Informationsdrucksache Nr. 0744/2015:
"Pfandringe" - Änderungsantrag Nummer 2131/2014 der Ratsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Drucksache 1463/2014

Inhalt der Drucksache:

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"Pfandringe" - Änderungsantrag Nummer 2131/2014 der Ratsfraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Drucksache 1463/2014

Mit Beschluss im Verwaltungsausschuss vom 30.10.2014 zum oben genannten Änderungsantrag ist die Verwaltung beauftragt worden, ein Konzept für einen zeitlich begrenzten Test zur Anbringung und Betreuung von sogenannten „Pfandringen“ an zwei Standorten im Stadtgebiet zu erarbeiten.
Mit der modellhaften Erprobung sollen Erfahrungen dahingehend gesammelt werden, ob die Pfandringe den Personenkreis der jetzigen Flaschensammler erreichen und ihnen mit diesem System eine menschenwürdigere Tätigkeit ermöglicht werden kann oder der Konkurrenzdruck mit anderen Personen beim Flaschensammeln verstärkt wird. Darüber hinaus soll erfasst werden, wie die Pfandringe die Sauberkeit der Straßen beeinflussen und die Sicherheit im Straßenverkehr gewährleistet werden kann.

Erfahrungen anderer Städte:
Die Verwaltung hat sich durch eine Recherche unter deutschen Großstädten einen Überblick über Umsetzung und Stand der Diskussion zum Thema „Pfandringe“ verschafft.
Neun von 10 Großstädten haben auf Anfrage mitgeteilt, dass sie keine Pfandringe haben und zum Teil auch aus unterschiedlichen Erwägungen heraus bislang von einer Etablierung dieser Systeme Abstand genommen haben. Als wesentliche Gründe gegen Pfandringe wurden genannt:
- Leicht entnehmbare Flaschen könnten zum Vandalismus verleiten.
- Verletzung und Unfallgefahren durch Glasbruch.
- Das offene Sammelsystem führt dazu, dass Nicht- Flaschensammler Pfandgut entnehmen.
- Es wird angezweifelt, dass durch die Einführung derartiger Systeme das Durchwühlen der Papierkörbe wirksam reduziert werden kann.
- Die zusätzlichen Systeme und das Umfeld werden für Müllablagerungen missbraucht und müssen kostenintensiv gereinigt werden.
- Streitigkeiten der Bedürftigen um das Pfandgut.
- Hohe Kosten für Anbringung und regelmäßige Reinigung des Umfeldes.
- Negative Folgen für das Erscheinungsbild der Stadt.
Hamburg hat als einzige der angefragten Großstädte praktische Erfahrungen im Rahmen eines Modellversuchs mit der Anbringung von 10 eigenkonstruierten Pfandringen gesammelt. Zuständig ist hier die Abfallwirtschaft/Stadtreinigung. Der übermittelte Erfahrungsbericht spiegelt im Wesentlichen die o.g. Kritikpunkte gegen Pfandringe wider:
· Pfandringe werden immer wieder auch mit sonstigen Abfällen vollgestopft, überwiegend mit Kaffeebechern o.ä.
· Der Reinigungsaufwand ist teilweise erheblich.
· das Pfandangebot wird nicht nur von der Zielgruppe der Bedürftigen genutzt
Die Pfandringe werden vor diesem Hintergrund an bestimmten Orten, beispielsweise um den Hauptbahnhof herum, wieder entfernt und an anderen Orten angebracht, wobei die Nähe von „To-Go-Ketten“ vermieden wird.

Die Stadt Nürnberg hat sich intensiv mit der Frage der Pfandringe auseinander gesetzt und sich dabei auf Erfahrungen der Stadt Bamberg bezogen, wobei auch ein Gutachten der Arbeitssicherheit in Auftrag gegeben wurde. Nach diesem Gutachten ist die Anbringung von Pfandringen an Abfallbehältern (Papierkörben) unter sicherheitstechnischen und ergonomischen Gesichtspunkten abzulehnen: Die Pfandringe erschweren die Handhabbarkeit, das Leergut muss zum Aushängen des Abfallbehälters erst aus dem Pfandring entfernt werden bzw. verhindert das Entnehmen des Abfallbehälters. Obwohl mit Signalfarbe ausgestattet, stellen die aus dünnem Stahl gefertigten Pfandringe eine Sicherheitsgefahr im öffentlichen Raum dar. Grade bei einer Anbringung unterhalb der Einwurföffnung des Papierkorbes, könnten sich Kinder Kopf- und Gesichtsverletzungen zuziehen, wenn sie gegen einen Pfandring fallen oder gestoßen werden. Auch besteht zusätzlich ein Verletzungsrisiko an den Verschraubungen.
Insgesamt wurde in Bamberg festgestellt, dass die zunächst an einzelnen Papierkörben angebrachten Flaschenkisten ihren Zweck nur begrenzt erfüllten. Die Kästen wurden zerstört oder dienten als zusätzliche Abfallbehälter. Daraufhin wurde die Installation von zwei extra gefertigten Flaschensammelringen beschlossen. Die Kosten beliefen sich einschließlich Design und Fertigung auf ca. 700,00 €.
Die Städte Leipzig und Nürnberg empfehlen nach umfangreichen internen Prüfungen, dass an Stelle eines Sammelsystems in kommunaler Verantwortung ehrenamtliche Initiativen sowie verschiedene Formen der Eigeninitiative von Bürgerinnen und Bürgern der bessere Weg seien, um die gewünschten Ziele umzusetzen. Solche Modelle existieren bereits in unterschiedlicher Form. (in Hannover z.B. mit der Asphalt-Kampagne „Mehr Wert statt Mehrweg“)

Fazit aus Sicht der Verwaltung:
Diese Erfahrungen lassen Zweifel an einer erfolgreichen Implementierung von Pfandringen aufkommen. Ein funktionierendes Pfandringsystem setzt nach unserer Auffassung die flächendeckende Ausstattung von Abfallbehältern grade an exponierten Standorten voraus um das Ziel des Pfandringes zu erreichen. Neben nicht unerheblichen Installationskosten müssen somit für ein unter Sicherheits- und Sauberkeitsaspekten akzeptiertes Pfandringsystem erhebliche Kosten für Instandhaltung und Säuberung aufgebracht werden.
Der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er für die Reinigung eines Pfandringes 2,27 € pro Reinigung in Rechnung stellen würde. An exponierten Standorten muss mindestens zwei Mal pro Woche gereinigt werden.
Der Fachbereich 67 hat grundsätzlich keine Einwände gegen die Montage von Behältern zur Aufnahme von Pfandflaschen. Diese sollten aber nicht z. B. an Bäumen oder baumschützenden bzw. -stabilisierenden Einrichtungen montiert werden. Die Montage sollte ausschließlich im Platz- und Wegebereich erfolgen. Seitens des Fachbereichs 67 wird die Gefahr der verstärkten Verunreinigung gesehen. Flaschen und Dosen werden für jedermann leicht erreichbar deponiert und können entsprechend einfach zu Vandalismus führen. Außerdem kann es in der Nähe von Sammelbehältern zur Bildung von Gruppen wartender Pfandsammler kommen. Eine damit einhergehende Verstärkung der Verunreinigung von Grünflächen müsste während einer Testphase beobachtet werden. Für den erhöhten Reinigungsaufwand würden dem Fachbereich 67 höhere Kosten entstehen.
In seiner Stellungnahme zum beschlossenen Änderungsantrag Nr. 2131/2014 hebt der Fachbereich 66 als Straßenbaulastträger hervor, dass in Abstimmung mit aha bereits vor über zwei Jahren ein offenes Pfandflaschen-Sammelsystem, das an die Stadt und aha herangetragen worden ist, abgelehnt wurde. Die Argumente, die zu dieser Entscheidung geführt haben, haben weiterhin Bestand und decken sich weitgehend mit den aus den befragte Großstädten genannten Gründen gegen ein Pfandringsystem:
- Von den in den Verkehrsraum hineinragenden Sammelbehältnissen kann eine Verletzung bzw. Unfallgefahr ausgehen.
- Verunreinigungen durch Getränkereste, weil Flaschensammler die Flaschen vor dem Einpacken entleeren bzw. Fehlbefüllung durch Allgemeinabfall sind zu erwarten.
- Verletzungs- und Unfallgefahren sind nicht zu unterschätzen, etwa durch Glasflaschen, die herunterfallen und zersplittern bzw. Glasflaschen, die möglicherweise zerbrochen in den Haltesystemen stecken.
- Verleitung zum Vandalismus. Flaschen könnten heruntergetreten, abgeschlagen und durch die Gegend geworfen werden.
Der Fachbereich Tiefbau würde für eine Testphase keine Verantwortung übernehmen, sondern für eine temporäre Testaktion auf Antrag eine Sondernutzungserlaubnis erteilen. Diese würde unter anderem beinhalten, dem Fachbereich Soziales als Erlaubnisnehmer für den Zeitraum der Sondernutzung die Verkehrssicherungs- und Reinigungspflicht für den Standort zu übertragen.

Vor dem Hintergrund der vielfältigen Erfahrungen und der vielfältigen Bedenken, die in der Verwaltung wie auch in vielen anderen Großstädten vorherrschend sind, hat die Verwaltung entschieden, auch von der beschlossenen Erprobung eines Pfandringsystems Abstand zu nehmen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Gender-Aspekte sind im gegebenen Zusammenhang nicht relevant.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

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Hannover / 01.04.2015