Informationsdrucksache Nr. 0801/2008:
Kinderschutz in Hannover im Rahmen § 8a SGB VIII

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
In die Kommission für Kinder- und Jugendhilfeplanung
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0801/2008
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Kinderschutz in Hannover im Rahmen § 8a SGB VIII


Einleitung
Die spektakulären Nachrichten und insbesondere die tragischen Vorfälle in Hamburg, Darry und Schwerin haben den Schutzauftrag der Jugendhilfe und hier explizit den der Allgemeinen Sozialen Dienste / Kommunalen Sozialen Dienste in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion gerückt.
Mit der vorliegenden Drucksache wird über den derzeitigen rechtlichen Stand und die fachliche Weiterentwicklung des Themas Kinderschutz, die bestehenden Netzwerke sowie über das Inobhutnahmesystem und unterstützende Hilfen in der Landeshauptstadt Hannover informiert.
Kinderschutz ist im Rahmen des SGB VIII ein zentraler Auftrag der Jugendhilfe und mit der Umsetzung des KICK im § 8 a SGB VIII noch einmal ausdrücklich gestärkt worden.
Neben den gesetzlichen Vorgaben der letzten Jahre haben sich innerhalb der behördlichen Sozialarbeit methodische Standards sowie differenzierte Arbeitsabläufe entwickelt. Allen gemeinsam ist, dass unterschiedlichste Formen von Gewalt gegen Kinder definiert sind, Entscheidungen dokumentiert werden müssen und der Schutz des Kindes im Vordergrund steht.
Darüber hinaus bekommt die Vernetzung zwischen Kindertagesstätte, Schule, Medizin, Polizei und Jugendhilfe zunehmend Bedeutung, da bei den o.g. Fällen deutlich geworden ist, wie unterschiedlich Kindesmisshandlung und -vernachlässigung wahrgenommen wird und dass verbindliche Kooperationen selten vorhanden sind.

Rechtliche Aspekte

Gesetzlicher Schutzauftrag für die Jugendhilfe - § 8a SGB VIII
Im Rahmen des Kinderschutzes ist der § 8a SGB VIII die zentrale Norm. Sie konkretisiert den Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe und basiert auf dem staatlichen Wächteramt, das sich aus Artikel 6 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes sowie auch aus dem § 1 Abs. Satz 2 des SGB VIII ergibt. Im § 8a SGB VIII werden zentrale Aussagen zur Wahrnehmung des Schutzauftrages durch das Jugendamt getroffen. Werden dem Jugendamt Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung bekannt, muss es weitere Informationen einholen und das Gefährdungsrisiko einschätzen. Dies hat im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte zu geschehen und kann nicht durch eine einzelne zuständige Person allein entschieden werden. In die Gefahreneinschätzung sind die Personensorgeberechtigten, das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen. Davon darf nur abgewichen werden, wenn durch die Einbeziehung der Schutz des Kindes oder des Jugendlichen gefährdet würde.
Das Jugendamt ist verpflichtet, den Personensorgeberechtigten Hilfen anzubieten, die aus Sicht des Jugendamtes geeignet und notwendig sind. Dabei wird dem Jugendamt eine aktive Rolle zugewiesen, die über eine Beratung hinausgeht. Mit dem § 8a SGB VIII sind auch das Recht des Jugendamtes auf Informationsbeschaffung, die Pflicht der Mitwirkung der Eltern und die Beteiligung dritter Institutionen ausdrücklich geregelt. Nach § 62 SGB VIII dürfen Sozialdaten ohne Mitwirkung des Betroffenen dann erhoben werden, wenn die Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII dieses erfordert, bzw. die Erhebung bei den Betroffenen den Zugang zur Hilfe ernsthaft gefährden würde.
Nach einer Risikoabwägung ist zu entscheiden, ob dem gefährdeten Kind besser durch Hilfen für die Familie oder die Einschaltung des Familiengerichtes geholfen werden kann. Bei Bedarf hat das Jugendamt auf die Personensorgeberechtigten hinzuwirken, Einrichtungen oder Dienste außerhalb der Jugendhilfe in Anspruch zu nehmen. Im Gesetzestext ausdrücklich erwähnt sind auch Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei.

Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen - § 42 SGB VIII
In Situationen, in denen sich Minderjährige in einer dringenden Gefahr befinden, dient die Inobhutnahme der Gefahrenabwehr und greift in den Fällen, in denen Eltern trotz Förderung und Hilfe nicht in der Lage oder bereit sind, eine akute oder drohende Gefahr selbst oder mit Unterstützung Dritter abzuwenden. Eine Inobhutnahme kommt nur in Frage, wenn eine familiengerichtliche Entscheidung zur Beseitigung der Gefährdung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
Vorrangiges Ziel der Inobhutnahme ist, Kindern oder Jugendlichen Schutz vor lebens- oder entwicklungsgefährdender Vernachlässigung, Misshandlung, sexueller Gewalt oder Nichtversorgung zu gewähren. Die Gefährdungseinschätzung obliegt der zuständigen Fachkraft im Jugendamt. Maßstab ist die Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 1666 BGB. Zur Bewertung der Situation muss sich die zuständige Fachkraft ein eigenes Bild machen von dem Erscheinungsbild und dem Verhalten des Minderjährigen, von dem Beziehungsgeflecht in der Familie, von der häuslichen und sozialen Situation der Familie und vom Kooperationsverhalten der Familienmitglieder. Eine Abschätzung des Gefährdungsrisikos ist im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte vorzunehmen. Wenn eine dringende Gefahr vorliegt, handelt es sich um eine Situation, in der im Interesse des Minderjährigen, ggf. auch gegen den Willen der Personensorgeberechtigen eingegriffen werden muss.

Einschaltung des Familiengerichts gemäß § 8a Abs. 3 SGB VIII - Eingriffe in das Elternrecht gemäß §§ 1666 und 1666a BGB
Sind die Personensorgeberechtigen oder die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage, die Gefährdung für ihr Kind oder den Jugendlichen abzuwenden oder nehmen sie entsprechende Hilfen nicht an, hat das Jugendamt gemäß § 8a Abs. 3 SGB VIII das Familiengericht einzuschalten.
Das Familiengericht entscheidet auf der Basis der §§ 1666 und 1666a BGB, ob zum Schutz des Minderjährigen ein Eingriff in das Recht der elterlichen Sorge erforderlich ist. Das Gericht hat die Möglichkeit, Weisungen oder Auflagen zur Wahrnehmung der elterlichen Sorge zu erteilen oder das Sorgerecht ganz oder teilweise zu entziehen und auf einen Vormund oder Pfleger zu übertragen. Eingriffe in das elterliche Sorgerecht sind nur möglich, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden und andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind.

Rahmenvereinbarung zur Sicherstellung des Schutzauftrages - § 8a SGB VIII
Durch die Regelung des § 8a Abs. 2 SGB VIII und die nach dieser Vorschrift zu treffenden Vereinbarungen werden die Einrichtungen und Dienste der freien Träger in den Schutzauftrag des SGB VIII mit einbezogen. Durch die Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, ist sicherzustellen, dass die Träger eigenständig den Schutzauftrag entsprechend wahrnehmen und erfahrene Fachkräfte in die Abwägung des Gefährdungsrisikos einbeziehen. Die Fachkräfte sollen darauf hinwirken, dass Eltern die notwendigen Hilfen annehmen. Wenn die geleisteten Hilfen nicht ausreichen, um eine Kindeswohlgefährdung abzuwenden, sind die Träger verpflichtet das Jugendamt zu informieren.
Die Landeshauptstadt Hannover und Region Hannover haben mit der Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege eine Rahmenvereinbarung hierzu abgeschlossen. Die Träger von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach dem SGB VIII erbringen, sind aufgefordert worden, dieser Rahmenvereinbarung beizutreten. Die Rahmenvereinbarung mit Regelung zur Wahrnehmung des Schutzauftrages soll durch klare Aufgabenstellungen zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Trägern der freien und öffentlichen Jugendhilfe beitragen. Die Rahmenvereinbarung beinhaltet
  • Aussagen zum Schutzauftrag und zur Dokumentation,
  • regelt Verfahrensfragen und Mitteilungspflichten,
  • beschreibt die Qualifikation von Fachkräften und
  • sieht eine gemeinsame Auswertung der Fälle von Kindeswohlgefährdung vor, um eine Verbesserung von Risikoabschätzungen und Verfahrensabläufen zu erreichen.


Dienstvereinbarung für den Fachbereich Jugend und Familie zur Erfüllung des Schutzauftrages bei Kindeswohlgefährdung nach § 8a SGB VIII
Für die Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft in der Landeshauptstadt Hannover ist eine Dienstvereinbarung im Fachbereich Jugend und Familie geschlossen worden. Die Vereinbarung enthält analog zur Rahmenvereinbarung zu § 8a SGB VIII Regelungen zur Wahrnehmung des Schutzauftrages der städtischen Kindertagesstätten, Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit, der Jugend- und Familienberatung und des Kommunalen Sozialdienstes.

Persönliche Eignung nach § 72a SGB VIII
Zum Schutz von Kindern und Jugendlichen wird mit der Umsetzung des KICK auch die Prüfung der persönlichen Eignung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter notwendig. Die Vorschrift konkretisiert den unbestimmten Rechtsbegriff „Persönliche Eignung“ im § 72 SGB VIII. Mit der Einfügung wird sichergestellt, dass keine Personen beschäftigt und vermittelt werden, die wegen der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, Sexualstraftaten oder der Misshandlung Schutzbefohlener vorbestraft sind. Dies ist nicht nur bei der Einstellung durch Einholung eines Führungszeugnisses zu prüfen, sondern die Überprüfung der Beschäftigten ist in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Durch Vereinbarungen mit den freien Trägern ist sicherzustellen, dass auch diese keine Personen beschäftigen, die wegen o.g. Delikte vorbestraft sind.
Mit den Trägern der freien Jugendhilfe sowie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im Fachbereich Jugend und Familie direkt mit Kindern und Jugendlichen umgehen ist ein Verfahren zur regelmäßigen Vorlage von Führungszeugnissen, festgelegt worden. Es findet alle 5 Jahre eine Vorlage und Prüfung des aktuellen Führungszeugnisses statt.

Für ehrenamtlich Tätige in der Kinder- und Jugendarbeit ist die Vorlage von Führungszeugnissen gesetzlich nicht vorgeschrieben. Der Fachbereich Jugend und Familie wird deswegen einen "Verhaltenscodex zur Prävention sexueller Gewalt" einführen. Ehrenamtlich Tätige müssen sich dann im Rahmen einer verbindlichen Selbstverpflichtung daran binden.

Standards in Hannover

Fachbereich Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst
Bürgerinnen und Bürger können sich persönlich und anonym an den Fachbereich Jugend und Familie wenden, wenn Sie Beratungsbedarf oder Verdachtsmomente in Bezug auf Gewalt und Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen haben.
Für das gesamte Stadtgebiet Hannover bestehen innerhalb des Fachbereiches Jugend und Familie/Kommunaler Sozialdienst (KSD) einheitlich verbindliche Geschäftsverteilungsregeln, die sich sowohl nach Namen, als auch nach örtlichen Bereichen (Straßen) aufgliedern. Bürgerinnen und Bürger können sich über die Geschäftsverteilung und Zuständigkeit in der Telefonzentrale des Fachbereichs Jugend und Familie und in den KSD-Dienststellen an Wochentagen in der Zeit von 08:00 bis 17:00 Uhr informieren. Darüber hinaus liegen auch in Kindertagesstätten, Freizeitheimen, Jugendzentren, in Arztpraxen und in anderen öffentlichen Einrichtungen Flyer des KSD aus, in denen die Dienststelle des jeweiligen Stadtteiles eingezeichnet ist und in denen das Beratungsangebot kurz erläutert ist.
Seit dem Jahr 2000 ist die zentrale Inobhutnahmestelle -Clearingstelle- eingerichtet, die außerhalb der Sprechzeiten, an Wochenenden und an Feiertagen rund um die Uhr erreichbar ist. Anlass für die Einrichtung der Clearingstelle war die Erkenntnis, dass durch eine schnelle Intervention in Krisen auf der einen Seite Inobhutnahmen zu vermeiden sind und auf der anderen Seite bei einer Kindeswohlgefährdung eine schnelle Herausnahme des Kindes veranlasst werden kann.

Handlungsschritte bei Kindeswohlgefährdung
Sobald der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung besteht, sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KSD verpflichtet, eine Bewertung vorzunehmen und in Arbeitshilfen und Dienstanweisungen beschriebene Handlungsschritte zu beachten.
Ist die zuständige Sachbearbeitung nicht erreichbar, so wird die Mitteilung umgehend an die Vertretung weitergeleitet.
Grundsätze bei Kindeswohlgefährdung:
  • Jedem Hinweis auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung wird unverzüglich nachgegangen.
  • Es findet eine sofortige Einschätzung der Gefährdungssituation - ggf. im Rahmen einer Kollegialen Beratung - sowie eine Dokumentation aller Handlungs-, Entscheidungs- und Interventionsschritte statt.
  • Es erfolgt nach Einschätzung der Situation ein Hausbesuch (möglichst zu zweit). Ist der Krisenort nicht in unmittelbarer Nähe der Dienststelle, so können die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen öffentliche Verkehrsmittel, Taxen oder dienstlich genutzte Privatfahrzeuge nutzen.
  • Bestätigt sich der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung nicht oder sind die Gefährdungsaspekte nicht akut, findet nach dem Hausbesuch eine nochmalige Kollegiale Beratung statt, um weitere Handlungsschritte zu planen.
  • Bei Bestätigung einer Gefährdungssituation werden sofortige Schritte zum Kindesschutz, im Rahmen einer Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII und mit Benachrichtigung des Familiengerichts eingeleitet.
  • In Familien, in denen ein Säugling lebt, werden bei unklaren Verdachtsmomenten (keine akute Gefährdungssituation) wöchentliche Kontakte sichergestellt.
  • In Familien, in denen Kinder bis zu 6 Jahren leben, die unter Vormundschaft des Fachbereiches Jugend und Familie stehen, werden wöchentliche Besuchskontakte sichergestellt.
  • Liegt keine akute Gefährdungssituation vor, wird weiter Kontakt zur Familie gehalten und spätestens nach 3 Monaten im Rahmen einer Kollegialen Beratung die Gefährdungssituation überprüft.
  • Bei Umzug einer Familie nach außerhalb erfolgt immer eine Information des neu zuständigen Jugendamtes.
Wie wird der Begriff „Kindeswohlgefährdung“ definiert?
Das Kindeswohl beinhaltet, dass Kinder und Jugendliche vor körperlicher und seelischer Gewalt, vor emotionaler sowie körperlich-gesundheitlicher Vernachlässigung, vor sexuellem Missbrauch (sexualisierter Gewalt) und vor der Versagung entscheidender existentieller Entwicklungschancen (z.B. dem Besuch einer Schule) zu schützen sind.
Nach § 8a SGB VIII erfolgt eine Gefährdungsabschätzung aufgrund so genannter „gewichtiger Anhaltspunkte“ für eine Kindeswohlgefährdung. Dies können Hinweise oder Informationen sein über Handlungen gegen Kinder und Jugendliche oder Lebensumstände, die deren leibliches, geistiges oder seelisches Wohl gefährden, unabhängig davon, ob sie durch eine missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten einer dritten Person bestehen. Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung können in der Wohnsituation, der Familiensituation, dem elterlichen Erziehungsverhalten, der Entwicklungsförderung, traumatisierender Lebensereignisse sowie im sozialen Umfeld liegen.
Eine entscheidende Rolle spielt bei der Gefährdungsabschätzung die Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern bzw. der entsprechenden Erziehungspersonen zur Problemeinsicht, Mitwirkungsbereitschaft und der Motivation, Hilfe anzunehmen.

Gründe, die den Verbleib in der Familie grundsätzlich ausschließen
Gefährdungssituationen sind grundsätzlich gegeben, wenn
  • eine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht,
  • Säuglinge und Kleinkinder allein und/oder unversorgt gelassen werden,
  • Säuglinge, Kinder und Jugendliche seelisch und/oder körperlich misshandelt werden,
  • Säuglinge, Kinder und Jugendliche sexuell misshandelt werden,
  • extreme Partnerschafts- und Elternprobleme vorliegen (z. B. Gewalt, schwerste psychische Erkrankung, Alkohol, Drogen).
In diesen Fällen erfolgt auch gegen den Willen der Eltern eine Herausnahme der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Werden Hilfen zur Erziehung für die Familie eingeleitet, wird immer ein Konzept zum Schutz des Säuglings, des Kindes oder der/des Jugendlichen entwickelt.

Welche Rechte haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber Eltern/Familien?
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KSD führen in Einzelfällen, die eine Kindeswohlgefährdung vermuten lassen bzw. im Rahmen der weiteren Arbeit mit der Familie auch nicht angemeldete Hausbesuche durch. Ein Betreten der Wohnung gegen den Willen der Eltern ist hierbei nicht möglich. Hier wäre entsprechend § 8a Absatz 4 SGB VIII die Polizei einzuschalten, die befugt ist, sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen, um eine mögliche „gegenwärtige Gefahr“ für ein oder mehrere Kinder abzuwehren.

Wie sind ambulante Familienunterstützende Hilfen gestaltet?
Nicht in allen Fällen, in denen eine Kindeswohlgefährdung gemeldet wird, kommt es zu einer Herausnahme. Bei einem Verbleib in der Familie wird im Rahmen eines Schutz- bzw. Hilfeplans - mit den Eltern zusammen - der einzelfallbezogene Hilfebedarf ermittelt und dient damit als Vorgabe für eine Familienunterstützende Hilfe im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung. In diesen Fällen erfolgt eine enge Abstimmung zwischen dem KSD und dem Träger der freien Jugendhilfe, der die Maßnahme durchführt. Dabei werden konkrete Auflagen gemacht und Aufträge vereinbart (u.a. zu den notwendigen Betreuungskontakten) sowie auch Kriterien aufgestellt, an denen der Erfolg der Maßnahme gemessen werden kann. Im weiteren Verlauf der Hilfe werden diese Punkte regelmäßig kontrolliert, überprüft und falls erforderlich neu formuliert.



Hilfen und Netzwerke im Rahmen des Kinderschutzes

Es bestehen eine Reihe von Netzwerken und Arbeitskreisen die das Ziel haben, Kooperationen zwischen Institutionen der Gesundheits- und Drogenhilfe, Beratungsstellen und der Polizei auf der Grundlage verbindlicher Standards herzustellen, um somit frühzeitig intervenieren und Hilfen einleiten zu können.

Runder Tisch gegen Kindergewalt
Der Fachbereich 51 hat im Jahr 2006 den „Runder Tisch gegen Kindergewalt“ einberufen, um regelmäßig mit Vertretern der Schulen, Polizei, Gerichten und freien Trägern der Jugendhilfe ein gemeinsames Vorgehen zum Thema abzustimmen.

Fachaustausch KSD – Sozialpsychiatrie
Kinder sind in vielfacher Hinsicht von der psychischen Erkrankung eines Elternteiles betroffen. Die psychische Erkrankung hat Auswirkungen auf den Alltag der Kinder und auf ihre Entwicklung insgesamt. Sie benötigen besondere Hilfe im Umgang mit der Erkrankung der Eltern. Es droht sonst die Gefahr, selbst psychisch zu erkranken bzw. eine andere Verhaltensstörung zu entwickeln. Ziel ist es, mit den sozialpsychiatrischen Beratungsstellen der Region Hannover Hilfen für Kinder psychisch erkrankter Eltern zu entwickeln.
Fachgremium Sexualisierte Gewalt
Mitglieder sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des KSD sowie entsprechender Beratungsstellen in der Stadt Hannover. Ziel ist es, die Hilfen für von sexualisierte Gewalt betroffene Mädchen und Jungen in der Stadt Hannover zu verbessern, sich mit anderen Institutionen, Einrichtungen und Fachkräften zu vernetzen und entsprechende gemeinsame Handlungsleitlinien zu entwickeln.

AG Kindesschutz Kinderkrankenhaus „Auf der Bult“
Teilnehmende Institutionen sind die beiden öffentlichen Jugendhilfeträger der Stadt und Region Hannover, die beiden Kinderkliniken, die Sozialpädiatrie sowie eine Vertretung der niedergelassenen Pädiater. Ziel ist es, die Schnittstellen zwischen der Medizin und der Jugendhilfe (am Beispiel der beiden Kinderkliniken) zu analysieren, um in Fällen von Kindesmisshandlungen verbindliche Verfahren der Kooperation und der Nachsorge für die betroffenen Kinder zu entwickeln. Dazu gehört auch die Schnittstelle zu den niedergelassenen Kinderärzten. Die AG wird in das Modellprojekt „Koordinierungszentrum Kinderschutz - Kommunales Netzwerk Früher Hilfen“ integriert werden. Zum Modellprojekt wird eine gesonderte Informationsdrucksache vorgelegt werden.

AK Familie und Sucht
Teilnehmende Institutionen sind der Fachbereich Jugend und Familie Hannover, Einrichtungen der Drogenhilfe und der freien Jugendhilfe, das Kinderkrankenhaus auf der Bult, das Landesgesundheitsamt, der Fachbereich Gesundheit der Region Hannover, die Familienhebammen der Stiftung „Eine Chance für Kinder“ sowie der Drogenbeauftragte des Jugend- und Sozialdezernats.
Ziel ist die Erstellung einer Kooperationsvereinbarung, die die Zusammenarbeit der beteiligten Einrichtungen im Rahmen der Hilfen für Kinder aus suchtbelasteten Familien und für ihre Eltern in der Stadt und der Region Hannover regelt. Es soll eine verbesserte Kooperation bei der Erbringung von Hilfemöglichkeiten für die Familie erreicht werden. Im Vordergrund allen Handelns steht das Wohl der Kinder. Vorrangiges Ziel ist dabei der Verbleib eines Kindes in der Herkunftsfamilie bzw. bei vorübergehender Fremdunterbringung die Rückführung des Kindes in seine eigene Familie, sofern dies dem Kindeswohl förderlich ist. Ziel ist es weiterhin, die betroffenen Eltern zu erreichen und sie in ihrer Eltern- und Erziehungskompetenz zu stärken. Gleichzeitig soll eine realistische Eigenwahrnehmung der Betroffenen, eine Stärkung ihrer Ressourcen und ihre Mitarbeit zur langfristigen Überwindung des Suchtproblems erreicht werden.

AG Kinder und Jugendliche mit Gewalterfahrungen im häuslichen Bereich
Teilnehmende Institutionen dieser AG des Runden Tisches HAIP (Hannoversches Interventionsprogramm Gegen Männergewalt in der Familie) sind das Kinderschutz-Zentrum, Frauen- und Kinderschutzhäuser, Beratungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen bzw. Migrantinnen, die „Waage“ sowie das Männerbüro. Ziel ist es, im Rahmen des HAIP-Verbundes die Situation der von häuslicher Gewalt betroffenen Kinder und Jugendlichen zu betrachten, die beteiligten Dienste miteinander zu vernetzen und entsprechende Hilfs- und Unterstützungsangebote (weiter) zu entwickeln. Es wurde bislang eine zentrale Koordinierungsstelle in Kooperation mit dem Kinderschutz-Zentrum (inkl. einer Kindergruppe für betroffene Mädchen und Jungen) eingerichtet und ein entsprechender Info-Flyer für betroffene Kinder und Jugendliche herausgegeben.

Weitere Hilfen im Rahmen des Kinderschutzes

In der Diskussion Gewalt gegen Kinder wird immer wieder auch die Frage gestellt, ob eine Zunahme zu verzeichnen ist und woran dies liegt. Es gibt hierzu keine abschließende Antwort. In der Fachliteratur werden jedoch folgende Aspekte, die Gewalt gegen Kinder begünstigen, immer wieder genannt:
  • Armut und Schulden,
  • Verlust des Arbeitsplatzes,
  • Auflösung bestehender Familien- und Nachbarschaftssysteme,
  • Suchtproblematik und hierbei insbesondere Alkohol sowie
  • Verlust von Wissen über die Erziehung und die elementaren Bedürfnisse von Kindern

Schutz für Kinder und Jugendliche gegen Gewalt muss daher neben den Möglichkeiten unmittelbarer Intervention und Eingriffen in das Elternrecht auch immer Hilfen umfassen, die Eltern unterstützen und befähigen die Erziehung ihrer Kinder eigenständig wahrzunehmen. Neben den Hilfen zur Erziehung nach den §§ 27 ff. SGB VIII gibt es in der Landeshauptstadt Hannover hierzu eine Vielzahl von unterstützenden Angeboten in Kindertagesstätten, Familienzentren und Familienbildungsstätten.
Ein besonderes Augenmerk ist in den letzten Jahren hierbei auf die Förderung von Eltern von Säuglingen und Kleinstkindern gelegt worden. Zu nennen sind hier die beiden Familienhebammenprojekte „Eine Chance für Kinder“ und „Pro Kind“. In beiden Projekten werden junge schwangere Mütter sowie junge Eltern in der Geburtsvorbereitung sowie nach der Geburt durch Hebammen und sozialpädagogische Familienhelferinnen und Familienhelfer unterstützt. Ziel ist es neben der Vermittlung von Wissen über die Pflege und Erziehung von Säuglingen und Kleinstkindern auch eine schulische und berufliche Perspektive der jungen Mütter und Eltern zu entwickeln, sowie soziale Netzwerke zu fördern. Im Jahr 2007 sind insgesamt 55 junge Mütter/Eltern betreut worden.

Alle beschriebenen Maßnahmen dienen dazu, Gefährdungen für Kinder und Jugendliche soweit wie möglich zu minimieren, ausschließen lassen sie sich nie. Die gültigen Verfahrensabläufe innerhalb des Kommunalen Sozialdienstes müssen daher immer wieder regelmäßig überprüft und auf ihre Wirksamkeit hin betrachtet werden. Der Fachbereich Jugend und Familie hat u. a. den Untersuchungsbericht „Fall Kevin“ des Bremer Senats zum Anlass genommen, die darin genannten Schwachstellen zu begutachten, auszuwerten und bestehende Arbeitshilfen zu modifizieren.

Darüber hinaus ist auch eine stetige fachliche Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kommunalen Sozialdienstes notwendig. Gemeinsam mit der „Zentralen Einrichtung für Weiterbildung“ der Fachhochschule Hannover und dem „Winnicott-Institut“ ist deswegen im Jahr 2007 eine verpflichtende Fortbildungsreihe zum Thema: „Entwicklungspsychologie im Kindesalter“ entwickelt worden, um frühzeitig Signale von Kindesvernachlässigung und Entwicklungsverzögerung aufgrund mangelnder Förderung und Fürsorge wahrnehmen zu können.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten


Der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor körperlicher und sexueller Gewalt gilt sowohl für Mädchen als auch für Jungen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

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Hannover / 27.03.2008