Informationsdrucksache Nr. 0582/2016:
Winterdienst in der Landeshauptstadt Hannover – Abschluss des Testes „Solesprühung auf Radwegen im Winterdienst“

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
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0582/2016
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Winterdienst in der Landeshauptstadt Hannover – Abschluss des Testes „Solesprühung auf Radwegen im Winterdienst“

Der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) nimmt für die Landeshauptstadt Hannover die Aufgaben der Stadtreinigung und des Winterdienstes wahr (§ 4 Verbandsordnung aha). Auf einer Teststrecke wurde von aha der Winterdienst auf Radwegen nach Göttinger Vorbild durchgeführt (Antrag 1191/2013 und DS 2278/2013). Die Auswertung des Testes und daraus resultierende Maßnahmen durch aha sind Gegenstand dieser Drucksache.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Vom Winterdienst sind alle gesellschaftlichen Gruppierungen gleichermaßen betroffen.

Kostentabelle

Der das Allgemeininteresse widerspiegelnde und aus dem städtischen Haushalt zu finanzierende Stadtanteil beträgt 25% der Gesamtkosten für die Stadtreinigung und den Winterdienst. Außerdem trägt die Landeshauptstadt Hannover als Anliegerin die vollständigen Kosten auf Flächen vor städtischen Grundstücken.


Sachverhalt / Ausgangslage

Im Rahmen der Erweiterung und Verbesserung des Winterdienstes auf Radwegen und Fahrradstraßen im Stadtgebiet Hannover (siehe auch Anlage 1 – Haushaltsbegleitantrag zum HPL 2014 zur Erweiterung des Winterdienstes auf Radwegen) wurde von aha erstmals zum Winterdienst 2013/2014 eine neue Räum- und Streutechnik auf ausgewählten Fahrradstrecken erprobt.

Im Winterdienst hat die Gewährleistung der Verkehrssicherheit im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oberste Priorität. Der in Hannover durchgeführte differenzierte Winterdienst setzt aggressive und grundsätzlich umweltschädliche Mittel wie z.B. Streusalz nur dort ein, wo es sinn- und statthaft und erforderlich ist. Hierbei wird immer wieder erprobt, wie notwendiger Streumitteleinsatz durch verbesserte Techniken weiter minimiert werden kann.

Seit mehreren Jahren wird im Winterdienst der Stadt Göttingen auf ausgewählten Fahrradstrecken ein bundesweit neuartiges Verfahren getestet. Hierbei wird eine Räumung der Strecken von Schnee mithilfe eines Winterdienstfahrzeuges mit Vorräumbesen durchgeführt. Anschließend erfolgt mithilfe einer speziellen Sprühtechnik am Fahrzeug eine Benetzung der Fläche mit einer reinen Flüssigstreuung. Göttingen greift hier auf Natursole (Wasser-/Salzgemisch) einer naheliegenden Saline zurück und verwendet diese ohne weitere Verdünnung oder Verarbeitung. Der Salzgehalt dieser Natursole beträgt 26,5% Natriumchlorid (NaCl). Mit der Verwendung dieses Verfahrens kann die Stadt Göttingen seit mehreren Jahren eine verkehrssichere und komfortable Räumung und Streuung der ausgewählten Fahrradstrecken unter Minimierung des eingesetzten Salzanteiles sicherstellen.

Im Winterdienst im Stadtgebiet Hannover wurde bis vor ca. 6 Jahren nur eine Räumung ausgewählter Fahrradstrecken und bei Bedarf eine zusätzliche Bestreuung mit Sand vorgenommen. Splitt wird auf Radwegen wegen potentieller Beschädigungen von Bereifungen grundsätzlich nicht eingesetzt. Vor 6 Jahren wurden dann aufgrund des steigenden Radverkehrsanteils erstmalig ca. 150 km Fahrradstrecken in die oberste Dringlichkeitsstufe des Winterdienstes aufgenommen, die seitdem auch prioritär geräumt und ggfs. mit Auftaustoffen bearbeitet werden. Dies trug bereits zu einer erheblichen Verbesserung für den Fahrradverkehr im Winter bei.

Mit dem beiliegenden Haushaltsbegleitantrag zum HPL 2014 wurden die D1-Radwegestrecken dann auf 250 km erweitert. Im selben Zeitraum wurde das „Göttinger-Modell“ bundesweit bekannt und der hannoversche Winterdienst hat die testweise Erprobung dieses Verfahrens zum Winterdienst 13/14 begonnen.

Die testweise Erprobung des neuen Verfahrens war notwendig, weil es zwar sehr gute Erfahrungen in Göttingen mit reiner Solestreuung auf Radwegen gab, aber keine belastbaren Berichte/Gutachten etc. zur neuen Streutechnik vorhanden waren. Zudem existierten keine auswertbaren Daten, die den tatsächlichen Salzeinsatz im Praxisverbrauch, auch im direkten Vergleich mit einer Referenzstrecke, die im üblichen Verfahren geräumt und gestreut wird, dokumentierten.

Zudem mussten, bei unterschiedlichen Wetterlagen und unter jederzeitiger Wahrung der Verkehrssicherheit, die Auswirkungen der verschiedenen Streustoffe und deren Dosierung exakt beobachtet, dokumentiert und ggfs. die Methodik angepasst werden. Die Leistungsfähigkeit von Auftaustoffen und deren sinnhafter Einsatz ist u.a. sehr stark von der vorhandenen Witterung (Eis-, Schnee-, Reifglätte), den Straßenbelägen und der Bodentemperatur abhängig.

Die Fahrzeugtechnik zur Ausbringung der reinen Solestreuung unterscheidet sich deutlich von der herkömmlichen Methode: anstatt mit einem Keilpflug zur Räumung an der Fahrzeugfront und einem Verteilteller für das Streumittel an der Heckseite des Winterdienstfahrzeuges wurde ein Fahrzeug mit Vorräumbesen und Solesprühbalken ausgerüstet (siehe Anlage 2 – Bilder von herkömmlichen bzw. neuer Fahrzeugtechnik). Das Solesprühfahrzeug wurde in den Winterdienstperioden 13/14, 14/15 und 15/16 auf einer Teststrecke im Stadtteil List erprobt. Direkt angrenzend wurde ein herkömmliches Winterdienstfahrzeug auf einer vergleichbaren Referenzstrecke eingesetzt (siehe Anlage 3 – Grafische Darstellung von Test- und Referenzstrecke).

Auf der Teststrecke wurde eine Räumung mit einem Vorräumbesen und anschließender reiner Sole-Flüssigstreuung (22%ige Magnesiumchlorid Lösung/MgCL) durchgeführt. Auf der Referenzstrecke wurde ein Fahrzeug mit Keilpflug zur Vorräumung mit anschließender Trockenstreuung (Natriumchlorid/NaCl) eingesetzt.

In Hannover wird seit vielen Jahren MgCL-Sole für die Zubereitung des Feuchtsalzes verwendet. Während NaCL-Sole bis ca. minus 6 Grad effektiv einsetzbar ist, kann MgCL-Sole (bei nur geringen Mehrkosten in der Beschaffung) bis zu minus 20 Grad verwendet werden. Die grundsätzliche Verwendung nur einer Soleart (NaCL oder MgCL) führt zu einer verbesserten Transport- und Einsatzlogistik, weil sonst temperaturabhängig beide Solearten vorgehalten werden müssen. Um im Rahmen des Testverfahrens (vergleichbar zu Göttingen) nicht zusätzliche NaCL-Kapazitäten anzuschaffen und vorzuhalten, wurde der Test ausschließlich mit der vorhandenen MgCL-Lösung betrieben. Zukünftig wäre aber auch ein NaCL-Einsatz im Rahmen zunehmend reiner Solestreuung denkbar. Beide Solearten verhalten sich grundsätzlich ähnlich, MgCL ist im Einsatz flexibler verwendbar, aber dafür etwas teurer.

Für den Testzeitraum wurden folgende Daten von den beteiligten Betriebsstätten Mengendamm (Teststrecke) und Sandstraße (Referenzstrecke) zu den Einsätzen erfasst:
· Datum, Einsatzbeginn, Einsatzende
· Wetterlage, Niederschlag, Temperatur Boden / Luft
· Gefahrener Einsatz, Rüstzeit, Streulänge KM
· Verbrauch Salz, Verbrauch Sole
· Bemerkungen zu besonderen Vorkommnissen etc.


Fazit und weiteres Vorgehen

Die aggregierten Daten zu den o.g. Ausführungen sind in Anlage 4 – Tabellarische Darstellung zur Auswertung der Streumittelverbräuche - beigefügt. Nach den jetzt dreijährigen Erfahrungen und unter Auswertung der eingesetzten Räum- und Streutechniken hat sich die reine Solestreuung auf Radwegen bewährt.

Im Winterdienst 13/14 wurde mit teilweise sehr geringen Aufbringungsmengen von 15-20 ml Solestreuung getestet. Dies entspricht bei einer 22%igen Solemischung einem Salzanteil von ca. 3,3 bis 4,4 g je Quadratmeter. Diese Menge war teilweise zu gering angesetzt, so dass immer wieder nachgearbeitet werden musste. Dies hat zu logistischen Problemen und vermehrten Beschwerden geführt, weil die Teststrecke teilweise nicht optimal präpariert war. Zudem ist es auch betriebswirtschaftlich ungünstig, weil die stetigen Nachbearbeitungen relativ teuer sind.

Deshalb wurde in der Winterdienstperiode 14/15 mit einer Soleausbringung von grundsätzlich 25-30 ml/qm getestet. Letztendlich hat sich die Ausbringung von 30 ml Sole je Quadratmeter als die optimale Streuausbringung unter den meisten Bedingungen/Wetterlagen herausgestellt. Diese Ausbringung wurde in der derzeitigen Winterdienstperiode laufend getestet und verwendet und hat sich sehr gut bewährt.

Der Einsatz von 30 ml Sole entspricht einem Salzeinsatz von 6,6 Gramm je Quadratmeter und liegt sehr deutlich unter der Referenzstrecke, bei der nur mit mind. 20 g Trockensalz eine gleich gute Verkehrssicherung erreicht werden konnte. Dies entspricht einer Salzeinsparung bei gleich guter Fahrbahnpräparierung von ca. 67%.

Während der Testphase wurden auch bundesweit Erfahrungen mit anderen kommunalen Winterdiensten ausgetauscht. Im Rahmen des „Göttinger Modells“ werden grundsätzlich ca. 30-40 ml 26,5%ige Natriumchlorid Lösung ausgebracht. Dies entspricht einem Salzeinsatz von ca. 8 bis 11 g pro Quadratmeter. Bei reiner Reifglätte kann der Einsatz in Göttingen auf bis zu 10-20 ml/qm reduziert werden. Dies entspräche einem Salzeinsatz von ca. 2,7 bis 5,3 g Salz je Quadratmeter.

Aufgrund der sehr guten Erfahrungen wird aha den Solebetrieb auf Radwegen sukzessive ausbauen um bei gleichbleibend hoher Verkehrssicherheit die Umweltbelastung weiter zu reduzieren. Zusätzlicher Vorteil der reinen Flüssigstreuung ist das punktgenaue Dosieren der eingesetzten Streumittel. Da reine Solestreuung aber nur bis ca. minus 10 Grad Bodentemperaturen effektiv ist, werden zukünftige Anschaffungen in neue Fahrzeugtechnik mit Kombigeräten erfolgen, die sowohl für Sole- als auch für Feuchtsalzstreuung und zudem auch in der Sommerreinigung eingesetzt werden können. Um den Investitionsetat nicht zusätzlich zu belasten, wird ein sukzessiver Austausch nach jeweiliger Abschreibung/Aussonderung der Altfahrzeuge erfolgen.

20.21 / aha
Hannover / 07.03.2016