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0461/2016 (Originalvorlage) |
Beratungsverlauf:
- 11.03.2016: Kulturausschuss: Zur Kenntnis genommen
Nachrichtlich:
- Verwaltungsausschuss
- Stadtbezirksräte 01 - 13
0461/2016 (Originalvorlage) |
Informationsdrucksache | ||||||||||
In den Kulturausschuss An den Verwaltungsausschuss (zur Kenntnis) An die Stadtbezirksräte 01 - 13 (zur Kenntnis) |
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Die Bücherschränke in Hannover sind eine Erfolgsgeschichte! In 10 Jahren wurden im Stadtgebiet 34 Bücherschränke aufgestellt und in Betrieb genommen. Übernommen wurde die Idee darüber hinaus in vielen Kommunen der Region Hannover und sogar weit darüber hinaus. Wie kam es dazu? Wer waren die Ideengeber und Initiatoren?
1. Entstehungsgeschichte – Ursprünge
Die „offene Bibliothek“ wurde von den amerikanischen Künstlern Michael Clegg und Martin Guttmann als Objektinstallation im öffentlichen Raum und als „soziale Skulptur“ entwickelt. Zuerst in Graz (1991), dann in Hamburg (1993) und später in Mainz (1994) wurden Bücherschränke, meist aus umgebauten Schaltschränken, in verschiedenen Stadtteilen aufgestellt oder umgerüstet. Genutzt werden konnten die Schränke, um Bücher einzustellen, zu entnehmen oder zu tauschen. Erkennbar werden sollte das Lese- und Kommunikationsverhalten der BewohnerInnen des jeweiligen Stadtteils. Ablesbar war die ganze Bandbreite nicht reglementierter sozialer Interaktion. Sie reichte von mutwilliger Zerstörung über begeisterte Annahme bis hin zu Bürgerinitiativen zur Fortsetzung des Projekts.
In Darmstadt (1996) und Bonn (2002) setzten diese Idee anschließend andere Akteure um.
2. Entstehungsgeschichte in Hannover - ein Auftrag und seine Folgen
Im September 2004 beschloss der Verwaltungsausschuss einstimmig den Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN (DS 0930/2004) und beauftragte die Verwaltung, „das Projekt offene Bücherschränke, welches in Bonn, Mainz, Darmstadt und anderen Städten erfolgreich umgesetzt worden ist, auch in Hannover einzuführen. Dabei handelt es sich um ein Projekt der offenen Bücherschränke, die von allen Bürgerinnen und Bürgern eines Stadtteils gemeinsam genutzt werden können. Gespendete Bücher können von allen Interessierten kostenfrei ausgeliehen oder auch gegen andere Bücher ausgetauscht werden. Vorab ist zu prüfen, welcher Standort für dieses Projekt geeignet erscheint, ob es ggf. im Rahmen des Projekts Soziale Stadt eingebunden wird und ob ein Kulturtreff o.a. eine “Patenschaft" übernehmen kann.“
In der Begründung hieß es, dass die offenen Bücherschränke konzeptionell eine „experimentelle Herausforderung“ darstellen, dieses Projekt sowohl Kunst und Bildung im öffentlichen Raum als auch soziale und nachbarschaftliche Prozesse anregt und damit den jeweiligen Stadtteil bereichert.
Beauftragt mit der Umsetzung dieses Auftrags wurde der Bereich Stadtteilkultur. Es dauerte über ein Jahr, bis der erste Bücherschrank aufgestellt und eingeweiht werden konnte. Zu klären waren viele Fragen im Zusammenhang mit dieser „experimentellen Herausforderung“:
Mit dem Werkstatt-Treff konnte auch ein Partner gefunden werden, der anfallende Reparaturen übernahm, im Laufe der nächsten Jahre aber auch immer wieder Verbesserungen und Optimierungen bezüglich des Materials oder der Funktionalität umsetzte.
Erster Stadtteil, um das Experiment zu starten, wurde Stöcken. Der Schrank fand seinen Standort im November 2005 in der Ithstraße, mitten im Quartier, das im Jahr 2007 Programmgebiet Soziale Stadt wurde. Im nächsten Jahr wurden bereits ein zweiter Schrank in Limmer und ein dritter Schrank in Hainholz eingeweiht. In den folgenden Jahren verkürzten sich die Abstände, denn die Nachfrage aus den Stadtteilen wuchs stetig. Der Werkstatt-Treff Mecklenheide hatte mitunter Lieferschwierigkeiten, sodass eine Warteliste geführt werden musste. Nachdem der erste Schrank aus Mitteln der Stadtteilkultur finanziert wurde, engagierten sich für alle folgenden Schränke Stadtbezirksräte, Quartierfonds, die örtlichen Sparkassen oder andere Spender und Geldgeber. Viele Stadtbezirksräte beschlossen die Aufstellung von Bücherschränken in ihren Stadtbezirken und stellten gleichzeitig die Finanzierung durch eigene Mittel sicher. Mittlerweile stehen im Stadtgebiet von Hannover 33 Bücherschränke. Der Bücherschrank fand auch in der Region Hannover und weit darüber hinaus Interesse. Seit 2005 wurden vom Werkstatt-Treff insgesamt 73 Bücherschränke gefertigt und aufgebaut. Neben vielen lokalen Presseveröffentlichungen wurde über Hannover und die Bücherschranke auch überregional berichtet. (Anlage 2 und 3)
3. Erfahrungen und Erlebnisse
Eine der ersten Erfahrungen nach der Aufstellung des Stöckener Schranks war, dass mit dem Schrank endlich eine Möglichkeit bestand, gelesene Bücher ohne großen Aufwand auch anderen zur Verfügung stellen zu können. Bücher wirft man nicht einfach in den Altpapiercontainer, sondern lagert sie lieber - wenn nötig - an dunklen Orten wie Kellern oder Dachböden. Nach der ersten Pressemeldung gab es daher viele Rückmeldungen, die von: „Endlich kann ich meine Bücher noch an andere weitergeben! Bücher kann man doch einfach nicht wegwerfen….“ über: „In meinem Keller habe ich zwei Kisten mit Büchern, die keiner haben will. Können Sie die bitte abholen?“ bis zu: „Ich möchte einen Schrank für unsere Straße bestellen!“ reichten. Mit anderen Worten: die Resonanz aus der Bevölkerung war überwiegend äußerst positiv. Vereinzelt gab es allerdings auch Rückmeldungen, in denen prophezeit wurde, dass ein solcher Schrank keine Überlebenschance hätte, sondern sicherlich sofort zerstört würde.
Nach gut 10-jähriger Erfahrung kann man jedoch sagen, dass letztere Befürchtung nur in seltenen Fällen eintraf. Die Bücherschränke werden von den StadtteilbewohnerInnen sofort angenommen. Sie werden als Gemeinschaftseigentum, als „unser Bücherschrank“ betrachtet, als öffentliches Angebot im städtischen Raum und man „kümmert“ sich. Die Erstausstattung mit Büchern bei der Eröffnung ist meist opulent und alle Genres bis hin zum Kochbuch sind vertreten. Das Prinzip des Tauschens wird verstanden und praktiziert, auch wenn nicht jeder einzelne gleichermaßen geben und nehmen kann oder die Einschätzung, welche Bücher unbedingt noch gelesen werden sollten, auseinandergeht.
Natürlich kamen und kommen Schäden durch mutwillige Zerstörung vor. Sie stellen aber eine Ausnahme dar. Dabei spielen das Image eines Stadtteils und die Annahme, dass die Bücherschränke in bestimmten Stadtteilen eher beschädigt werden, keine erkennbare Rolle. Grundsätzliche Erfahrung ist: je öffentlicher der Standort, desto besser für den Bücherschrank.
3.1 Größere Schäden oder Vorfälle
In einem Fall wurde der Bücherschrank in Ledeburg von Unbekannten in Brand gesetzt, im anderen Fall wurden in der Silvesternacht in Hainholz Feuerwerkskörper im Bücherschrank gezündet und der Schrank damit unbrauchbar. Im Nachgang eines Fußballspiels in Hannover im Jahr 2013, wurde der Bücherschrank in der Calenberger Neustadt mutmaßlich von frustrierten Fußballfans umgekippt, konnte aber ohne größere Reparaturen wieder aufgestellt werden. Ebenso ein Vorfall in Ahlem, bei dem der Bücherschrank aus der Verankerung gerissen wurde.
Aufgrund mehrerer kleiner Sachbeschädigungen wurde im Jahr 2012 gemeinsam mit allen Beteiligten beschlossen, den Bücherschrank in Ricklingen von seinem Ursprungsstandort an der Wallensteinstraße mehr in den „Vordergrund“ d.h. mehr an die Straße zu versetzen.
3.2 Jährlicher Reparaturaufwand
Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen, dass durchschnittlich pro Jahr rund 2.000,00€ für Reparaturen an den Bücherschränken aufgewendet werden müssen. Diese Kosten beinhalten sowohl den Austausch / die Reparatur kleinerer Elemente (wie z.B. Griffe und einzelne Klappen) als auch die Generalüberholung des kompletten Korpus einzelner Schränke.
Verteilt auf alle Bücherschränke bedeutet dies, ein Schrank verursacht im Jahr durchschnittlich Reparaturkosten in Höhe von rund 60,00€.
3.3 Bücher machen Freude – Verschenken, entdecken, tauschen
Wann ist ein Bücherschrank erfolgreich? „Erfolgreich“ bedeutet in diesem Fall:
- Wie hoch ist die Nutzungsintensität und Anzahl der NutzerInnen?
- Wechselt der Buchbestand häufig und gibt es Bücher für
unterschiedliche Zielgruppen und Interessen?
- Ist der Schrank ein Treffpunkt für Nachbarn, ein Ort für Begegnung und Kommunikation?
- Übernehmen die Menschen Verantwortung für diesen öffentlichen Raum und kümmern sich darum, dass alle ihn nutzen können?
Neben den Erfolgsfaktoren „Standort, Publikumsverkehr, Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit“ ist ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor die „Bücherschrankpatin / der Bücherschrankpate“. Paten können sowohl Privatpersonen, Geschäftsleute, Initiativen, Vereine oder Institutionen sein. Das freiwillige Engagement für den Bücherschrank bedeutet:
Da an jedem Schrank eine Telefonnummer der Stadtverwaltung zu finden ist, gibt es einige Anrufe von BücherschranknutzerInnen. Neben verschiedenen kleinen Schäden, die darüber gemeldet werden, kommen dann allerdings auch Fragen, die deutlich machen, wie vielfältig die Nutzungen und auch Probleme sein können. Da wird z.B. gefragt,
4. Verteilung im Stadtgebiet
Ort | Adresse | Aufstellung | andere Beteiligte | |
1 | Stöcken | Ithstraße / Stadtteilradioladen | Nov. 05 | GBH, Quartiersmanagement Stöcken |
2 | Limmer | Tegtmeyerstraße U-Limmerschleuse | Sep. 06 | StBR Linden-Limmer, AG Limmerscher Vereine |
3 | Hainholz | Voltmer-/Bömelburgstraße, Alice-Salomon-Schule | Nov. 06 | Quartiersfond Hainholz, Schülerfirma Paul-Dohrmann-Schule |
4 | Calenberger-Neustadt | Neustädter Markt | Sep. 07 | StBR Mitte, Sparkasse |
5 | List | Jakobistraße 31 | Nov. 07 | StBR Vahrenwald-List |
6 | Mitte | Marktkirche/-platz | Sep. 07 | StBR Mitte, Sparkasse |
7 | Davenstedt | Davenstedter Marktplatz | Jun. 08 | StBR Ahlem-Badenstedt-Davenstedt, Sparkasse, Hann. Volksbank |
8 | Ahlem | Wunstorfer Landstraße 50a, Martin-Luther-Kirche | Sep. 08 | StBR Ahlem-Badenstedt-Davenstedt, Sparkasse, Hann. Volksbank |
9 | Linden-Süd | Charlottenstraße, Haspelmathstraße | Dez. 08 | Stadtteilaktivkasse, StBR Linden-Limmer |
10 | Bothfeld | Kurze-Kamp-Straße/ ggü Einsteinstraße | Apr. 09 | StBR Bothfeld, KT Bothfeld |
11 | Ricklingen | Wallensteinstr. ggü.Butjerbrunnenplatz | Apr. 09 | StBR Ricklingen, Sparkasse |
12 | Bornum | Ludwig-Gleue-Weg/Im Dorfe | Apr. 09 | StBR Ricklingen, Sparkasse |
13 | Kleefeld | Ebellstraße/ ggü. Schaperplatz | Aug. 09 | StBR Buchholz-Kleefeld |
14 | Bult | Rimpaustraße / an der Melanchthonkirche | Okt. 09 | StBR Südstadt-Bult, Srarkasse |
15 | Herrenhausen | Herrenhäusener Straße 78 | Nov. 09 | StBR Herrenhausen-Stöcken |
16 | Döhren | Fiedelerplatz | Mrz. 10 | StBR Döhren Wülfel, Fa. Kellner-Bau |
17 | Buchholz | Bussestraße/Läuferweg | Okt. 10 | StBR Buchholz-Kleefeld |
Ledeburg (zurzeit nicht in Betrieb) | Am Fuhrenkampe /Immelmannstr. | Nov. 10 | StBR Herrenhausen-Stöcken | |
18 | Nordstadt | Tulpenstraße/Engelbosteler Damm | Jun. 11 | StBR Nord |
19 | Südstadt | Stephansplatz | Jun. 11 | StBR Südstadt-Bult |
20 | Linden-Nord | Pfarrlandstraße / -Platz | Jun. 11 | StBR Linden-Limmer |
21 | Misburg | Anderter Straße | Sep. 11 | Volksbank |
22 | Bemerode | Bemeroder Rathausplatz | Sep. 11 | StBR Kirchrode-Bemerode-Wülferode |
23 | Anderten | Am Tiergarten | Okt. 11 | StBR Misburg-Anderten |
24 | Badenstedt | Körtingsdorf 1 | Okt. 11 | StBR Ahlem-Badenstedt-Davenstedt |
25 | Vogelsiedlung | Milanstraße /Schwalbenflucht | Apr. 12 | StBR Kleefeld-Groß-Buchholz |
26 | List II | Liliencronplatz | Mai. 12 | StBR Vahrenwald-List |
27 | Kirchrode | Jun. 12 | StBR Kirchrode-Bemerode-Wülferode | |
28 | Sahlkamp | Elmstraße | Okt. 12 | StBR Bothfeld |
29 | Zoo | Friedenskirche, Schackstraße | Nov. 12 | HochTief, GBH, Kind, Schröder-Köpf |
30 | List III | Huneausstraße | Mai. 13 | StBR Vahrenwald-List |
31 | Wülfel | Hildesheimer Str.380 | Dez 12 | StBR Döhren Wülfel |
32 | Vahrenwald | Jahnplatz | Sep 14 | StBR Vahrenwald-List |
33 | Vahrenheide | Vahrenheider Markt | Jul 15 | StBR Bothfeld Vahrenheide |
5. Perspektiven
Am 18.03.2016 wird ein weiterer Bücherschrank im Stadtteil Waldheim und damit der 34. Schrank in Betrieb genommen.
Für 2016 ist geplant, eine Befragung an ausgewählten Standorten durchzuführen, die das Nutzungsverhalten bezüglich der Bücherschränke genauer beleuchtet und auch die Effekte von Tauschen, Teilen und Wiederverwenden untersucht.
Zudem sollen verschiedene Anregungen von BücherschranknutzerInnen auf ihre Umsetzbarkeit geprüft werden. So wurde z.B. vorgeschlagen, zukünftig auch ein Regal für Hörbücher und CDs einzurichten, das entsprechend umgestaltet werden sollte. Vorgeschlagen wurde ebenfalls, eine geeignete Möglichkeit zu finden, mehr Kinderbücher präsentieren zu können. Hierzu werden ebenfalls Überlegungen angestellt und praktikable Umsetzungsmöglichkeiten geprüft.
Da es mittlerweile weltweit Bücherschränke in vielen verschiedenen Varianten gibt, existiert natürlich auch eine entsprechende Internetplattform. Unter https://openbookcase.org/map sind alle bekannten Bücherschränke auf einer Weltkarte mit Standortkoordinaten und Kurzbeschreibung verzeichnet. Hannover ist mit allen Schränken dabei!