Drucksache Nr. 0198/2019 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der CDU-Fraktion zu Begehungen des Fachbereichs Gebäudemanagement im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht
in der Ratssitzung am 28.02.2019, TOP 3.2.

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverDrucksachen-Zeichen
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0198/2019 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der CDU-Fraktion zu Begehungen des Fachbereichs Gebäudemanagement im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht
in der Ratssitzung am 28.02.2019, TOP 3.2.

Seitens der Stadtverwaltung wurde in der letzten Sitzung vergangenen Jahres des AWL ausgeführt, dass man sich hinsichtlich der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen lediglich an der Richtlinie des Bundes orientiere und nicht, wie dort empfohlen, alle Immobilien regelmäßig einmal im Jahr durch fachlich geschultes Personal begutachten und Mängel notieren lasse.

Dieser Zeitraum wurde willkürlich auf bis zu 2 Jahre ausgedehnt; eine Mängelmeldung erfolgt bisweilen durch „Zuruf“.

Diese Praxis wurde durch die CDU seit Jahren beklagt und gerügt.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

0. Wer trägt die Verantwortung für die Entscheidung aus dem Jahr 2013, dass entgegen einer bestehenden Richtlinie, keine regelmäßigen Intervalle für Kontrollgänge im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht vereinbart wurden?

0. Aufgrund welcher Qualifikation/ welcher Entscheidung hat die Landeshauptstadt Hannover den Status eines Gutachters übernommen?

0. Wie beurteilt die Rechtsabteilung der LHH generell ein Verhalten der Stadt entgegen einer Richtlinie hinsichtlich von Haftungsthematiken?

Text der Antwort


Anfrage der CDU-Ratsfraktion zu Begehungen des Fachbereich Gebäudemanagement im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht (Drucksache Nr. 0198/2019)

Seitens der Stadtverwaltung wurde in der letzten Sitzung vergangenen Jahres des AWL ausgeführt, dass man sich hinsichtlich der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen lediglich an der Richtlinie des Bundes orientiere und nicht, wie dort empfohlen, alle Immobilien regelmäßig einmal im Jahr durch fachlich geschultes Personal begutachten und Mängel notieren lasse.
Dieser Zeitraum wurde willkürlich auf bis zu 2 Jahre ausgedehnt; eine Mängelmeldung erfolgt bisweilen durch „Zuruf“.
Diese Praxis wurde durch die CDU seit Jahren beklagt und gerügt.


Frage 1: Wer trägt die Verantwortung für die Entscheidung aus dem Jahr 2013, dass entgegen einer bestehenden Richtlinie, keine regelmäßigen Intervalle für Kontrollgänge im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht vereinbart wurden?

Zunächst einmal ist festzustellen, dass keine Entscheidung getroffen wurde, auf regelmäßige Intervalle für Kontrollgänge zu verzichten. Es wurde vielmehr die wiederkehrende, standardisierte und dokumentierte Regelmäßigkeit der Verkehrssicherungsbegehungen vereinbart.

Eine Festlegung der Begehungsrhythmen ist seinerzeit in einem verwaltungsinternen Abstimmungsprozess im Zuge der Stellenplanantragsverfahren erfolgt.

Frage 2: Aufgrund welcher Qualifikation/ welcher Entscheidung hat die Landeshauptstadt Hannover den Status eines Gutachters übernommen?

Bei der Beantwortung Ihrer Frage gehen wir davon aus, dass sich diese auf den Eingangstext der Anfrage bezieht, in dem formuliert ist, dass die Richtlinie des Bundes empfiehlt, die Immobilien „durch fachlich geschultes Personal begutachten und Mängel notieren“ zu lassen.

Weder die von uns zur Entscheidungshilfe herangezogene Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes (RÜV) noch sonstige uns bekannte Regelungen, sehen Gutachter für die hier thematisierten „Verkehrssicherungsbegehungen“ vor. Die Begehung umfasst die regelmäßige Besichtigung der baulichen Anlagen und Sichtkontrolle der sicherheitsrelevanten Bauteile ohne größere Hilfsmittel durch sachkundige Fachkräfte. In der Umsetzung erfolgt dies durch technisches Personal (in der Regel mindestens Handwerksmeister*innen und Techniker*innen) der Bauhauptgewerke hinsichtlich der Begehungen zum Hochbau bzw. bei der technischen Gebäudeausrichtung durch Techniker*innen und Handwerksmeister*innen der jeweiligen Gewerke. Ein gutachterlicher Anspruch ist hier im Gegensatz zu den erforderlichen Pflichtprüfungen (siehe hierzu z.B. § 30 DVO zur NBauO), die durch neutrale Sachverständige (z.B. durch den TÜV, Dekra) – umgangssprachlich auch Gutachter*innen – zu erfolgen haben, nicht gefordert. Solche Prüfungen sind z.B. hinsichtlich der Sicherheitsbeleuchtung, der Brandmeldeanlagen, Lüftungsanlagen und Aufzüge in regelmäßig vom Bauteil abhängigen wiederkehrenden Zyklen erforderlich und werden auch dementsprechend beauftragt.

Die Begehungen umfassen eine Inaugenscheinnahme bzw. Sichtkontrolle aller leicht zugänglichen Hochbau- und Bauteile der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) eines Gebäudes. Das Bauwerk ist hinsichtlich offensichtlicher Mängel oder Schädigungen zu besichtigen. Hochbauseitig erfolgt eine visuelle Überprüfung des sichtbaren Tragwerks. Dächer und Dachböden sind immer zu begehen, alle übrigen begehbaren Räume sollten begangen werden, mit stichprobenartiger Inaugenscheinnahme der einzelnen Bauteile. Von Seiten der Technischen Gebäudeausrüstung sind die Räume mit hohem TGA-lnstallationsgrad zu begehen. Dabei sind die offensichtlichen Sicherheitsmängel und die offensichtlichen baulichen Mängel, die ,,sofort" zu beseitigen sind, stichpunktartig zu dokumentieren und anschließend zeitnah zu beseitigten.

Neben den Begehungen im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht und den oben benannten Sachverständigenprüfungen erfolgen durch die regelmäßigen Wartungsrhythmen zu den technischen Anlagen (z.B. die DGUV3- Prüfungen zu den elektrotechnischen Anlagen) weitere Sicht- und Funktionsprüfungen, die ebenfalls zur Verkehrssicherung beitragen. Daneben werden zum Teil auch Sonderprüfungen, wie zurzeit die Überprüfung der abgehängten Decken durchgeführt und unsere Bauleitungen sind im Zuge von Maßnahmen der baulichen Unterhaltung und/oder Sanierungen zusätzlich vor Ort.

In der Summe ist davon auszugehen, dass im Schnitt die Gebäude häufiger als einmal jährlich durch Mitarbeitende oder Beauftragte des Fachbereiches Gebäudemanagement aufgesucht werden.

Frage 3: Wie beurteilt die Rechtsabteilung der LHH generell ein Verhalten der Stadt entgegen einer Richtlinie hinsichtlich von Haftungsthematiken?

Eine konkrete gesetzliche Festlegung von Begehungsrhythmen ist nicht gegeben. Letztlich liegt es in der Verantwortung der Gebäudebetreiber, die Festlegung der Begehungsrhythmen auf Basis einer Risikoabschätzung im Rahmen der Sorgfaltspflichten festzulegen. Die Richtlinie für die Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes (RÜV) vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) kann hier lediglich als Basis für eine Risikoabschätzung dienen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes (RÜV) in Punkt 2 Geltungsbereich regelt, dass diese Richtlinie nur für die baulichen Anlagen des Bundes gilt, sofern es hierfür keine besonderen Regelungen gibt. Die Richtlinie für die Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes (RÜV) ist kein allgemein gültiger oder gar gesetzlicher Maßstab für die im Rahmen der Verkehrssicherheitspflicht anzuwendende Sorgfalt des Gebäudeeigentümers oder Gebäudenutzers. Im Rahmen einer möglichen Haftung nach § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB würde es daher für einen vom Geschädigten zu beweisenden fahrlässigen Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht des LHH nicht ausreichen, wenn seitens der LHH von den Vorgaben dieser Richtlinie zu den Kontrollintervallen abgewichen wurde. Es muss stets hinzutreten, dass das schädigende Ereignis nachweislich auf einem Mangel des Gebäudes beruht, der im Rahmen einer fahrlässig unterlassenen Kontrolle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgefallen und beseitigt worden wäre. Die vom Geschädigten zu überwindenden Beweishürden für eine Haftung der LHH allein aufgrund von der RÜV abweichender Kontrollintervalle sind also relativ hoch.

Im Rahmen einer Haftung der LHH nach den §§ 836 bis 838 BGB ist die Beweislastverteilung zwar etwas anders geregelt, die rechtliche Relevanz der RÜV ist aber ähnlich gering. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese speziellen Normen aus dem Schadenersatzrecht nur solche Schäden erfasst, die durch den Einsturz eines Gebäudes oder durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes verursacht wurden. Bezüglich dieser Gefährdungen führt OE 19 neben den regelmäßigen Begehungen spezielle Begutachtungen (wie z.B. zurzeit zu den abgehängten Decken oder in der Vergangenheit und dann wieder folgend zu den Deckentragwerken und den vorgehängten Fassaden) durch.
In einem solchen Schadensfall muss der Geschädigte beweisen, dass der Einsturz oder die Ablösung Folge einer mangelnden Bauunterhaltung ist. Gelingt dem Geschädigten dieser Nachweis (in der Regel durch ein Sachverständigengutachten), dann kann sich die LHH dadurch entlasten, dass sie den Nachweis führt, alle Maßnahmen getroffen zu haben, die aus technischer Sicht geboten und geeignet sind, die Gefahr einer Ablösung von Teilen rechtzeitig zu erkennen und ihr zu begegnen.

Im Rahmen dieses Entlastungsbeweises verlangt eine ordnungsgemäße Gebäudeunterhaltung neben anderen Faktoren auch die regelmäßige Überprüfung des baulichen Zustands auf alle Gefahren, mit denen nach der Lebenserfahrung zu rechnen ist, durch zuverlässige und sachkundige Personen. Die Intensität und Häufigkeit der Kontrollen richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach Lage und Nutzung des Gebäudes, Schadensanfälligkeit seiner Konstruktion, Vorschäden etc.

Die Richtlinie für die Überwachung der Verkehrssicherheit von baulichen Anlagen des Bundes (RÜV) kann daher aufgrund ihrer pauschalen Untersuchungsintervalle auch in diesem Zusammenhang nur ein sehr grober Anhalt für die unter regelmäßigen Umständen erforderliche Häufigkeit der Kontrollen darstellen. Sie ersetzt aber keinesfalls die gebotene Einzelfallbetrachtung für jedes Objekt, die sowohl zu längeren als auch zu kürzeren Kontrollintervallen führen kann.