Drucksache Nr. 0100/2013 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der PIRATEN-Fraktion zur geschlechterspezifischen Förderung von Kindern und Jugendlichen
in der Ratssitzung am 31.01.2013, TOP 8.5.1.

Inhalt der Drucksache:

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0100/2013 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der PIRATEN-Fraktion zur geschlechterspezifischen Förderung von Kindern und Jugendlichen
in der Ratssitzung am 31.01.2013, TOP 8.5.1.

Die Ergebnisse der Kommunalen Bildungsplanung der Landeshauptstadt Hannover 2009 (Drs. 1106/2009) wie auch des Bildungsmonitorings 2010 (Drs. 1424/2010 N1) und 2012 (Drs. 2623/2012 N1) belegen deutliche Unterschiede bei den Schulerfolgen von Mädchen und Jungen.

So erwerben in Hannover knapp 60 Prozent aller Mädchen eines Abschluss-Jahrgangs eine Fachhochschul- oder Hochschulreife, von den Jungen hingegen weniger als 50 Prozent. Auf der anderen Seite verlassen deutlich mehr Jungen als Mädchen die allgemeinbildenden Schulen ohne einen Abschluss.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:

1. Welche Ursachen sieht die Verwaltung für die erheblichen Unterschiede in den Schulerfolgen von Jungen und Mädchen?

2. Bietet, ermöglicht oder plant die Landeshauptstadt Hannover besondere Bildungsangebote für Mädchen, welche auf deren geschlechterspezifische Bedürfnisse eingehen? (Wenn Ja, welche? Wenn Nein, warum nicht?)

3. Bietet, ermöglicht oder plant die Landeshauptstadt Hannover besondere Bildungsangebote für Jungen, welche auf deren geschlechterspezifische Bedürfnisse eingehen? (Wenn Ja, welche? Wenn Nein, warum nicht?)


Dr. Jürgen Junghänel
(Fraktionsvorsitzender)

Text der Antwort

Frage 1: Welche Ursachen sieht die Verwaltung für die erheblichen Unterschiede in den Schulerfolgen von Jungen und Mädchen?

Antwort zu Frage 1:
Zu den Ursachen der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Bildungsabschlüssen kann die Schulträgerin auf die Diskussionen in der Wissenschaft hinweisen.
Dabei wird vor zu eindimensionalen Aussagen und vor Verkürzungen im Geschlechterdiskurs gewarnt wird (Schlaue Mädchen — Dumme Jungen); geschlechtsspezifische Bildungsunterschiede sind kein alleiniger Faktor/ Indikator für Bildungsgleichheit! Ungleichheit.
So sind z.B. soziale Herkunft und Migrationsgeschichte weitere entscheidende Faktoren von und für Bildung, die die geschlechtsspezifische Rollenvermittlung entscheidend mit überlagert.

Von daher sind auch die Lösungsansätze der Schulen komplexer, ohne die Geschlechterrolle unberücksichtigt zu lassen.

Die Niedersächsische Landesschulbehörde (NLSchB Regionalabteilung Hannover) teilt dazu auf Nachfrage mit, dass nach § 32 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) die Schulen „eigenverantwortlich sind in Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts" und in der Erziehung. Nach § 2 NSchG hat die Schule den Schülerinnen und Schülern die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Dabei sind die Bereitschaft und Fähigkeit zu fördern, für sich allein wie auch gemeinsam mit anderen zu lernen und Leistungen zu erzielen. Die Schülerinnen und Schüler sollen zunehmend selbständiger werden und lernen, ihre Fähigkeiten auch nach Beendigung der Schulzeit weiter zu entwickeln. Die Schule soll Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern den Erfahrungsraum und die Gestaltungsfreiheit bieten, die zur Erfüllung des Bildungsauftrags erforderlich sind.

Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind die Schulen aufgefordert im Sinne eines kontinuierlichen Qualitätsmanagements ihre Arbeit zu evaluieren und zu verbessern. Grundlage dieser Arbeit ist der „Orientierungsrahmen Schulqualität in Niedersachsen". Hier werden im Qualitätsbereich 2 „Lernen und Lehren" bei den Qualitätsmerkmalen 2.2 „Persönlichkeitsentwicklung" und 2.4 „Individuelle Förderung und Unterstützung" ausdrücklich geschlechtsspezifische Aspekte berücksichtigt. Das Nds. Schulgesetz fordert die Schulen explizit auf, sich im Rahmen des Qualitätsmanagements regelmäßig selbst zu überprüfen und Maßnahmen zur Veränderung einzuleiten. „Die Schule gibt sich ein Schulprogramm. In dem Schulprogramm legt sie in Grundsätzen fest, wie sie den Bildungsauftrag erfüllt. Das Schulprogramm muss darüber Auskunft geben, welches Leitbild und welche Entwicklungsziele die pädagogische Arbeit und die sonstigen Tätigkeiten der Schule bestimmen. Der Zusammensetzung der Schülerschaft und dem regionalen Umfeld ist in dem Schulprogramm und in der Unterrichtsorganisation Rechnung zu tragen."( § 32,2) „Die Schule überprüft und bewertet jährlich den Erfolg ihrer Arbeit. Sie plant Verbesserungsmaßnahmen und führt diese nach einer von ihr festgelegten Reihenfolge durch."( §32,3)

In diesem Sinne ist somit die datengestützte Planung der Schulentwicklung eine wichtige Aufgabe der Schulentwicklung. Dazu gehört dann eben auch die Überprüfung der Frage, wie es sich an der einzelnen Schule jeweils mit dem Schulerfolg von Jungen und Mädchen verhält und welche pädagogischen Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

Die Niedersächsische Landesschulbehörde geht somit davon aus, dass die pädagogische Fragestellung eines geschlechtsspezifischen Schulerfolgs und einer Erziehung unter Berücksichtigung der Genderproblematik jeweils spezifisch an der einzelnen Schule beraten und in konkrete pädagogische Praxis umgesetzt wird.

Frage 2: Bietet, ermöglicht oder plant die Landeshauptstadt Hannover besondere Bildungsangebote für Mädchen, welche auf deren geschlechterspezifische Bedürfnisse eingehen (Wenn Ja, welche? Wenn Nein, warum nicht?)

Frage 3: Bietet, ermöglicht oder plant die Landeshauptstadt Hannover besondere
Bildungsangebote für Jungen, welche auf deren geschlechterspezifische Bedürfnisse eingehen (Wenn Ja, welche? Wenn Nein, warum nicht?)

Antwort zu Frage 2 und 3:
Bereits im Bildungsplan 2009 (DS 1106/2009) hat die Verwaltung bei den Handlungsempfehlungen in dem Schwerpunkt Chancengerechtigkeit ermöglichen beschrieben, dass zur Erreichung dieses Zieles in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Eltern eine Zielgruppenorientierung in der Bildungsförderung durch die Landeshauptstadt Hannover erfolgen sollte.
Je zielgruppengenauer Angebote und Maßnahmen an den Kindern, Jugendlichen, Vätern und Müttern ausgerichtet sind, desto erfolgreicher können sie wirken, desto mehr ist eine Chancengleichheit gegeben.

Alle Angebote und Maßnahmen haben sich:
  • an den Lebenslagen der Kinder und Jugendlichen zu orientieren, d.h. Konzepte und Maßnahmen knüpfen an ihren vorhandenen Ressourcen an und sind auf ihre Bedürfnisse auszurichten.
  • interkulturell zu sensibilisieren und zu öffnen. Kulturspezifische Angebote sind Bestandteil des Konzeptes.
  • an den geschlechtsspezifischen Unterschieden zu orientieren. Geschlechtsspezifische Angebote sind Bestandteil des Konzeptes.

Diese Grundsätze sind auch in der Kinder- und Jugendhilfe gesetzlich verankert. Für die Jugendhilfe gibt es seit 2003 "Leitlinien zur Förderung geschlechtsbezogener Jugendhilfe" (DS 1221/ 2003) und seit März 2007 ist der Fachbereich 51 Pilotbereich für Gender Mainstreaming (DS 1513/2009 "Implementierung von Gender Mainstreaming im FB 51"), d.h. die geschlechtsbezogene Arbeit ist Bestandteil der täglichen pädagogischen Arbeit.

Darüber hinaus gibt es' eine Fach AG nach § 78 SGB VIII "Geschlechterdifferenzierung", mit einer Unter AG Jungen und einer Unter AG Mädchen. In dieser AG hat der örtliche Träger der Jugendhilfe alle Maßnahmen und Planungen mit den freien Trägern von Einrichtungen und Diensten abzustimmen. In den letzten Jahren wurden schwerpunktmäßig folgende Themen bearbeitet:
  • Gender in Kitas
  • Jungen in Kitas
  • Sport und Geschlecht
  • 2 Fachtage "Genderperspektive als Haltung"
  • Erkenntnisse und Unterschiede im Beratungsprozess von Jungen und Mädchen
  • Jungenarbeit in Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit
  • Mädchen in Bewegung
  • Mädchenschwimmen
  • Berufsorientierung von Mädchen und jungen Frauen
  • Rolle der Frau, des Mannes in pädagogischen Arbeitsfeldern
  • Implementierung von Gender mainstreaming in der Hilfeplanung
  • Gewaltprävention in der Mädchenarbeit
  • Broschüre Jungenarbeit
  • Weiterentwicklung außerschulischer Bildungsangebote für Mädchen und Jungen

Im Rahmen dieser Thematiken wurden eine Fülle von Projekten, Maßnahmen, bis hin zu Fortbildungen durchgeführt. Die Erläuterungen verdeutlichen, dass das Geschlechterbewusstsein in der pädagogischen Praxis im Sinne von Bildung, Betreuung und Erziehung alltägliche Arbeit ist.

So sprechen beispielsweise die Angebote, die die Landeshauptstadt Hannover an Schulen fördert, sowohl Mädchen als auch Jungen an. Sofern jedoch eine geschlechtsspezifische Förderung für notwendig erachtet wird, werden u. a. in Ganztagsschulen spezielle Arbeitsgemeinschaften angeboten, die gezielt auf geschlechtsspezifische Bedürfnisse von Mädchen oder Jungen eingehen oder die Rollen zu durchbrechen versuchen. Durch die Programme „Gewaltprävention", und „stadtteilorientierte Netzwerke für Bildung und Qualifizierung" werden bei Bedarf weitere geschlechtsbezogene Maßnahmen an Schulen mit den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln gefördert.

Auch im Rahmen des Lokalen Integrationsplanes der Landeshauptstadt Hannover wurden wichtige Handlungsansätze formuliert. Ein besonderer Schwerpunkt wird insbesondere bei der lebenspraktischen Bildung und der Berufsorientierung im Sekundarbereich der Schulen darauf gelegt, gerade Mädchen und junge Frauen, aber auch Jungen und junge Männer mit Migrationshintergrund Alternativen zu den geschlechterorientierten, klassischen Lebens- und Berufsvorstellungen aufzuzeigen und einen Zugang zu alternativen Möglichkeiten zu erleichtern. Dieser Handlungsansatz wird u. a. im Übergangsmanagement Schule/ Beruf umgesetzt. Daneben unterstützt das Übergangsmanagement grundsätzlich die geschlechtergerechten Berufswahlprozesse.


gez. Drevermann