Drucksache Nr. 0766/2014:
Petition von Herrn Bernd Beistecker zur Konzipierung eines Modellversuchs zur Abgabe von Cannabis und Beantragung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG

Inhalt der Drucksache:

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0766/2014
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Petition von Herrn Bernd Beistecker zur Konzipierung eines Modellversuchs zur Abgabe von Cannabis und Beantragung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG

Antrag,

die Petition von Herrn Bernd Beistecker (verm.: Pseudonym), Auf dem Loh 10, 30167 Hannover (mit beigefügten ca. 200 unterstützenden Unterschriften von Bürgern und Bürgerinnen - auch aus anderen Kommunen) "Konzipierung eines Modellversuchs zur Abgabe von Cannabis ("Cannabis Social Club") und Beantragung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG" (Anlage 1) abzulehnen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Beide Geschlechter sind gleichermaßen betroffen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Rechtsgrundlagen, Zuständigkeiten

Nach § 34 Satz 1 NKomVG hat jede Person das Recht, sich in Angelegenheiten der Landeshauptstadt Hannover mit Anregungen („Petitionen“) an den Rat zu wenden. Nach Satz 3 dieser Regelung kann der Rat die Prüfung von Anregungen dem Verwaltungsausschuss übertragen. Einzelheiten regelt die Hauptsatzung. Der Rat hat von dieser Übertragungsmöglichkeit in § 15 Abs. 6 der Hauptsatzung Gebrauch gemacht und die Erledigung von Anregungen dem Verwaltungsausschuss übertragen, sofern für die Angelegenheit nicht ausschließlich der Rat gemäß § 58 Abs. 1 und 2 NKomVG zuständig ist.

Mit der oben genannten Petition wird angeregt, dass die Landeshauptstadt Hannover einen Modellversuch als „Cannabis Social Club“ zur Abgabe von Cannabis zur medizinischen Nutzung und als Genussmittel konzipiert und eine entsprechende Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte beantragt.

Der Anregungsgegenstand fällt unter die kommunalen Angelegenheiten und verfolgt im Hinblick auf die auch Kommunen eröffnete Möglichkeit einer Antragstellung nach § 3 Abs. 2 BtMG keine offenkundig gesetzwidrige Ziele. Da die Angelegenheit nicht unter den Katalog der ausschließlichen Ratszuständigkeiten fällt (§ 58 Abs. 1, 2 NKomVG), folgt aus der Delegationsregelung des § 15 Abs. 6 Hauptsatzung die Befassungspflicht des Verwaltungsausschusses.

Begründung


Die Verwaltung hat dem Einsender auf sein gleichlautendes Begehren in der Bürgersprechstunde des Oberbürgermeisters bereits mitgeteilt, dass eine Gremienzuständigkeit besteht; sie selbst allerdings aktuell kein öffentliches Interesse der Stadt Hannover sieht, eine Ausnahmegenehmigung zu einer "schwarzmarktunabhängigen Versorgung mit Cannabis zu gewährleisten" (Anlage 2).

Die Verwaltung geht zwar von der Zulässigkeit des begehrten Verfahrens (Antragstellung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) aus, teilt aber nicht die vom Antragsteller verfolgte Zielsetzung.
Ausschlaggebend hierfür ist zum einen die grundsätzliche Position, dem Konsum suchterregender Stoffe eher mit reduzierenden und präventiven Mitteln denn mit ausweitenden Schritten zu begegnen. Zur medizinischen Versorgung, wie im in der Petition zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwähnt, existieren im Übrigen bereits entsprechende ärztliche Versorgungsmöglichkeiten.
Insofern geht auch die vom Einsender gezogene Analogie zum früheren, von der Landeshauptstadt Hannover geförderten, Modell-Konzept "Diamorphin-Verschreibung" fehl, da dieses Projekt von Anbeginn an die Erweiterung lebensrettender ärztlicher Therapiemöglichkeiten, nicht aber die Förderung des freien Konsums zum Ziel hatte.
Die vom Einsender aus der Kriminalstatistik herangezogene Begründung für ein behauptetes "öffentliches Interesse" unterliegt der Beurteilung der zuständigen Polizeibehörden, nicht der Kommune, und wird von dort aus - jedenfalls soweit der Verwaltung bekannt - nicht geteilt.
Auch die vom Einsender angestrebte "insuläre" Ausnahme vom bestehenden Betäubungsmittelrecht bezogen auf das Gebiet der Landeshauptstadt Hannover erscheint weder wünschenswert noch erfolgversprechend. Die damit verbundene rechts- und gesundheitspolitisch aktualisierte Abwägung einer Abgrenzung angeblich "harter" von angeblich "weichen" Drogen, die strafrechtliche Behandlung von Konsum und/oder Besitz oder die Vereinbarung individueller Konsumfreiheit mit dem Gedanken des Jugendschutzes und der nachhaltigen Prävention erscheinen eher im Rahmen der derzeitigen Initiative von über 100 Rechtswissenschaftlern zu einer (bundesweiten) Diskussion über die Neuausrichtung des Betäubungsmittelgesetzes richtig angesiedelt.
Dez. III 
Hannover / 10.04.2014