Das Grundstück in der Heymesstraße wurde von der Stadt Hannover im Herbst 2015 unter dem Druck dringender Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften erworben. Bei der planungsrechtlichen Beurteilung wurde zu dem Zeitpunkt noch von der Nutzung durch eine Wohngemeinschaft ausgegangen. Die Klage, den Betrieb der Inobhutnahmestel-
le für minderjährige Flüchtlinge einzustellen, wurde eingestellt, da eine Baugenehmigung erteilt wurde. Gegen diese läuft zurzeit ein Widerspruchsverfahren.
Mit der Änderung des Bebauungsplans durch die Umstellung der Art der Nutzung auf die Baunutzungsverordnung (BauNVO) von 2013 wird der Gebietscharakter nicht geändert. Das uneingeschränkte Primat des Wohnens bleibt im Vordergrund, der Schutzanspruch des uneingeschränkten Wohnens bleibt der eines reinen Wohngebiets. Ausnahmsweise sollen spezifische Wohnnutzungen, d.h. Wohnfolge- sowie wohnartige Einrichtungen wie Alteneinrichtungen, Fürsorgeeinrichtungen, Asylbewerberunterkünfte, Obdachlosenhei-
me oder Jugendtreffs ermöglicht werden.
Ein Vergleich der Zulässigkeitskataloge des § 3 der BauNVO 1977 mit dem der BauNVO 2013 zeigt, dass diese hinsichtlich der nach Absatz 2 allgemein zulässigen Nutzungen identisch sind. Nennenswerte Veränderungen sind im Katalog der ausnahmsweise zu-
lässigen Nutzungen zu finden. Das 1977 bestehende Nutzungsspektrum wurde bereits 1990 ergänzt um „sonstige Anlagen für soziale Zwecke sowie den Bedürfnissen der Be-
wohner des Gebiets dienende Anlagen für kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke“. In der Bundesratsdrucksache 354/89, die die Änderung der Bau-
nutzungsverordnung im Jahr 1990 zum Inhalt hatte, waren als Beweggrund für diese Änderung die um 1990 auftretenden schnellen urbanistischen Veränderungen (insbe-
sondere erhöhter und dringender Bedarf an Altenpflegeeinrichtungen und an Unterkünf-
ten für Asylbegehrende/Flüchtlinge) benannt. Die Ergänzung des Katalogs der aus-
nahmsweise zulässigen Nutzungen ist für die Zulassung der vorgenannten Wohnfolge- und wohnartigen Nutzungen erforderlich, unabhängig vom Vorhaben Heymesstraße 35.
Bei den künftig ausnahmsweise zulässigen Nutzungen ist zu berücksichtigen, dass auf ihre Zulassung kein Rechtsanspruch besteht. Die Stadt ist vielmehr verpflichtet, im Prüf-
verfahren ihr Ermessen fehlerfrei auszuüben. Bei den dabei anzustellenden Überlegun-
gen muss sie sich auch die aus der Situation erkennbaren Interessen der betroffenen Nachbarschaft vor Augen führen und beachten, dass durch Ausnahmegewährungen die Plankonzeption nicht durchbrochen und der Gebietscharakter insgesamt nicht verändert werden darf. Andererseits darf sie in die Ermessensausübung den Umstand einstellen, dass ein „stabiles Einfamilienhausgebiet“ die Aufnahme von bestimmten nur ausnahms-
weise zulässigen Nutzungen besser verkraftet, als ein Siedlungsgebiet mit einer weniger ausgewogenen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch der Anteil der selbstgenutzten Wohnungen / Gebäude ist.
Die Beweggründe für die Änderung des Nutzungskataloges des § 3 durch die BauNVO 1990 liegen derzeit noch bzw. erneut vor. Durch die neu ermöglichten ausnahmsweise zulässigen Nutzungen ist eine Konkurrenz der Nutzungen zwischen Wohnen und den Wohnfolge- bzw. wohnartigen Nutzungen möglich. Doch auch angesichts des derzeitig angespannten Wohnungsmarktes ist dies verkraftbar - geht es doch jeweils nur um einzelne Wohnungen/Gebäude.
In den Stellungnahmen wird zur Unzulässigkeit der Umplanung verschiedentlich auf ein Urteil des OVG Lüneburg vom 26.10.2011 (1 KN 207/10, zitiert nach juris) Bezug genommen. Nach Auffassung der Verwaltung betraf diese Entscheidung einen Sonderfall und die aufgeführten Gründe treffen auf das vorliegende Verfahren nicht zu. Das OVG hat in diesem Urteil grundsätzlich die Berechtigung der Gemeinde anerkannt, zum Zwecke der Erweiterung des Nutzungsspektrums eine neue Fassung der BauNVO einzuführen, in dem konkreten Fall die Planung aber u. a. deshalb bemängelt, da die Änderung auf einen „rein zufällig bestimmten Teilbereich des Bebauungsplanes“ beschränkt worden war (OVG, a.a.O, Rz. 37 ff.). Die vorliegende Änderungssatzung erfasst den gesamten Bereich des Bebauungsplanes, die Bedenken greifen daher nicht durch. Auch das vom OVG besonders hervorgehobene Vertrauen der dortigen Eigentümer/innen in ein Wohngebiet mit einem „herausgehobenen Charakter“ mit dem Ziel, „ein besonders ansprechendes, großbürgerliches Ambiente für den gehobenen Wohnungsbau zu schaffen“ (OVG, a.a.O, Rz 47 f.) trifft für dieses Wohngebiet nicht zu und es sind keine relevanten Umstände ersichtlich, die ein schützenswertes Vertrauen in eine unveränderte Beibehaltung der bestehenden Strukturen ergeben, zumal die Änderung aufgrund der ausnahmsweisen Zulassung nur in geringem Umfang eine Wandlung bewirkt und der Charakter des Gebietes allenfalls geringfügig geändert wird. Insgesamt betraf die damalige Entscheidung einen Sonderfall und kann daher nicht auf das aktuelle Verfahren übertragen werden.
Nach den statistischen Erhebungen der Stadt Hannover leben in den Wohngebieten in Bemerode zwischen Südschnellweg im Norden und Stadtbahn im Süden östlich der Brabeckstraße ca. 1150 Menschen über 65Jahren; das entspricht ca. 24,8 % der Bevölkerung (Stand 1.1.2016). Davon ist über die Hälfte älter als 75Jahre.
Der Zuzug junger Familien konnte den steigenden Altersdurchschnitt bis zum 1.1.2016 nicht ausgleichen. Im Hinblick auf die Behauptung, die absolute Zahl sei für eine Senioreneinrichtung viel zu gering, spricht die festgestellte Zahl von fast 600 Personen über 75 Jahren für sich.
In der Stellungnahme wird auf § 25a BauNVO hingewiesen mit der Behauptung, der Bundesgesetzgeber wolle gerade Gebiete, die auf der Grundlage der BauNVO 1977 festgesetzt worden seien, anders behandelt wissen. Bei dem Paragrafen handelt es sich um die Überleitungsvorschrift, die regelt, wie mit Bebauungsplänen umzugehen ist, während deren Verfahren die BauNVO geändert wurde. Unabhängig davon liegt es im Ermessen der Gemeinde, bestehende Bebauungspläne an die aktuelle Baunutzungs-
verordnung anzupassen.
Angesichts des Umfangs der vorhandenen Wohnbevölkerung im Plangebiet und des dadurch verursachten Verkehrs sind die zusätzlich durch eine soziale Einrichtung zu erwartenden Verkehrsmengen kaum wahrzunehmen. Lärm, zusätzlicher Verkehr oder andere faktische Beeinträchtigungen sind durch die Erweiterung der ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nicht zu erwarten.
Nördlich der Angerstraße war ein Flüchtlingswohnheim geplant. Wie bereits in der Drucksache 2087/16 erläutert, ist die Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge seit Februar 2016 gesunken. Deshalb strebt die Landeshauptstadt – bis auf weiteres - eine stadtweite Unterkunftskapazität von mindestens 5.000 Plätzen in Wohnungen, Wohnprojekten und Wohnheimen an. Die Flüchtlingsunterkunft Angerstraße wird deshalb bis auf weiteres nicht weiter verfolgt.
Dem Planungsrecht ist ein Gebot des Milieuschutzes nicht zu entnehmen. Deswegen stellen Veränderungen des Wohnumfeldes ebenso wie eine hieraus vermeintlich entste-
hende Grundstückswertminderung für sich allein grundsätzlich keine eigenständigen Ab-
wägungsposten dar. Der Verkehrswert eines Grundstückes hängt von zahlreichen – auch planungsunabhängigen – Faktoren ab. Abwägungserhebliches Gewicht kann insoweit nur den konkreten Auswirkungen zukommen, die von dem geplanten Vorhaben faktisch ausgehen. Ein Eingriff in die ausgeübten Nutzungen oder andere faktische Beeinträch-
tigungen finden hier jedoch nicht statt.
Es ist weiterhin Ziel der Stadt, reine Wohngebiete nach altem Recht auf die aktuelle BauNVO umzustellen. Für den benachbarten Bebauungsplan Nr. 813 gilt zwar die alte Baunutzungsverordnung, da aber keine reinen Wohngebiete festgesetzt sind, ist eine Nutzungsmischung bereits möglich. Für die benachbarten Bebauungspläne 1046 und 1048 ist weiterhin beabsichtigt, Änderungsverfahren durchzuführen.
Ein Bebauungsplan darf im beschleunigten Verfahren nur durchgeführt werden, wenn in ihm eine zulässige Grundfläche von weniger als 20.000m² festgesetzt wird. Dabei sind Bebauungspläne, die in einem sachlichen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang aufgestellt werden, mitzurechnen. Die Werte für das Maß der Nutzung werden aus dem zu ändernden Bebauungsplan übernommen. Dies gilt ebenso für die beabsichtigten Änderungen der benachbarten Bebauungspläne.
Der Änderungsbebauungsplan regelt lediglich eine geringfügige Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten bei ansonsten unverändert bestehend bleibenden Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung. Insofern ist hier ein beschleunigtes Verfahren zulässig.