Drucksache Nr. 0688/2009 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu integrativen Plätzen in der Kinderbetreuung
in der Ratssitzung am 07.05.2009, TOP 2.3.

Inhalt der Drucksache:

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0688/2009 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu integrativen Plätzen in der Kinderbetreuung
in der Ratssitzung am 07.05.2009, TOP 2.3.

Kinder mit Behinderungen und ihre Eltern sind - wie andere Familien auch - auf Betreuungsplätze in Krippen, Kindergärten und Horten angewiesen. Diese Eltern wünschen sich in der Regel für ihre Kinder eine Betreuung gemeinsam mit nicht- behinderten Kindern in einer integrativen Einrichtung.
Die gesetzliche Situation ist sehr komplex:
Kinder zwischen 3 und 6 Jahren haben einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, allerdings haben sie keinen Rechtsanspruch auf integrative Erziehung.
Das Land Niedersachsen muss in seiner Zuständigkeit heilpädagogische Plätze zur Verfü-gung stellen. In Regeleinrichtungen wird für diese Altersgruppe die Gruppenintegration gefördert. Aktuell stehen für die 3-6 jährigen Kinder mit Behinderungen weder ausreichend heilpädagogische noch integrative Plätze in Einrichtungen zur Verfügung.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1.Wie viele Kinder der Altersgruppe 3 - 6 Jahre werden z.Zt. in heilpädagogischen, wie viele in integrativen Einrichtungen betreut und wie viele Kinder warten auf einen Betreuungsplatz?

2.Wird Kindern mit Behinderungen, die einen Rechtsanspruch auf einen Kindergarten-platz haben, umgehend ein Betreuungsplatz zugewiesen oder sind der Verwaltung bereits Fälle bekannt, bei denen die Eltern den Klageweg beschritten haben?

3. Welche Anstrengungen unternimmt die Stadt Hannover zusammen mit dem Land Niedersachsen und der Region Hannover, um die Betreuungssituation für Kinder mit Behinderungen aller Altersgruppen spürbar zu verbessern, welche Lösungen werden diskutiert und / oder angestrebt?

(Lothar Schlieckau, Fraktionsvorsitzender)

Text der Antwort


Die gesetzlichen Grundlagen für die Betreuung von behinderten Kindern sind u.a. im Gesetz über Tageseinrichtungen in Niedersachsen geregelt. Danach sollen Kinder, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind, gemeinsam mit nicht behinderten Kindern in einer Gruppe betreut werden.
Bedürfen wesentlich behinderte Kinder infolge ihrer Behinderung der Hilfe in einer teilstationären Einrichtung, so haben sie einen Anspruch auf einen Platz in einer heilpädagogischen Tageseinrichtung. Ein Rechtsanspruch auf eine integrative Betreuung besteht dagegen – wie auch in der Anfrage erwähnt – nicht.
Folgende Voraussetzungen müssen vorliegen, damit behinderte Kinder in einer integrativen Gruppe in einer Kindertagesstätte betreut werden können:
· Bei den behinderten Kindern muss es sich um tatsächlich wesentlich behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder im Sinne des Paragrafen 53 SGB XII handeln.
· Es muss Betreuung und Förderung im Sinne einer teilstationären Maßnahme entsprechend des individuellen Hilfebedarfes geleistet werden und dafür ein konkretes Förderangebot zur Verfügung stehen.
· Es müssen die notwendigen Betreuungszeiten erbracht werden, d. h. mindestens fünf Stunden an fünf Tagen in der Woche, bei jedem behinderten oder von einer Behinderung bedrohten Kind.
Derzeit existiert eine gesetzliche Regelung nur für die Betreuung behinderter Kindergartenkinder. Eine Regelung für Kinder unter drei Jahre bzw. schulpflichtige Kinder besteht dagegen in Niedersachsen nicht. Bisher konnten deshalb nur im Rahmen von Einzelfallregelungen die Betreuung von behinderten Kindern in Krippen oder im Hort durchgeführt werden, wogegen in der Regel für unter dreijährige Kinder die ambulante Frühförderung als geeignete Form der Hilfe angesehen wird.
Für schulpflichtige Kinder wird die geeignete Hilfe bzw. die Fördermaßnahme im Regelfall durch die Förderschule erbracht. Darüber hinaus ist für diese Altergruppe während der Schulzeit eine nachschulische Betreuung im Rahmen einer teilstationären Maßnahme im Hort in der Regel nicht vorgesehen, soweit auch Förderschulen verlässliche Unterrichtszeiten vorhalten.

Nach dieser grundsätzlichen Darstellung nun noch zu den einzelnen gestellten Fragen:

Frage 1:
Wie viele Kinder der Altersgruppe 3 – 6 Jahre werden zurzeit in heilpädagogischen, wie viele in integrativen Einrichtungen betreut und wie viele Kinder warten auf einen Betreuungsplatz?
Zurzeit werden in der Landeshauptstadt Hannover in heilpädagogischen Einrichtungen 176 und in integrativen Einrichtungen 103 Kindergartenkinder mit Behinderungen betreut. Nach uns bekannten Wartelisten der Integrationseinrichtungen wünschen derzeit 46 weitere Kinder einen integrativen Betreuungsplatz, wovon voraussichtlich etwa die Hälfte zum neuen Kindergartenjahr berücksichtigt werden kann.

2.
Wird Kindern mit Behinderungen, die einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben, umgehend ein Betreuungsplatz zugewiesen oder sind der Verwaltung bereits Fälle bekannt, bei denen die Eltern den Klageweg beschritten haben?

Ein Rechtsanspruch auf einen integrativen Kindergartenplatz besteht – wie geschildert –nicht. Für die Planung und Schaffung von heilpädagogischen Plätzen in teilstationären Einrichtungen wie Kindertagesstätten ist das Land Niedersachsen zuständig. Ein Kindergartenplatz wird in Hannover allen Kindern, die dies wünschen, zur Verfügung gestellt; Klagen hiergegen sind nicht anhängig.

Frage 3:
Welche Anstrengungen unternimmt die Stadt Hannover zusammen mit dem Land Niedersachsen und der Region Hannover, um die Betreuungssituation für Kinder mit Behinderungen aller Altersgruppen spürbar zu verbessern, welche Lösungen werden diskutiert und / oder angestrebt?
Die Landeshauptstadt Hannover ist – soweit uns bekannt – die einzige Stadt in Niedersachsen überhaupt, in der bisher Kinder unter drei Jahren, also so genannte Krippenkinder, eine integrative Betreuung finden. Zurzeit werden sieben Kinder in Einzel-falllösungen mit Zustimmung des Landes Niedersachsen entsprechend betreut werden.

Im Kindergartenbereich gab es auf verschiedene Versuche, zum Teil im direkten Kontakt, zum Teil aber auch über die Gremien des Nds. Städtetages sowie unter Zuhilfenahme verschiedener Instrumente der Öffentlichkeitsarbeit, auf das Land Niedersachsen wegen der fehlenden heilpädagogischen und integrativen Kindergartenplätze einzuwirken. Insbesondere ist die Problematik – auch vor dem Hintergrund des bestehenden Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz – mit Daten des Teams Gesundheit der Region Hannover und gemeinsam mit der Region an das zuständige Nds. Sozialministerium herangetragen worden. Von dort aus ist deutlich gemacht worden, dass die Landesregierung plant, die entsprechenden Finanzierungssysteme grundsätzlich neu zu ordnen und hierbei auch auf die zurzeit unbefriedigende Bedarfsdeckung einzuwirken. Einzelheiten hierzu sollen noch in diesem Jahr bekannt gegeben werden.

In ihrem eigenen Einflussbereich hat die Stadt Hannover zunächst im Rahmen des von ihr aufgestellten und vom Rat der Stadt gebilligten Programms zum Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen deutlich gemacht, dass sie hierbei insbesondere auch die Bedürfnisse von behinderten Kindern – jedenfalls im Rahmen ihrer Zuständigkeiten – berücksichtigen wird. Es ist deshalb beschlossen worden, dass die Stadt bei der aktuellen Krippenausbauplanung auch die Schaffung von bis zu 20 Plätzen für unter Dreijährige mit Behinderung vorsieht. Diese Zahl entspricht den entsprechenden Kalkulationen einer Bedarfsdeckung. Zurzeit befindet sich darüber hinaus im Ratsverfahren die Drucksache Nr. 0621/2009.

Mit dem Projekt des „Rut-Bahlsen-Zentrums für integrative Erziehung“ plant die Stadt – mit erheblicher finanzieller Unterstützung der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung – die erste Kindertagesstätte, in der behinderte und nicht behinderte Kinder durchgängig vom Krippen- über das Kindergarten- bis zum Hortalter gemeinsam betreut werden können. Modellhaft wird in dieser Fünf-Gruppen-Einrichtung ein Platzangebot für 16 Kinder eingerichtet. Zusätzlich ist in dieser Einrichtung eine gezielte Elternberatung für Eltern mit betreuungsbedürftigen Kindern vorgesehen.

Unabhängig davon ist es fachliche Position der Stadt Hannover, die integrative Erziehung auch in Krippen und Horten so umzusetzen, wie sie bisher für den Bereich der Kindergartenplätze im Nds. Kindertagesstättengesetz verankert ist. Nach unserer Auffassung haben sich die entsprechenden Rahmenbedingungen und Mindestvoraussetzungen in der Umsetzung der integrativen Erziehung bewährt und können fachlich als notwendig und ausreichend erachtet werden. Dies würde eine analoge Anwendung der so genannten 2. DVO Nds. KiTaG mit den entsprechenden Qualitätsstandards auch für die Krippen- und Hortgruppen bedeuten. Der Niedersächsische Städtetag befürwortet ebenfalls die vorgenannte Sichtweise.

Eine entsprechende Regelung durch den Landesgesetzgeber bleibt abzuwarten.



Es gilt das gesprochene Wort