Drucksache Nr. 0761/2015:
Berggartenallee

Informationen:

Inhalt der Drucksache:

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Nr.
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0761/2015
4
 
BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt

Berggartenallee

Antrag,

der Kappung und anschließenden Sicherung der Berggartenallee in zwei Bauabschnitten in den Sommermonaten 2015 und 2016 zuzustimmen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Gender-Aspekte sind nicht berührt.

Kostentabelle

Darstellung der zu erwartenden finanziellen Auswirkungen in Euro:
Teilfinanzhaushalt 46 - Investitionstätigkeit
Bezeichnung
EinzahlungenAuszahlungen
Zuwendungen für Investitionstätigkeit 0,00 €
Beiträge u.ä. Entgelte für Investitionstätigkeit 0,00 €
Veräußerung von Sachvermögen 0,00 €
Veräußerung von Finanzvermögensanlagen 0,00 €
Sonstige Investitionstätigkeit 0,00 €
  
  
  
Erwerb von Grundstücken und Gebäuden 0,00 €
Baumaßnahmen 0,00 €
Erwerb von bewegl. Sachvermögen 0,00 €
Erwerb von Finanzvermögensanlagen 0,00 €
Zuwendungen für Investitionstätigkeit 0,00 €
Sonstige Investitionstätigkeit 0,00 €
  
Saldo Investitionstätigkeit 0,00 €
0,00 €

Teilergebnishaushalt 46 - Investitionstätigkeit
Produkt 52301
Herrenhäuser Gärten
Angaben pro Jahr
Ordentliche ErträgeOrdentliche Aufwendungen
Zuwendungen und allg. Umlagen 0,00 €
Sonstige Transfererträge 0,00 €
Öffentlichrechtl. Entgelte 0,00 €
Privatrechtl. Entgelte 0,00 €
Kostenerstattungen 0,00 €
Auflösung Sonderposten (anteilige Zuwendungen) 0,00 €
Sonstige ordentl. Erträge 0,00 €
  
Außerordentliche Erträge 0,00 €
  
Erträge aus internen Leistungsbeziehungen 0,00 €
Personalaufwendungen 0,00 €
Sach- und Dienstleistungen 0,00 €
Abschreibungen 0,00 €
Zinsen o.ä. (TH 99) 0,00 €
Transferaufwendungen 0,00 €
Sonstige ordentliche Aufwendungen 350.000,00 €
  
Saldo ordentliches Ergebnis -350.000,00 €
Außerordentliche Aufwendungen 0,00 €
Saldo außerordentliches Ergebnis 0,00 €
Aufwendungen aus internen Leistungsbeziehungen 0,00 €
Saldo aus internen Leistungsbeziehungen 0,00 €
Saldo gesamt -350.000,00 €
Für die Erneuerung der Allee sind im Haushalt 2015 bereits 200.000 € vorgesehen, die benötigte Differenz muss zum Haushalt 2016 beantragt werden. Es entstehen in den nächsten 20 Jahren voraussichtlich keine Folgekosten.

Begründung des Antrages


Geschichte
Die Lindenallee im Berggarten stellt eine überregional bekannte Baumallee mit hohem kulturellen und historischen Wert dar. Sie ist 1726/1727 von E. A. Charbonnier ganz im Sinne des Barocks ohne abschließenden Blickpunkt in die offene Landschaft angelegt worden und setzte die Hauptachse durch den Großen Garten und die Mitte des Schlosses nach Norden fort. Wie zu dieser Zeit üblich wurden für die Pflanzung 215 Holländische Linden (Tilia x vulgaris) verwendet. Zwischen 1842 und 1847 erfolgte der Bau des Welfenmausoleums nach Plänen von G. Laves als neuer Endpunkt der Allee. Kurze Zeit später kappte man die Bäume erstmalig, um die Sichtachse durch die Allee zum Mausoleum freizuhalten. Mit dieser ersten Kappung wurde bereits 1847 die Basis für den weiteren Entwicklungs- und Lebensverlauf der Allee angelegt, denn spätestens alle dreißig bis vierzig Jahre mussten die hoch aufschießenden Triebe wieder zurückgeschnitten werden, um die Standsicherheit zu erhalten.

Jetziger Zustand
Die mittlerweile 280 Jahre alte Lindenallee prägt nach wie vor den Berggarten. Dennoch befinden sich die Alleebäume in ihrer letzten Lebensphase; sie können im Gegensatz zu freistehenden Einzelbäumen aufgrund des Konkurrenzverhaltens um Wasser, Nährstoffe und Wurzelraum nicht das sonst sehr hohe Alter von Linden erreichen. Die zahlreichen Kappungen in den vergangenen Jahrhunderten haben der Allee stark zugesetzt. Durch die Schnittwunden konnten sich im Inneren der Bäume intensive Holzfäulen ausbreiten. Die Folgeschäden sind Rindenrisse, Rücktrocknungserscheinungen und äußerst geringe Restwandstärken. 1994 wurde die Allee stark auf eine Höhe von sechs Metern gekappt, um die Verkehrssicherheit in dem viel begangenen Berggarten zu gewährleisten. Neue Triebe wurden seitdem regelmäßig alle drei bis vier Jahre zurückgeschnitten. Trotzdem wurde die Gefährdung durch die Holzfäulen so groß, dass 2008 eine weitere massive Reduzierung der Starkäste erfolgte.

Eingehende Untersuchungen durch städtische und externe Baumexperten haben ergeben, dass die Standsicherheit nicht nur einzelner Bäume, sondern sogar des gesamten Altbaumbestands nicht mehr gewährleistet ist. Daher war geplant, im Winterhalbjahr 2013/14 die Berggartenallee komplett zu erneuern (Info-DS 0841/2012). Bei einer nochmaligen Untersuchung auf Wirbellose kurz vor der Fällung im Herbst 2012 wurde der Eremit oder Juchtenkäfer entdeckt, eine gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 14 b) Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) streng geschützte Art. Das Insekt ist so selten, dass es in den Anhängen II und IV der FFH-Richtlinie (EG 2006/105) als prioritäre Art eingestuft wird, für die die Gemeinschaft Sorge tragen muss, dass sich die Lebensbedingungen nicht verschlechtern.
Die Eremitenpopulation im Berggarten dürfte zu den zwei größten in Niedersachsen zählen, da in fast allen der noch stehenden 130 Altbäumen die Käfer nachgewiesen wurden, bzw. stark vermutet werden.

Umgang mit der Allee
Eine Fällung der Allee ist nach dem BNatSchG nicht zulässig und genehmigungsfähig. Sie würde einen Rechtsbruch darstellen und die anordnenden und ausführenden Personen würden dafür persönlich haftbar sein. Die Handlung stellt eine Straftat für die anordnenden und ausführenden Personen dar, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. Weiterhin käme eine Geldbuße für die Eigentümerin von bis zu 50.000 € hinzu.
Aus Verkehrssicherungsgründen ist die Allee seit 1. April 2014 für Besucher gesperrt. Da eine Fällung mit Nachpflanzung nicht möglich ist, ergeben sich drei Varianten im Umgang mit der Allee (s. Anlage 1 und 2):

Variante 1 Die Linden, die neben einem etwa 4 Meter hohen Stamm noch mehrere zwei bis vier Meter lange Starkäste haben, werden aufwändig gesichert, so dass die Allee wieder im Laufe des Jahres 2016 begehbar ist. Dafür müssen pro Baum drei Stahlmasten verankert werden, an denen die Stämme und die Starkäste befestigt werden können (s. Anlage 3). Die Kosten dieser Sicherungsmaßnahme sind sehr hoch, durch die zahlreichen Seilverspannungen ist der Schnitt der Bäume alle zwei Jahre sehr aufwändig. Ohne regelmäßige Schnittmaßnahmen reichen die Sicherungsmaßnahmen statisch nicht aus. Die Gesamtkosten über 20 Jahre verteilt belaufen sich auf etwa 2,8 Mio. €.

Variante 2 In 2015 und 2016 werden alle Linden etwas oberhalb des Starkansatzes geköpft, so dass nur noch die eigentlichen Stämme stehen bleiben. Da auch sie nicht standsicher sind, wird pro Baum ein Stahlmast verankert und die Stämme mit Seilen direkt an den Masten befestigt (s. Anlage 4). Weitere Seilverspannungen sind nicht notwendig, der Schnitt der Bäume ist relativ einfach, aber aus statischen Gründen notwendig. Da sich die meisten Eremitenlarven im Stammbereich und nicht in den Starkästen befinden, würde die Untere Naturschutzbehörde dieser Variante grundsätzlich zustimmen. Auch die Naturschutzverbände haben ein Einverständnis signalisiert. Diese Maßnahme würde in zwei Bauabschnitten aufgeteilt etwa 350.000 € kosten. Die Pflegemaßnahmen sind nicht höher als die Anwachspflege einer neuen Allee. Da die sich im Frühjahr verpuppenden Eremitenlarven bis zum Schlüpfen sehr empfindlich sind, können die Kappungen der Linden mit anschließenden Sicherungen erst ab Juli/August 2015 und 2016 durchgeführt werden. Begleitet werden die Arbeiten von der Unteren Naturschutzbehörde und einem Käferexperten, der eventuell in den oberen Starkästen befindliche Larven sichert und in noch nicht besiedelte Bäume im Berggarten umsiedelt. Da sich die meisten Eremiten im Stammbereich der Bäume befinden, werden nicht sehr viele Käfer in den gekappten Starkästen erwartet, eine Kontrolle ist aber wegen des besonderen Schutzstatus der Art vorgeschrieben.


Die Maßnahmen 2015 würden den Bereich zwischen Herrenhäuser Straße und Zaun zum Berggarten, die beiden Durchgänge und vor dem Mausoleum einbeziehen, so dass ein großer Teil der Berggartenallee ab Herbst 2015 wieder begehbar sein würde.

Variante 3 Ohne Sicherungsmaßnahmen bleibt die Allee gesperrt, auch ein Betreten des abgesperrten Bereichs für Pflegegänge ist aus Gründen der Arbeitssicherheit nicht erlaubt. Daher wird die gesamte Allee inklusive eines Sicherheitsabstandes (Abstand = 2,5-fache Höhe der Bäume) der Sukzession überlassen, d.h. sowohl die Rasenflächen als auch die Bäume können ungehindert wachsen. Innerhalb weniger Jahre wird also der Alleebereich komplett verwildern. Die noch sehr vitalen Linden werden neue Basal- und Kopftriebe bilden und die Sichtachse zum Mausoleum einschränken. Durch den großen Zuwachs wächst die Windlast und die Bäume werden nach und nach auseinanderbrechen. Da sich in den Stämmen noch Eremiten befinden und aufgrund der Unfallgefahr, dürfen die umgekippten Bäume nicht entfernt werden und bleiben links und rechts der Allee liegen. Da der Rasen nicht mehr gemäht wird, wird anfangs das Gras hochwachsen, nur ein paar Jahre später werden Pioniergehölze das Bild bestimmen (Schlehen, Brombeeren, Birken etc.).
Der Staudengrund wird komplett als Sackgasse vom übrigen Berggarten abgehängt, da es keinen Durchgang durch den südlichen Alleebereich gibt. Da im direkt an die Allee angrenzenden Staudengrund keine Pflegearbeiten aus Sicherheitsgründen durchgeführt werden dürfen, müssen Teile dieses wertvollen Gartenbereichs aufgegeben werden. Die Bäume zwischen Herrenhäuser Straße und Zaun zum Berggarten würden mit Sondergenehmigung gefällt werden, da sonst auch der Fuß-/Radweg an der Herrenhäuser Straße nicht mehr nutzbar wäre.
Da nur Kosten für einen Zaun anfallen, sind diese mit etwa 100.000 € vergleichsweise gering.

Variante 3a Es wird hierbei zusätzlich durch aufwendige Sicherungsmaßnahmen ein Durchgang durch die Allee geschaffen, der einen Rundgang durch den Staudengrund erlaubt. Ansonsten bleibt die übrige Allee wie bei Variante 3 gesperrt und verwildert.
Diese Variante ist durch die aufwendige Sicherung von 13 Bäumen für den Durchgang mit 310.000 € fast so teuer wie die Kappung der gesamten Allee.

Fazit
Bei Abwägung der Vor- und Nachteile der drei Varianten wird die Variante 2 aus Kostengründen, der Besucherfreundlichkeit und auch aus ästhetischen Gründen bevorzugt. Dieser Kompromiss ist sowohl aus naturschutz- wie auch aus denkmalschutzrechtlicher Sicht akzeptabel.

Die Verwaltung bittet daher, der Durchführung der Variante 2 zuzustimmen.

46 
Hannover / 08.04.2015