Drucksache Nr. 0136/2022 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der SPD-Fraktion zum Tätigkeitsspektrum der Antidiskriminierungsstelle (ADS) im Zeitraum 01.01.2021 – 31.12.2021

in der Ratssitzung am 24.02.2022, TOP 3.2.1.

Inhalt der Drucksache:

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0136/2022 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der SPD-Fraktion zum Tätigkeitsspektrum der Antidiskriminierungsstelle (ADS) im Zeitraum 01.01.2021 – 31.12.2021

in der Ratssitzung am 24.02.2022, TOP 3.2.1.

Die Antidiskriminierungsstelle der Landeshauptstadt Hannover ist die kommunale Beratungsstelle für alle Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Sie hat den Auftrag, sich auf der Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) innerhalb des hannoverschen Stadtgebiets gegen Ungleichbehandlung zu engagieren. Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung erleben viele Menschen in ihrem Alltag und dies ist ein ernstzunehmendes Problem und Realität in unserer gesellschaftlichen Mitte. So kann vermutet werden, dass die Zahl der Menschen, die bei der städtischen ADS einen Fall von Antisemitismus, Diskriminierung und Rassismus melden nur das Hellfeld abbildet – und das Dunkelfeld größer ist.

Von diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1. Wie viele Personen haben sich auf welchem Weg an die ADS gewandt und wie haben sich die Fallzahlen über den Zeitraum vom 01.01.2021 – 31.12.2021 entwickelt?
2. Welche weiteren Akteure kamen in den letzten Jahren dazu und welche Schwerpunkte lassen sich für diese Zusammenarbeit nennen?
3. Welche Zielgruppen können über die Bildungsarbeit der ADS – und der Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus (SDR) – erreicht werden, welche Programme lassen sich hier besonders hervorheben und wie wird die ADS gemeinsam mit der SDR in 2022 diese Bildungsarbeit unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen ausrichten?

Text der Antwort

Frage 1: Wie viele Personen haben sich auf welchem Weg an die ADS gewandt und wie haben sich die Fallzahlen über den Zeitraum 01.01.2021-31.12.2021 entwickelt?

Im Jahr 2021 verzeichnete die Antidiskriminierungsstelle (ADS) der Landeshauptstadt Hannover insgesamt 252 Fälle. Ein Großteil der Kontaktaufnahmen fand pandemiebedingt per Telefon oder Mail statt. Aber auch persönlich, per Brief sowie über Online-Treffen fanden Beratungen statt. Häufig auch über mehrere Kommunikationswege bei einem Fall, daher liegt keine Statistik dazu vor, wie viele Personen sich auf welchem Wege an die ADS gewandt haben. Form, Ort und Umfang der Beratung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, hier sind Anforderungen an Barrierefreiheit hinsichtlich Sprache, örtlicher Umgebung und Mobilität zu berücksichtigen.

Die Fälle der ADS verteilen sich recht gleichmäßig über das Jahr. Zu erhöhtem Fallauf-kommen kam es im August und September aufgrund der Einführung der 3-G-Regeln. Die Berater*innen werden nur im Auftrag der Ratsuchenden aktiv. Ratsuchende kommen in die Antidiskriminierungsstelle in der Regel durch eigene Recherchen, Empfehlungen von Bekannten, Verweis durch andere Stellen, Selbstorganisationen/NGOs oder Sozialarbei-ter*innen und Hinweise aus den beruflichen Netzwerken der Berater*innen. Die Antidiskriminierungsstelle arbeitet nach dem horizontalen Ansatz, d.h. sie berät und bearbeitet Diskriminierungsfälle in allen Lebensbereichen und zu allen Diskriminierungs-merkmalen/Dimensionen – auch über das AGG hinaus, da das AGG beispielsweise den sozialen Status als Anknüpfungspunkt von Diskriminierungen nicht erfasst, diskriminierendes Handeln seitens staatlicher Akteur*innen nicht abdeckt oder auch Schüler*innen an öffentlichen Schulen nicht schützt.

Frage 2: Welche weiteren Akteure kamen in den letzten Jahren dazu und welche Schwerpunkte lassen sich für diese Zusammenarbeit nennen?

Netzwerkarbeit ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der ADS. Die ADS ist stadtintern, landesweit sowie bundesweit in Netzwerken tätig. Da keine Landes-Antidiskriminierungs-stelle vorhanden ist sowie wenig lokale niedersächsische Antidiskriminierungsstellen, steigt die Bedeutung der bundesweiten Vernetzung.
Bedarfsgerecht bestehen Kooperationen sowie Austausch mit Selbstorganisationen. Betroffene werden für ergänzende Unterstützung an passende Organisationen verwiesen.
Innerhalb der Landeshauptstadt Hannover besteht auch ein guter Austausch zu anderen Fachstellen. Die ADS ist beratendes Mitglied in der AGG-Beschwerdekommission der LHH und Teil der Arbeitsgruppe zu sexueller Belästigung. Das Sachgebiet „Demokratische Bildung, Antidiskriminierung und gegen Rechtsextremismus“ ist zudem in den „WIR 2.0“- Prozess eingebunden, sodass stadtweit eine Vernetzung und Verankerung der Themen stattfindet. 2022 wird die ADS die Kooperation mit dem Projekt „A-Team im Einsatz gegen Diskriminierung“ verstärken, welches eine niedrigschwellige Anlaufstelle in Bildungseinrichtungen darstellt.

Frage 3: Welche Zielgruppen können über die Bildungsarbeit der ADS – und der Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus (SDR) – erreicht werden, welche Programme lassen sich hier besonders hervorheben und wie wird die ADS gemeinsam mit der SDR in 2022 diese Bildungsarbeit unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungen ausrichten?

Neben der Beratung, welche besonders bei der ADS den Aufgabenschwerpunkt darstellt, ist die Präventions-, Aufklärungs- und Bildungsarbeit ein wichtiger Bestandteil des Sachgebiets „Demokratische Bildung, Antidiskriminierung und gegen Rechtsextremismus“. Das Sachgebiet ist verwaltungsintern und -extern Anlaufstelle für die Themen demokratische Bildung, Antidiskriminierung, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sowie Rechtsextremismus. Dazu ist eine gute Netzwerkarbeit bedeutend. Daher ist auch die Zielgruppe der Bildungsarbeit heterogen.

Die Öffentlichkeitsarbeit, demokratische Bildung, Diskriminierungsprävention sowie die Prävention und Aufklärung zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sind wichtige Ziele, hierbei sollen (potenziell) betroffene Personen sowie Multiplikator*innen und Fachkräfte angesprochen werden. Dies geschieht über verschiedene Formate wie u.a. Großveranstaltungen, Fortbildungen, Beratungen oder Broschüren und Flyern. 2021 wurde ein Flyer der Antidiskriminierungsstelle in leichter Sprache veröffentlicht. Zudem hat im Jahr 2021 ein Fachtag in Kooperation mit der Hochschule Hannover zu dem Thema „Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt“ stattgefunden.

Die SDR erreicht durch Projekte wie u.a. Rathaus live, Schule ohne Rassismus, Weltkindertag, Kinderkonferenzen und Pimp your town die Zielgruppe Schulen und fördert die demokratische Bildung. Durch die SDR wurde 2021 im Rahmen der Offensive gegen Antisemitismus und dem dazugehörigen Expert*innenkreis ein Fachtag zu dem Umgang von Polizei und Justiz mit antisemitischen Vorfällen organisiert. Zudem steht die SDR im engen Austausch mit der Recherche und Informationsstelle Antisemitismus Niedersachsen.

Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus hat 2021 bereits ein digitaler Stadtrundgang zu dem Thema Dekolonialisierung in Kooperation mit Decolonize Hannover stattgefunden. Postkolonialismus soll auch im Jahr 2022 verstärkt durch das Sachgebiet „Demokratische Bildung, Antidiskriminierung und gegen Rechtsextremismus“ behandelt werden.

Auch in Zukunft werden über diverse Wege wie Beratung, Veranstaltungen, Fortbildungen und Materialien weiterhin Betroffene, Multiplikator*innen, Fachkräfte und die Stadtgesellschaft allgemein angesprochen. Oben genannte Projekte und Netzwerke werden weitergeführt. Wünschenswert ist, über eine vermehrte Öffentlichkeitsarbeit – wie auch über soziale Medien – auch weitere Zielgruppen anzusprechen, die bisher wenig Berührungspunkte mit den Themen des Sachgebietes hatten.

2022 wird zudem ein Fokus auf Anti-Schwarzen-Rassismus und Gadje-Rassismus gelegt.
Durch ein Antidiskriminierungsnetzwerk aus diversen Akteur*innen (Interessensvertretungen, Selbstorganisationen, weiteren Einrichtungen) in Hannover könnte zukunftsvisiert auch die Gewinnung und Schulung von Multiplikator*innen als Anlauf- und Vermittlungspersonen vorangetrieben werden.
Zum Themenfeld Antidiskriminierung soll ein methodischer Koffer als Weiterbildungs-möglichkeit und als Wissensmanagement entwickelt werden.

Das Sachgebiet „Demokratische Bildung, Antidiskriminierung und gegen Rechtsextremismus“ nimmt 2022 wie in den vergangenen Jahren an dem Bundesförderprogramm Demokratie Leben als Partnerschaft für Demokratie teil. Mit dem Begleitausschuss und dem Jugendforum, bestehend aus verwaltungsinternen und -externen Akteur*innen, können weitere Projekte in der LHH gefördert werden, was ebenfalls zur Erweiterung der Zielgruppe und des Netzwerkes beitragen wird. Wünschenswert wäre auch hier eine Fokussierung auf weitere Themen, wie z.B. Gadje-Rassismus.