erwartungen im Zusammenleben, Einhaltung von Regeln und Grenzen; kulturelle Hintergründe) in den Gastfamilien, konnten bis heute nicht alle UMF in den Gastfamilien gehalten werden. (Anlage 4)
Netzwerkfamilien/Verwandtenpflege
Die Begrifflichkeit wird abgeleitet aus der Definition im Rahmen der Vollzeitpflege gem. §33 SGB VIII. Sie erstreckt sich auf die Versorgung und Erziehung des Kindes/Jugendlichen. Die Netzwerkfamilien werden von persönlich qualifizierten Einzelpersonen, Paaren oder Lebensgemeinschaften durchgeführt, bei denen keine pädagogische Ausbildung vorausgesetzt wird. Eine nicht unerhebliche Zahl von minderjährigen, unbegleiteten Flüchtlingen sind in der Zeit der hohen Flüchtlingsströme bei Verwandten oder geeigneten Personen untergebracht worden. Der verwandtschaftliche Kontext ist eine Ressource des UMF und für ihn in der Regel von Vorteil. Zum einen bietet er nach Trennung von der eigenen Herkunftsfamilie ein Anknüpfen an die eigene vertraute Kultur, Religion, Sprache und zum anderen eine Unterstützung durch die Netzwerkfamilien zur Integration in die hannoversche Gesellschaft, da die Netzwerkfamilien in der Regel schon länger sich hier aufhalten. Alle Familien sind überprüft worden und der Bedarf des UMF auf Hilfe zur Erziehung festgestellt worden. Aktuell leben 64 UMF in Netzwerkfamilien.
2.5 Junge Volljährige gem. §41 SGB VIII
Der Großteil der UMF ist im Alter zwischen 12 – 16 Jahren in Hannover angekommen. Daraus ergibt sich ein verstärkter Blick im Rahmen der Hilfeplanung auf die Adoleszenz und ab dem 16. Lebensjahr die Konkretisierung der Fähigkeiten im Hinblick auf die Verselbständigung und Übernahme von Eigenverantwortung. Der Eintritt der Volljährigkeit bedeutet nicht grundsätzlich eine Beendigung der Jugendhilfe, jedoch wird dem vorausgestellt, dass bei Weiterführung der Jugendhilfe eine Bedarfsfeststellung im Hinblick auf erzieherische Unterstützung erfolgt ist, die sich an der Persönlichkeitsentwicklung und einer eigenverantwortlichen Lebensführung des jungen Menschen orientiert und auch die Bereiche Gesundheit, Soziales, Wohnen, Schule/Beruf beinhalten. Die jungen volljährigen Flüchtlinge leben in vollstationären Einrichtungen, in WG oder in angemieteten Wohnungen von Trägern der freien Jugendhilfe innerhalb und außerhalb Hannovers. (Anlage 5)
3. Erfahrungsbericht Heimverbund (Fallzahlen und Statement zu Alltagserfahrungen)
3.1 Inobhutnahme/vorläufige Inobhutnahme
3.1.1 Zahlen
Im Zeitraum vom 01.01. bis 31.12.2016 waren insgesamt 69 männliche UMF in den Inobhutnahmegruppen des Heimverbundes (bed by night, Notaufnahme, IO Heymesstr.) untergebracht. Die Unterbringung erfolgte in den überwiegenden Fällen nach §42 SGB VIII, in nur einem Fall erfolgte eine vorläufige Inobhutnahme gem. §42a ff. SGB VIII.
3.1.2 Verweildauer und ausgewählte soziodemographische Daten der UMF im Heimverbund
Im ersten Halbjahr 2016 wurde eine heimverbundsinterne Erhebung zu UMF in den stationären Wohngruppen und Einzelbetreuungen sowie Inobhutnahmeeinrichtungen durchgeführt. Insgesamt gingen 64 Fälle in die Auswertungen ein. Der Altersdurchschnitt dieser Stichprobe entsprach den bundesdeutschen Durchschnittsdaten (Alter: 16 Jahre; überwiegend männlich; Herkunft: überwiegend afghanisch oder syrisch; Religion: überwiegend muslimisch). Für die meisten UMF wurden (Bürger-)Krieg oder Verfolgung im Herkunftsland als Fluchtgrund angegeben. Die pädagogischen Fachkräfte schätzten in etwa 5% der Fälle den Bildungsstand als hoch ein, ca. 50% der Kinder und Jugendlichen besaßen nach Angaben der Fachkräfte einen mittleren und ca. 45% einen geringen Bildungsstand. Bei knapp einem Drittel der UMF wurde die Lese- und Schreibkompetenz als niedrig bewertet. Die körperliche Verfassung vieler UMF war zwar grundsätzlich gut (ca. 15% mit körperlichen Erkrankungen, wie z.B. Zahnschmerzen). Allerdings wiesen ca. 25% diagnostizierte oder vermutete psychische Erkrankungen auf, die sich z.B. in Schlafstörungen oder anderen psychosomatischen Symptomen äußerten.
Auffälligstes Ergebnis der Auswertung waren die langen Verweildauern (aufgrund mangelnder Unterbringungskapazitäten in vollstationären Einrichtungen) in den Inobhutnahmen, die zum Zeitpunkt der Erhebung im Mittel zwei Monate betrugen, sich im Verlauf des Jahres 2016 in vielen Fällen aber auf sechs Monate oder länger ausdehnten. Dies erforderte eine hohe Anpassungsleistung auf Seiten der gängigen Betreuungskonzepte der PädagogInnen und vor allem der geflüchteten Jugendlichen, für die die unklare Perspektive in den Inobhutnahmen eine immense Belastung darstellte.
3.1.3 Pädagogische Zielsetzung
Die Themen in der Inobhutnahme betrafen in erster Linie das gemeinsame Erarbeiten einer Perspektive für die geflüchteten Kinder und Jugendlichen. Dabei findet in der Regel eine enge Zusammenarbeit vor allem mit den VormünderInnen und dem KSD statt. Aufgabe der MitarbeiterInnen in den Inobhutnahmeeinrichtungen ist es, den Wunsch der Jugendlichen herauszuarbeiten und die Eindrücke über Ressourcen und Schwierigkeiten im Betreuungsalltag in die Perspektivverhandlungen einzubringen. Wie bereits angedeutet stellten lange Verweildauern eine deutliche Erschwernis im Hinblick auf die Verfassung und Motivation zur Mitarbeit vieler Kinder und Jugendlicher dar. Als Anschlussmaßnahmen standen stationäre Unterbringungen nach §34 SGB VIII, wie z.B. Wohngruppen oder stationäre Einzelbetreuungen zur Verfügung, vereinzelt erfolgten auch Umzüge in eine Gemeinschaftsunterkunft.
Aufgrund der hohen Anzahl nötiger Vormundschaften verlief die Bestellung und der Einbezug der VormünderInnen in einigen Fällen nicht immer reibungslos, weil es entweder längere Zeiten ohne geklärte Zuständigkeiten gab oder die regelmäßigen (persönlichen) Kontakte nur unregelmäßig wahrgenommen wurden. Die UMF in den Einrichtungen des Heimverbundes wurden und werden darin bestärkt, diese Kontakte bei Bedarf einzufordern und regelmäßige Gespräche bezüglich ihrer Perspektive zu erhalten.
Während der Inobhutnahme auf Grundlage des §42 SGB VIII erfolgt eine Anbindung schulpflichtiger UMF an eine Regel- oder Berufsschule. Dazu werden die Schulen selber, das Landesschulamt oder auch die Bildungsbüros der LHH als Netzwerkpartner genutzt. Im ersten Halbjahr 2016 betrug die Wartezeit auf einen Schulplatz mitunter mehrere Wochen, im Verlauf verkürzten sich diese Wartezeiten deutlich, so dass die UMF zuletzt in der Regel nicht länger als zwei Wochen auf einen Schulplatz warteten. So kann schnell eine Tagesstruktur für die Jugendlichen geschaffen werden, die viele von ihnen in der neuen Umgebung mit unsicherer Perspektive dringend benötigen.
Ein weiteres Thema ist das Erreichen der Volljährigkeit noch während der Inobhutnahme. In Fällen der direkt bevorstehenden Volljährigkeit werden die geflüchteten Jugendlichen – wie andere Jugendliche auch – beraten und ggfs. bei der Antragsstellung nach §41 SGB VIII unterstützt (s.u.).
3.2 Stationäre Hilfen
3.2.1 Zahlen
Im gesamten Jahreszeitraum in 2016 wurden in den stationären Hilfen des Heimverbundes insgesamt 29 männliche und ein weiblicher UMF betreut.
3.2.2 Pädagogische Zielsetzung
In der Arbeit der stationären Hilfen standen vor allem Thematiken der Anbindung und Integration der jungen geflüchteten Menschen im Vordergrund. Schul- und Freizeitaktivitäten wurden gemeinsam geplant und umgesetzt. In knapp einem Viertel der Fälle (s.o.) war aufgrund beobachteter Symptomatik auch eine medizinisch-psychologische Abklärung nötig. Dabei war die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen und speziellen Beratungsstellen von besonderer Bedeutung, auch um frühzeitig die richtige Unterstützung bei möglichen posttraumatischen Belastungsstörungen anzubieten.
Ein weiteres Thema, bei dem UMF unterstützt wurden, war das Stellen von Asylanträgen und mögliche, sich anschließende Maßnahmen der Familienzusammenführung, wobei die VormünderInnen eine große Rolle spielten. Gemeinsam konnte erreicht werden, dass Asylanträge gestellt und in einigen Fällen Familien zusammengeführt wurden, so dass in der Regel die (stationäre) Jugendhilfe dann endete.
Gemeinsam mit den Jugendlichen mussten drohende Abschiebungen bearbeitet werden.
Wie auch in den Inobhutnahmeeinrichtungen war das Thema der Volljährigkeit in den stationären Hilfen äußerst relevant. Die angehenden Erwachsenen wurden dazu beraten, wie mögliche Bedarfe auf Unterstützung im Rahmen des §41 SGB VIII geltend gemacht werden können. Eine Beendigung der Jugendhilfe gestaltete sich insofern häufig schwierig, als insbesondere geflüchtete junge Menschen auf wenige Ressourcen zurückgreifen können. Somit stellte und stellt sich die Übernahme der Eigenverantwortung in einem selbständigen Leben ohne Unterstützung und Begleitung der Jugendhilfe für geflüchtete oder nicht geflüchtete Personen – als ein wichtiges Thema in der Arbeit der stationären Hilfen des Heimverbundes dar.
3.3 Planungen des Heimverbundes
Wie im Berichtswesen für das Jahr 2016 beschrieben, plant der Heimverbund weiterhin, sein pädagogisches Betreuungsangebot im Rahmen der Hilfe zur Erziehung nach §34 SGB VIII für UMF – orientiert an den vom KSD gemeldeten Bedarf – auszubauen. Dafür werden geeigneter Wohnraum und qualifizierte Fachkräfte gesucht. Zum 01.04.2017 werden vier Plätze im Rahmen der Betreuung nach §34 SGB VIII für selbständige UMF ab 16 Jahren in Hannover-Nordstadt in Betrieb genommen. Weiterhin wird an einer Anpassung der Konzepte zur Unterbringung und Begleitung in den verschiedenen Angeboten gearbeitet, um die Integration und Inklusion von UMF von Beginn der gemeinsamen Arbeit an zu unterstützen.
4. Planungen mit freien Trägern4.1 Betreuungskapazitäten
Im Rahmen von gemeinsam abgestimmten Bedarfsplanungen zwischen dem Kommunalen Sozialdienst (KSD) und freien Trägern, wurden im Zeitraum Dezember 2015 bis Januar 2017 von hannoverschen freien Trägern rund 80 zusätzliche vollstationäre Plätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Rahmen der Heimerziehung gemäß §34 SGB VIII geschaffen und belegt.
Darüber hinaus haben freie Träger aus dem Stadtgebiet Hannover in den letzten zwei Jahren mehr als 60 Plätze in bereits bestehenden Einrichtungen zur Verfügung gestellt.
Etwaige Verdrängungseffekte bei der Nutzung von vollstationären Kapazitäten für UMF zum Nachteil von hannoverschen Kindern und Jugendlichen mit einem stationären Hilfebedarf konnten weitgehend vermieden werden.
Als besonderes Beispiel für die Kooperation im Rahmen der Bedarfsplanungen zwischen dem KSD und freien Trägern kann die zügige Ertüchtigung und Konzeption zur Umnutzung der städtischen Liegenschaft ′Kronsberger Hof′ für die Betreuung von UMF in der Wülferoder Straße benannt werden.
In der Immobilie konnten vom Träger Annastift in Kooperation mit den Fachbereichen Jugend und Familie und Gebäudemanagement 25 vollstationäre Plätze in einem Zeitraum von 4 Monaten geschaffen werden. Die besondere Herausforderung, die u.a. den Vorgaben des Brandschutzes, der Arbeitsstättenverordnung und Heimaufsicht entsprechen müssen, wurde nur durch die engagierte und zielstrebige Zusammenarbeit in dieser relativ kurzen Zeit bewerkstelligt.
Bei derzeit prognostisch sinkenden Fallzahlen ist sowohl der Rückbau als auch die Umnutzung dieser Immobilien, eine Nutzung für andere Angebote der Hilfen zur Erziehung, ermöglicht worden.
4.2 Fachgruppe UMF
Seit Januar 2015 tagt regelmäßig die Fachgruppe UMF, die sich zusammensetzt aus Vertretern und Vertreterinnen von hannoverschen und zwei nicht hannoverschen freien Trägern mit vollstationären Angeboten für UMF und Leitungskräften sowie der Fachplanung Erziehungshilfen des Kommunalen Sozialdienstes.
Im Rahmen der Fachgruppe werden Fachthemen vertieft bearbeitet und diskutiert und Bedarfslagen von UMF strategisch beraten. Dazu gehören, Kapazitätsplanungen neben konzeptionell-inhaltliche Fragestellungen sowie Fragestellungen zu jugendhilferechtlichen Vorgaben.
Vereinzelt wurden in die Fachgruppe ExpertInnen zu fachlichen Einzelthemen hinzugezogen, beispielsweise zum Themenkomplex „Trauma und Flucht“ das Institut für Sonderpädagogik der Universität Hannover. Zu Fragestellungen zu neosalafistischer oder anderer islamistischer Radikalisierung in Einzelfällen besteht eine Kooperation mit der Fachstelle Radikalisierung des Landeskriminalamts Niedersachsen.
Für August 2017 ist eine gemeinsame Arbeitstagung geplant, in der eine bestehende Rahmenkonzeption zwischen dem KSD und freien Trägern von Fachkräften auf der Basis von Praxiserfahrungen der letzten zwei Jahre weiterentwickelt werden soll.
5. Standards und Qualitätssicherung
5.1 Aufgaben der Dienststelle UMF
Durch die Besonderheit der Fachlichkeit im Hinblick auf die Themenvielfalt der UMF war die Gründung einer für diesen Themenkomplex alleinig zuständigen Dienststelle erforderlich.
In der Dienststelle sind derzeit 21 sozialpädagogische Fachkräfte, eine Dienststellenleitung und zwei Verwaltungsfachkräfte beschäftigt.
Die Sachbearbeitung erfolgt u.a. im Rahmen der Inobhutnahmen, der Bedarfsfeststellung,
der Hilfeplanung und Führen von Vormundschaften.
5.2 Vormundschaften
Jeder UMF erhält einen Vormund, wenn sie/er nicht unter elterlicher Sorge steht. Die Anordnung einer Vormundschaft hat das Familiengericht vorzunehmen. Es hat hierzu den Fachbereich Jugend und Familie anzuhören. Kann eine geeignete Person als Einzelvormund nicht geworben werden, wird der Fachbereich Jugend und Familie als Amtsvormund bestellt. Nachdem durch das Familiengericht die Vormundschaft angeordnet wurde und ein Vormund benannt ist, hat dieser auf der Grundlage der Sorgerechtsbestimmung im Rahmen seiner Tätigkeit den Mündel u.a. ordnungsgemäß zu melden, Asylantrag zu stellen, Hilfen zur Erziehung zu beantragen, bei der Integration und Verselbständigung zu unterstützen. (Anlage 6)
5.3 Umsetzung durch Vereins Amtsvormundschaften
Der überwiegende Teil der UMF erfolgt die Vormundschaft durch eine AmtsvormünderIn. In 2015/2016 erfolgte mit dem hannoverschen Institut für transkulturelle Betreuung (ITB) e.V. eine Kooperation zur Gewinnung von VereinsvormünderInnen. Aktuell führt der Verein 30 Vormundschaften für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge.
6. Kostenerstattung
Die überwiegende Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bedarf innerhalb eines Monats nach der Einreise der Jugendhilfe. Aus diesem Grund ergibt sich ein Kostenerstattungsanspruch nach §89 d SGB VIII.
Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher zum 01.11.2015 wurde ein erstattungspflichtiges Land auf der Grundlage eines Belastungsvergleiches vom Bundesverwaltungsamt bestimmt (§89 d Abs. 3 SGB VIII). Alle Kosten, die bis einschließlich 31.10.2015 entstanden sind, sind mit dem bestimmten überörtlichen Träger abzurechnen. In Bezug auf diese 'Altfälle' fehlen der Landeshauptstadt Hannover derzeit Zahlungseingänge in Höhe von ca. 685.000 EUR. Ursprünglich wären diese Ansprüche am 31.12.2016 verjährt, da im Rahmen der o.g. Gesetzesänderung die Verjährungsfrist für diese Kostenerstattungsansprüche auf ein Jahr verkürzt wurde. Die überörtlichen Träger haben allerdings auf die Einrede der Verjährung verzichtet, so dass eine Abrechnung auch im Jahr 2017 noch möglich ist.
Alle Kosten für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit einem Kostenerstattungsanspruch nach §89 d SGB VIII, die nach dem 01.11.2015 entstanden sind bzw. entstehen, sind gemäß §42 d Abs. 5 SGB VIII beim Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie geltend zu machen.
Derzeit sind dort 652 Fälle offen, in denen kein Kostenerstattungsanerkenntnis vorliegt. Das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie hat uns für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 30.06.2016 eine Abschlagszahlung von 80% der entstandenen Kosten, d.h. ca. 6,6 Mio. EUR bereits erstattet. Für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 31.12.2016 wird eine weitere Abschlagszahlung angefordert.
Das beschriebene Angebot richtet sich grundsätzlich an beide Geschlechter, an einzelne UMF sowie an die Familien, die zur Aufnahme eines UMF bereit sind. Den Problematiken der einzelnen Personengruppen, die sich aus der Flüchtlings- und Exilsituation ergeben, wird in der Beratung und Begleitung Rechnung getragen.
Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.