Antrag Nr. 0362/2009:
Antrag der Fraktion DIE LINKE. zur Aufforderung zur Klageerhebung gegen die Verlagerung der Fulgurit-Asbestzementhalde auf die Deponie Hannover-Lahe

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0362/2009 (Originalvorlage)

Beratungsverlauf:

Antragsteller(in):

Fraktion DIE LINKE.

Inhalt der Drucksache:

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Antrag der Fraktion DIE LINKE. zur Aufforderung zur Klageerhebung gegen die Verlagerung der Fulgurit-Asbestzementhalde auf die Deponie Hannover-Lahe

Antrag

Die Landeshauptstadt Hannover wird aufgefordert, für den Fall, dass das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Hannover entgegen der städtischen Stellungnahme entscheiden und im Planfeststellungsbeschluss die Asbestverlagerung auf die Deponie Hannover-Lahe genehmigen sollte, sich hiergegen gerichtlich zu wehren und eine entsprechende Klage zu erheben.

Begründung

Hiermit übernehmen wir einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion im Stadtbezirksrat Bothfeld-Vahrenheide

Die Landeshauptstadt Hannover hat sich in der geänderten Endfassung der Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren „Ablagerung Asbestzementschlamm und Asbestzementscherben auf der Deponie Lahe" (DS Nr. 1825/2008 N 1) gegen dieses Vorhaben ausgesprochen. Hierzu heißt es u.a.: „Die Landeshauptstadt Hannover sieht die Notwendigkeit einer Ablagerung von asbesthaltigen Abfällen aus der Herstellung von Asbestzement aus einer privaten Altablagerung in Wunstorf-Luthe (Fulgurit-Halde) in einem Monopolder der Deponie Hannover nicht gegeben" (Anlage 1, Seite 1).

Sollte nun das Gewerbeaufsichtsamt entgegen dieser Stellungnahme die Notwendigkeit einer Asbestverlagerung auf die Deponie Lahe bejahen und somit das Vorhaben im Planfeststellungsbeschluss zur Änderung der Deponiegenehmigung zulassen, wird die Stadt Hannover aufgefordert, gerichtlich gegen diese Entscheidung vorzugehen und eine entsprechende Klage zu erheben.

Auf Nachfrage der SPD-Fraktion im Bezirksrat Bothfeld-Vahrenheide zur Entscheidung (DS Nr. 15-1347/2008 S1) wurde jedoch mitgeteilt, dass die Verwaltung keine Anhaltspunkte für eine Klagebefugnis der Landeshauptstadt Hannover in einem entsprechenden gerichtlichen Verfahren sehe (Verwaltungsentscheidung zu DS Nr. 15-1347/2008 Dringlichkeitsantrag zur Verlagerung von Asbestschlamm zur Deponie Lahe - Nachfragen von Bezirksratsherrn Spiegelhauer und Antworten des Bereichs Fachbereichsübergreifende Rechtsangelegenheiten vom 17.10.2008, Seite 2).Hiernach sei die Stadt Hannover durch das Planfeststellungsverfahren weder in ihrer Planungshoheit als Ausgestaltung des verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsrechts verletzt / betroffen, noch ihr Eigentumsrecht als Grundstückseigentümerin in der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Zutreffend ist an diesen Ausführungen, dass eine Klage nur zulässig ist, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein und somit eine Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO besitzt. Nach der herrschenden sog. Möglichkeitstheorie ist für eine Klagebefugnis jedoch nur erforderlich, dass die Möglichkeit der vom Kläger behaupteten Rechtsverletzung besteht (Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 66). Eine Rechtsverletzung soll lediglich dann unmöglich sein, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten subjektiven Rechte bestehen oder ihm zustehen können (Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn. 494). Hauptgrund für die Klagebefugnis ist also die Verhinderung von Popularklagen (Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14 Rn. 56).

In Betracht kommt zunächst, dass die Stadt Hannover durch das Planfeststellungsverfahren/-beschluss möglicherweise in ihrer Planungshoheit verletzt sein könnte. Die sog. Gemeindehoheiten, zu der die Planungshoheit zählt, sind konkrete Ausprägungen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts aus Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG / Art. 57 Abs. 1 NV (Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, Rn. 48, 97) und die kommunale Selbstverwaltungsgarantie stellt nach h.M. auch ein subjektives Recht i.S.d. Art. 42 Abs. 2 VwGO dar (vgl. Nachweise bei Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 138). Die gemeindliche Planungshoheit gewährleistet Schutz gegen Maßnahmen, die bestehende Planungen oder hinreichend konkrete planerische Vorstellungen der Gemeinde nachhaltig beeinträchtigen (BVerwGE 81, 95 [106]; 90, 96 [101]; 100, 388 [391]) oder-unabhängig davon-jedenfalls„unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art für die klagende Gemeinde haben" (BVerwGE 90, 96 [10 1 ]; 97, 203 [211 f]; Kopp/Schenke, VwGO, § 42 Rn. 138). Die Planungshoheit ist somit nicht nur dann verletzt, wenn - wie von der Verwaltung ausgeführt - z.B. durch ein Planfeststellungsverfahren zum Ausbau einer Eisenbahnstrecke die von der Gemeinde vorgesehene Verkehrsplanung nicht durchgeführt werden kann. Im vorliegenden Fall könnte deshalb die schwerwiegende Änderung der Deponiegenehmigung und die Ablagerung von ca. 170.000 t Asbestzementprodukte auf dem Gemeindegebiet der Stadt Hannover eine unmittelbare Auswirkung gewichtiger Art für sie darstellen. Wenn folglich der Planfeststellungsbeschluss eine Asbestablagerung auf der Deponie Lahe befürwortet und damit der Planung der Stadt Hannover, die eine entsprechende Notwendigkeit nicht gegeben sieht bzw. sich gegen dieses Vorhaben gewandt hat, widerspricht, ist eine derartige Beeinträchtigung der Planungshoheit denkbar.

Insoweit besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Klägerin in ihrer Planungshoheit. Ergänzend sei hinzugefügt, dass von der Rechtsprechung die Klagebefugnis einer Gemeinde gegen die Zulassung von Abfallentsorgungsanlagen anerkannt ist (OVG Koblenz, NVwZ 1995, 290 [291]).

Eine Klagebefugnis der Gemeinde als (zivilrechtliche) Grundstückseigentümerin, deren Eigentumsrecht in der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt wurde, wird von der Verwaltung ebenfalls verneint. Es erscheint jedoch fraglich, ob im Hinblick auf die drittschützende Wirkung der Planfeststellung nur betroffenen Bürgern oder Nachbarn (wie z.B. der Gemeinde Isernhagen), nicht jedoch der Landeshauptstadt Hannover als Grundstückseigentümerin eine entsprechende Klagebefugnis zusteht. Vielmehr müsste man mit dem argumentum a fortiori zu der Auffassung gelangen, dass wenn schon Nachbarn eine Klagebefugnis eingeräumt wird, dies doch Erst-recht für die sehr viel stärker betroffene Eigentümerin Stadt Hannover, auf deren Grundstück das Vorhaben realisiert werden soll und die sich dagegen wehren möchte, gilt.

Im Ergebnis erscheint eine Verletzung der Stadt Hannover zumindest in ihrer Planungshoheit und evtl. sogar in ihrem Eigentumsrecht möglich. Die behauptete Rechtsverletzung ist folglich nicht offensichtlich ausgeschlossen und eine Klagebefugnis der Stadt Hannover gem. § 42 Abs. 2 VwGO könnte gegeben sein.

Die Fraktion DIE LINKE ist demzufolge der Auffassung, dass eine Klage der Stadt Hannover durchaus zulässig sein kann und wir fordern sie deshalb auf, gerichtlich ihre Rechte geltend zu machen, um dadurch die Asbestverlagerung auf die Deponie Lahe zu verhindern.

Michael Höntsch
Fraktionsvorsitzender