Sitzung Sozialausschuss am 20.11.2017

Protokoll:

verwandte Dokumente

Einladung (erschienen am 10.11.2017)
Protokoll (erschienen am 20.12.2017)
Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
______________________________________________________________________

Landeshauptstadt Hannover - 50.08 - Datum 21.11.2017

PROTOKOLL

10. Sitzung des Sozialausschusses am Montag, 20. November 2017,
Rathaus, Hodlersaal

Beginn 15.00 Uhr
Ende 16.50 Uhr

______________________________________________________________________

Anwesend:


Ratsfrau Klingenburg-Pülm (Bündnis 90/Die Grünen)
Ratsherr Alter (SPD)
Ratsherr Döring (FDP) 16.50 - 16.50 Uhr
Ratsherr Gast (Bündnis 90/Die Grünen)
(vertritt Ratsfrau Langensiepen) (Bündnis 90/Die Grünen)
Ratsherr Hellmann (CDU)
Ratsherr Jacobs (AfD)
Ratsfrau Jeschke (CDU)
Ratsherr Küßner (CDU)
Ratsherr Dr. Menge (SPD)
(vertritt Ratsherrn Nicholls) (SPD)
Ratsfrau Pluskota (SPD)
(vertritt Ratsfrau Iri) (SPD)
Ratsherr Yildirim (LINKE & PIRATEN)

Beratende Mitglieder:
Herr Fahlbusch
Frau Lenssen
Frau Merkel
Herr Schultz
Frau Stadtmüller

Grundmandat:
Ratsherr Förste (Die FRAKTION)
(vertritt Ratsherrn Klippert) (Die FRAKTION)

Verwaltung:
Stadträtin Beckedorf, Sozial- und Sportdezernentin
Frau Ruhrort, Fachbereich Soziales
Frau Vogt-Janssen, Fachbereich Senioren
Herr Busse, Fachbereich Soziales
Frau Dr. Doering, Fachbereich Soziales
Frau Ehlers, Fachbereich Soziales
Herr Hagen, Fachbereich Soziales
Frau Lubes, Fachbereich Soziales
Herr Woike, Sozial- und Sportdezernat
Frau Hanebeck, Fachbereich Soziales
für das Protokoll

Presse:
Herr Schinkel, HAZ
Herr Voigt, NP

Gäste:
Herr Schoner, Suchtkoordinator, Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf
Frau Dr. med. Wenker, Ärztekammer Niedersachsen
Frau Folberth-Seibel, Polizeidirektion Hannover
Herr Rechtsanwalt Dr. Hüttl, Kanzlei W. Hippke & Partner
Herr Westermann, drobs Hannover
Herr Wieker, Cannabis Social Club Hannover
Frau Reichenbach, Apothekerin
(in Vertretung für Herrn Dr. med. Cimander, Facharzt für Suchtmedizin)

Tagesordnung:



1. Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

2. Genehmigung des Protokolls über die gemeinsame Sondersitzung des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses, des Gleichstellungsausschusses, des Ausschusses für Integration, Europa und Internationale Kooperation (Internationaler Ausschuss) sowie des Sozialausschusses am 16. August 2017

3. Genehmigung des Protokolls über die 09. Sitzung am 16. Oktober 2017

4. Einwohnerinnen- und Einwohnerfragestunde

5. A N H Ö R U N G gem. § 35 der Geschäftsordnung des Rates zum THEMA: "Kontrollierte Abgabe von Cannabis"
Eingeladen sind:

Herr Trudpert Schoner
Suchtkoordinator, Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf

Herr Dr. Horst-Dietrich Elvers
Planungs- und Koordinierungsstelle Gesundheit, Berlin
(hat abgesagt)

Herr Matthias Karsch
Bund Deutscher Kriminalbeamter, Landesverband Niedersachsen

Frau Dr. med. Martina Wenker
Ärztekammer Niedersachsen

Frau Folberth-Seibel
Polizeidirektion Hannover

Herr Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl
Kanzlei W. Hippke & Partner

Herr Lennart Westermann
drobs Hannover

Herr Henry Wieker
Cannabis Social Club Hannover

Frau Gunda Reichenbach
Apothekerin
(in Vertretung für Herrn Dr. med. Konrad F. Cimander, Facharzt für Suchtmedizin)

6. Antrag der CDU-Fraktion zur Einrichtung einer zentralen Ombudsstelle für Flüchtlinge
(Drucks. Nr. 2098/2017)

7. Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zur Modernisierung der Zuwendungen und Optimierung des Controllings
(Drucks. Nr. 2494/2017)

7.1. Änderungsantrag der Fraktion Die FRAKTION zu Drucks. Nr. 2494/2017: Modernisierung der Zuwendungen und Optimierung des Controllings
(Drucks. Nr. 2724/2017)

8. Antrag der CDU-Fraktion zur Streichung der städtischen Zuwendungen für das Jugendzentrum "Kornstraße"
(Drucks. Nr. 2458/2017)

9. Antrag der CDU-Fraktion zur Umwidmung der "Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus"
(Drucks. Nr. 2538/2017)

10. 2. Ergebnisbericht 2017 für den Teilhaushalt 50 des Fachbereiches Soziales sowie für den gemeinsamen Teilhaushalt 59 der Fachbereiche Soziales und Senioren
(Informationsdrucks. Nr. 2716/2017 mit 2 Anlagen)

11. 2. Ergebnisbericht 2017 für den Teilhaushalt 57 des Fachbereiches Senioren
(Informationsdrucks. Nr. 2576/2017 mit 1 Anlage)

12. Jahresbericht des Sozial- und Sportdezernates (Dez. III), Fachbereich Soziales (FB 50) für das Jahr 2016
(Informationsdrucks. Nr. 2771/2017 mit 1 Anlage)

13. Bericht der Dezernentin


TOP 1.
Eröffnung der Sitzung, Feststellung der ordnungsgemäßen Einberufung und Beschlussfähigkeit sowie Feststellung der Tagesordnung

Ratsfrau Klingenburg-Pülm eröffnete die Sitzung und stellte die ordnungsgemäße Einladung sowie die Beschlussfähigkeit des Ausschusses fest.

Ratsherr Yildirim bat darum, den Tagesordnungspunkt 8 in die Fraktionen zu ziehen.

Ratsherr Hellmann bat darum, die Tagesordnungspunkte 7, 7.1 sowie 9 in die Fraktionen zu ziehen, da sie auch in den anderen Ausschüssen in die Fraktionen gezogen worden seien.

Der Sozialausschuss war mit der so geänderten Tagesordnung einverstanden.


Ratsfrau Klingenburg-Pülm machte darauf aufmerksam, dass Ratsherr Nicholls einen schweren Fahrradunfall erlitten habe. Im Namen des Sozialausschusses wünsche sie ihm gute und baldige Genesung.

Ratsfrau Klingenburg-Pülm bat Ratsherrn Küßner als ältestes anwesendes Ausschussmitglied darum, in der heutigen Sitzung ihre Vertretung zu übernehmen.

Ratsherr Küßner war hiermit einverstanden.


TOP 2.
Genehmigung des Protokolls über die gemeinsame Sondersitzung des Stadtentwicklungs- und Bauausschusses, des Gleichstellungsausschusses, des Ausschusses für Integration, Europa und Internationale Kooperation (Internationaler Ausschuss) sowie des Sozialausschusses am 16. August 2017

Ohne Aussprache.

7 Stimmen dafür, 0 Stimmen dagegen, 3 Enthaltungen


TOP 3.
Genehmigung des Protokolls über die 09. Sitzung am 16. Oktober 2017

Ohne Aussprache.

7 Stimmen dafür, 0 Stimmen dagegen, 3 Enthaltungen


TOP 4.
Einwohnerinnen- und Einwohnerfragestunde

Es wurden keine Fragen gestellt.

TOP 5.
A N H Ö R U N G gem. § 35 der Geschäftsordnung des Rates zum THEMA: "Kontrollierte Abgabe von Cannabis"
Eingeladen sind:

Herr Trudpert Schoner
Suchtkoordinator, Gesundheitsamt der Landeshauptstadt Düsseldorf

Herr Dr. Horst-Dietrich Elvers
Planungs- und Koordinierungsstelle Gesundheit, Berlin
(hat abgesagt)

Herr Matthias Karsch
Bund Deutscher Kriminalbeamter, Landesverband Niedersachsen

Frau Dr. med. Martina Wenker
Ärztekammer Niedersachsen

Frau Folberth-Seibel
Polizeidirektion Hannover

Herr Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl
Kanzlei W. Hippke & Partner

Herr Lennart Westermann
drobs Hannover

Herr Henry Wieker
Cannabis Social Club Hannover

Frau Gunda Reichenbach
Apothekerin
(in Vertretung für Herrn Dr. med. Konrad F. Cimander, Facharzt für Suchtmedizin)


Ratsfrau Klingenburg-Pülm begrüßte die Gäste und stellte den geplanten Ablauf der Anhörung dar. Demnach habe jeder Vortragende, wie bereits in der Einladung durch die Verwaltung mitgeteilt, 5 Minuten Redezeit. Alle Gäste trügen hintereinander vor, dann schließe sich eine Fragerunde durch die Mitglieder des Ausschusses an. Insbesondere auf die Einhaltung der Redezeit werde sie strikt achten. Sie bitte, dies nicht als Geringschätzung der Vorträge zu verstehen, jedoch habe der Sozialausschuss bei einer Anhörung vor 2
Monaten die Erfahrung machen müssen, dass sich nicht an die Vorgabe gehalten wurde und Beiträge auf bis zu 30 Minuten ausgedehnt wurden.

Herr Schoner stellte sich als Suchtkoordinator der Landeshauptstadt Düsseldorf vor. Aufgrund der knapp bemessenen Zeit werde er nicht über die Pros und Kontras zur kontrollierten Abgabe von Cannabis sprechen, sondern sich auf die Entwicklungen in Düsseldorf konzentrieren. Er gehe davon aus, dass es für Hannover von Interesse sein könnte, wie eine andere Kommune mit dem Thema verfahre und wie der derzeitige Sachstand sei.

Die Aktivitäten der Verwaltung gingen zurück auf einen Beschluss des Ausschusses für Gesundheit und Soziales im Jahr 2015. Darin wurde die Verwaltung beauftragt zu prüfen, ob und in welcher Weise sich die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte lohne und wie der Weg dorthin sei.

Zunächst sei in Lenkungskreis eingerichtet worden, der mehrmals getagt habe. Auch habe sich der Ausschuss für Gesundheit und Soziales mehrfach mit dem Thema beschäftigt. Schließlich habe im Dezember 2016 ein relativ großer überregionaler Fachtag in Düsseldorf stattgefunden, bei dem 2 Themenkreise behandelt wurden:

Zum einen habe es eine Plattform für die Pros und Kontras gegeben, um die unterschiedlichen Facetten des Themas darzustellen und hieraus Bewertungen abzuleiten

Zum anderen wurde herausgearbeitet, inwieweit eine Kommune überhaupt einen Handlungsspielraum in dieser Thematik habe. Dabei ging es im Wesentlichen um die Vorstellung der Grundüberlegungen, wie ein Studiendesign und damit ein Antrag zur Ausnahmegenehmigung überhaupt aussehen könnte.

Der sehr facettenreiche Tag habe auf die Kommunalpolitik wie eine Art Katalysator gewirkt; es gab viele Diskussionen.

Im Nachhinein beschäftigten sich sowohl der Ausschuss für Gesundheit und Soziales als auch der Lenkungskreis mit dem Thema. Es herrsche Einigkeit darüber, einen Antrag voranzutreiben, aber, und dies sei der Unterschied zu anderen Kommunen wie Berlin oder Münster, in sehr enger Abstimmung mit einem wissenschaftlichen Institut. Gemeinsam mit der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf solle herausgefunden werden, inwieweit das Antragverfahren durch eine Kooperation oder Partnerschaft vorangebracht werden könne. Im Kontakt mit der Universität sei auch deutlich geworden, dass bereits 20.000 € notwendig seien, um überhaupt eine Art „Studiendesign“ so weit voranzubringen, dass es auch antragswürdig sei. Die derzeitigen Gespräche mit der Heinrich-Heine-Universität drehten sich auch darum, inwieweit auch Wege gefunden werden könnten, mit weniger finanziellem Aufwand auszukommen. Das Antragsverfahren werde also bereits Geld kosten, und die Schätzungen für eine Studie, so wurde auf dem Fachtag vorgetragen, beliefen sich schnell auf 800.000 € bis hin zu 1 Mio. €.


Frau Dr. Wenker stellte sich als Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen vor. Aus ärztlicher Sicht gebe es bei der kontrollierten Freigabe von Cannabis keinerlei Chancen, sondern nur Risiken, da sie zu gesundheitlichen Folgeschäden führe. Die Ärztekammer habe sich in ihrem Arbeitskreis „Prävention und Umwelt“ mit dem Thema befasst und ein aktuelles Positionspapier unter Beteiligung von bundesdeutschen medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften (Arbeits-, Umwelt-, Suchtmedizin, Suchtforschung und –therapie, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie, pädiatrische Pneumologie, Kinder- und Jugendmedizin, Kinder- und Jugendärzte, Lungenfachärzte, Kardiologen, Deutsche Herzstiftung) erstellt. Alle gemeinsam hätten sich in dem Positionspapier noch einmal gegen eine Legalisierung des Freizeitkonsums von Cannabis ausgesprochen.

Für sie persönlich beeindruckend und bedrückend, so dass sie es vorrangig benennen wolle, seien die Schäden für die vulnerablen Patientengruppen der Ungeborenen, Neugeborenen und Kleinkinder, die sich nicht wehren könnten. Nachweislich, und hier gebe es eine spannende Studie von amerikanischen Gynäkologen, führe Cannabis bereits bei jungen Frauen zu erheblichen Störungen der Oogenese, der Eizellenbildung, der Einnistung des Embryos und Unregelmäßigkeiten im Menstruationszyklus. Dies führe dazu, dass junge Frauen, denen ihre Schwangerschaft noch nicht bekannt sei, Cannabis konsumierten. Die Auswirkungen auf das Ungeborene sowie das Neugeborene seien nachweislich erheblich: Frühgeburtlichkeit, zu geringes Geburtsgewicht und embryonale Schädigung der Hirnentwicklung seinen hier zu nennen. All dies sei eine Last, die den Kindern, die sich nicht dagegen wehren und auch nicht aktiv für oder gegen Cannabis entscheiden könnten, mit auf den Weg gegeben werde. Im Umkehrschluss müsse allein aus medizinischer Indikation so konsequent wie möglich eine Primärprävention verfolgt werden.

Unabhängig von den Folgen für ganz junge Menschen komme es auch bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – einige Zahlen gehen dabei von mindestens bis zum 27. Lebensjahr aus – zu erheblichen Auswirkungen bei den psychischen Leistungen, der kognitiven Fähigkeit bis hin zu Depressionen, Psychosen und schizophrenieähnlichen Erkrankungen. Bei akuter Cannabisintoxikation, einem sehr schweren Krankheitsbild, rechne man derzeit mit 600.000 suchtmedizinisch erkrankten zu behandelnden Kindern und Jugendlichen in Deutschland.

Dies alles rechtfertige eine Primärprävention, die den Konsum einer Droge, deren Gesundheitsschädigung bekannt sei, gar nicht erst zulasse. Oft werde hier eingewandt, dass sich Menschen Cannabis bereits jetzt illegal besorgten und mit einer Legalisierung alles in geordnete Bahnen gelenkt werden solle. Dem sei mit dem Beispiel des Nichtraucherschutzgesetzes zu widersprechen. Bereits nach nur wenigen Jahren zeigten sich außergewöhnlich positive Effekte durch den erschwerten Zugang für Kinder und Jugendliche zu Nikotin. Diese Altersgruppe rauche deutlich weniger und bereits jetzt zeichne sich ein Rückgang von Lungenerkrankungen ab. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie aus Amerika gebe es in Ländern mit einem konsequenten Nichtraucherschutz eine Abnahme von kardiovaskulären Erkrankungen mit seinen Folgeerkrankungen Herzinfarkt und Schlaganfall. Das bedeute, dass allein die Sensibilisierung dafür, dass es sich um eine gefährliche Droge handele, die auf keinen Fall genutzt werden solle, der richtige Weg sei. Die Ärztekammer beobachte mit großer Sorge, dass durch die medizinische Indikation, die es seit wenigen Monaten erlaube, Cannabis bei strenger Indikationsstellung zu verordnen, sich die die Einstellung dahingehend wandele, dass etwas, was verschrieben werden, doch nicht so schlimm sein könne. Der aktuelle Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung bestätige, dass gerade die Verharmlosungsdebatte dazu führe, dass mehr konsumiert werde und die Zahlen der Benutzer und Abhängigen angestiegen sei. Aus medizinischer Sicht gebe es keinen Grund hier nachlässig zu werden. Es müsse restriktiv und deutlich gesagt werden, dass es sich bei dem Konsum von Cannabis nicht um ein Lifestylephänomen handele, da es insbesondere für Ungeborene, Neugeborene und Kleinkinder eine umfassende körperliche Folgelast darstelle, die sie ihr ganzes Leben begleite. Ein striktes Nein zum Freizeitkonsum von Cannabis müsse daraus folgen.


Frau Folberth-Seibel stellte sich als Leiterin des Dezernates 11 der Polizeidirektion Hannover vor. Sie werde das Thema aus polizeilicher Sicht betrachten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Polizei nicht daran interessiert sei, politische Richtungen oder Ideologien nachzuvollziehen, sondern sich an fachlich relevante Fakten zu halten und Gefahrenvermeidung und –einschränkung als Orientierung zu betrachten. Das soziale Gemeinwohl stehe dabei, ebenso wie beim Betäubungsmittelgesetz (BtMG), im Vordergrund. Dazu wolle sie zitieren: „Grundüberlegung zum Betäubungsmittelgesetz sei die Feststellung eines Suchtpotentials als sozialer Beeinträchtigung einer Person in Verbindung mit einer irreversiblen gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Schädigung des Körpers der Person durch einmaligen, mehrmaligen oder anhaltenden Genuss von Betäubungsmitteln.“

Im Folgenden wolle sie 5 Thesen aufstellen und erläutern, die die Einstellung der Polizei zu Cannabis und Cannabisprodukten darstellten.

1) Das Gefährdungs- und Suchtpotenzial des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC)
Sie persönlich sei seit 41 Jahren im Dienst. Während in den Anfangsjahren der THC-Gehalt bei 3-5% lag, habe er sich durch Züchtungen auf inzwischen 15 bis hin zu 30 % erhöht. Es handele sich daher nicht mehr um eine „weiche“ Droge, wie seit Generationen propagiert. Die Abbauzeit für THC, das sich im Fettgewebe ablagere, betrage eine Woche. Selbst nach 4 Wochen seien, trotz einmaligen Konsums, noch THC-Werte nachweisbar. Sei das THC noch nicht abgebaut und werde erneut konsumiert, potenziere sich der Gehalt im Körper und führe dann zu entsprechenden Reaktionen.

2) Gesundheitliche, irreversible Schäden/Beeinträchtigungen
Diese beträfen in besonderem Maße Kinder und Heranwachsende, also da, wo sich der Körper noch in der Entwicklung befinde und auch das größte Klientel für „Abenteuerraucher“ von Cannabis, die dann zu Problemrauchern würden, bestehe. 1/3 aller Konsumenten von Cannabis in Niedersachsen seien Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Meist gehe es über den Konsum von Nikotin und Alkohol hin zu Cannabis. Auch sei Cannabis noch immer die Einstiegsdroge Nr. 1 für „Hartdrogen“. 85 % aller „Hartdrogen“-Abhängigen räumten ein, über Cannabis an „Hartdrogen“ gekommen zu sein.

3) Gefahren des BtM-Konsums für Dritte
In Niedersachsen stünden jährlich allein 5.000 Fahrzeugführer unter dem Einfluss von Cannabis. Ebenso sei die Auswirkung von Cannabiskonsum auf die Bedienung von Maschinen zu bedenken. Dazu käme bspw. auch die Vernachlässigung von Elternpflichten, da sich der Konsum nicht nur auf sehr junge Menschen beschränke.

4) Kriminalisierung von Cannabis
Cannabisprodukte seien nach dem BtMG strafbar. Die Justiz verfahre mit dem notwendigen Fingerspitzengefühl und nehme bis zu 6 g Cannabis als für den Eigenbedarf bestimmt an, so dass nur unter bestimmten Voraussetzungen Anklage erhoben werde. Dazu gehöre das öffentlich Interesse an der Strafverfolgung, bspw. wenn ein Lehrer seinen Schülern Cannabis anbiete. Grundsätzlich werde also eine Abgrenzung von nichthandelnden Konsumenten zur Klein- und Straßenhandelsszene vorgenommen und auch geprüft, ob der Präventionsbereich mit Beratung und Hilfe aktiv werden solle. Für die Polizei seien die Verfahren gegen bloße Nutzer eher „Zettelverfahren“. Das Cannabis werde sichergestellt, eine kurze Anzeige geschrieben, eine Kurzvernehmung durchgeführt und dann alles an die Staatsanwaltschaft abgegeben. Die Polizei wolle sich auf die Dealerszene konzentrieren und sei nicht daran interessiert, die Nutzer zu verfolgen. Einerseits sei aber die Verfolgung der Nutzer notwendig, damit Eltern in ihrem Verdacht, ihr Kind konsumiere Cannabis, bestätigt würden und dadurch Beratungs- und Therapieangebote annehmen könnten. Andererseits könne die Polizei über die User an Dealer herankommen und über diese wiederum sowie strafprozessuale Maßnahmen auch an die höhere Ebenen des Cannabishandels.

5) Freigabebestrebungen als Modellprojekt
Diese Überlegungen seien das absolut falsche Signal für Jugendliche und Heranwachsende, die alles, was nicht verboten sei, als harmlos betrachteten.


Herr Dr. Hüttl sagte, er werde das Thema der Anhörung aus der Sicht eines Strafverteidigers beleuchten. Einführend wolle er Bezug nehmen auf ein am heutigen Tag verkündetes Strafurteil des Schwurgerichtes Hildesheim, bei dem er die Verteidigung übernommen hatte. Es ging um eine Schlägerei in eine Diskothek, bei der 5 Schwerverletzte durch Messerstiche zu beklagen waren. Alle Beteiligten waren bei der Tat stark alkoholisiert. Dieses Beispiel habe er angeführt, da oft der Vergleich zwischen Alkohol und Cannabis gezogen werde.

Seit 1999 habe er in mehreren hundert Strafverfahren zu Körperverletzungs- und Tötungsdelikten, bei denen junge Männer nach dem Genuss von Alkohol beschlossen hätten, „etwas klären“ zu müssen, die Verteidigung übernommen. In der gesamten Zeit habe dem gegenüber es kein einziges Verfahren gegeben, bei dem der Einfluss von Cannabis eine Rolle gespielt habe.

Den Gebrauch von Cannabis als Freizeitgenuss oder für medizinische Zwecke müsse differenziert betrachtet werden. Es sei medizinischer Konsens, dass lebensbiographisch jedenfalls früher Konsum und langer Genuss kritisch zu sehen sei, da er das hohe Risiko etwaiger psychischer Folgeschäden nach sich ziehe.

Das Bundesverfassungsgericht habe bereits 1994 auf Basis medizinischer Erkenntnisse, die schon damals vorlagen, festgestellt, dass eine Kriminalisierung in dem vorhandenen Umfang nicht mehr legitimiert sei. Erkenntnis sei, dass keine „Schrittmacherfunktion“ zu „härteren“ Drogen feststellbar sei. Die Mär von der „Einstiegsdroge“ sei ebenfalls seit vielen Jahren widerlegt. Diese könne heute nicht mehr als Argument dienen.

Zur aktuellen Lage und der Verfügbarkeit von Cannabis sei festzustellen, dass die strafrechtliche Prohibition schlicht gescheitert sei. Drogenkonsum sei ein menschliches Normalverhalten, es sei nicht zu eliminieren; Nachfrage werde immer bestehen. Angebot und Nachfrage seien durch Strafandrohung faktisch nicht zu beeinflussen. Mit der Intensität der Repression steige lediglich der Schwarzmarktpreis und es bildeten sich mafiöse Strukturen. Sie führe jedoch nicht zu einem Nachfragerückgang. Daher sei festzustellen, dass der Zweck der Prohibition systematisch verfehlt werde. Trotz ständiger Verschärfung des BtMG, seien Drogen – und damit auch Cannabis – verfügbar wie nie. Selbst in totalitären Staaten und in geschlossenen Einheiten wie Strafvollzugsanstalten, sei Cannabis zweifellos zu erhalten und werde konsumiert. Das Verbot ändere daran nichts.

Eine Bestrafung erfolge auf der Grundlage des Grundgesetzes grundsätzlich nur bei erheblichen Rechtsgutverletzungen, also vorrangig bei Fremdschädigung. Das Bundesverfassungsgericht habe in einer jüngeren Entscheidung zur Frage, ob Schwerstkranke oder dem Tode geweihte Kranke gezwungen werden könnten, Medikamente zu nehmen, entschieden, dass die eigenverantwortliche Selbstgefährdung nicht zu bestrafen und niemand gezwungen werden könne, sich vernünftig zu verhalten. Gestraft werde in der Praxis, im radikalen Gegensatz zum verfassungsrechtlichen Grundprinzip der Straflosigkeit von Selbstschädigung. Die „Schädigung der Volksgesundheit“, des „Sozialen Zusammenlebens“ oder das „Soziale Gemeinwohl“ seien so uferlose, ausgeweitete und diffuse Rechtsgüter, dass damit eine Kriminalisierung nicht zu begründen sei.

Es sei nicht die Frage zu stellen, ob der Bürger das „Recht auf Rausch“ habe, sondern vielmehr, ob der Staat ein Recht habe, den Bürger dafür zu bestrafen. Hier habe das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung von 2008 ausgeführt, dass ein bestimmtes Verhalten nur dann unter Strafe zu stellen sei, „wenn es in besonderer Weise sozialschädlich, für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich und die Verhinderung daher besonders dringlich ist“. Seiner Meinung nach, erklärte Herr Dr. Hüttl, werde man dies beim Genuss von Cannabis nicht ernsthaft vertreten können. Hunderte Strafverfahren wegen des Konsums und Besitzes von Cannabis, bei denen die Mandanten ansonsten ein straffreies Leben führten und in der Gesellschaft eingegliedert seien, sprächen eine deutliche Sprache.

Der Polizeieinsatz mit den entsprechenden Arbeitsstunden, die Verpflichtung bei Verdacht Ermittlungen aufzunehmen (die Große Koalition, die sich in Niedersachsen gerade erst gebildet habe, spreche von der Schaffung 1.500 neuer Stellen bei der Polizei) könnten wegfallen, wenn der Cannabiskonsum nicht mehr so kriminalisiert würde. Die Legalisierung von „Eigenbedarf“ sei auch nicht so effektiv, wie es geschildert wurde, da sie dennoch Folgeermittlungen nach sich ziehe. Dabei müsse aufgeklärt werden, woher die Drogen stammten und in welchem Umfang sie vorlägen. Dies führe zu ausufernden Ermittlungen auch bei gefundenen Kleinstmengen, Hausdurchsuchungen, Telefone würden ausgelesen, Kontaktlisten abgeglichen, um die Herkunft des Cannabis herauszufinden. Gutachter bestimmten den THC-Gehalt, Staatsanwälte, Richter, Sachverständige, Geschäftszimmerbeamte, hunderte Personen beschäftigten sich damit. Jährlich würden bis zu 175.000 Ermittlungsverfahren im Kontext Cannabis eingeleitet, obwohl dies eigentlich, wie zu hören war, nicht so sein sollte.

Die Beschaffungs- und Begleitkriminalität sei doppelt kostspielig; für die betroffenen Opfer und die staatliche Verfolgung. Jedes Jahr würden Milliardenbeträge für die Strafverfolgung aufgewandt. Das Verhältnis der aufgewendeten Kosten für Strafverfolgung zu Prävention betrage 9:1, das heiße das für jeden aufgewandten Euro für Prävention 9 Euro bei der Strafverfolgung aufgewandt würden. Absurde Strafrahmen sowie die neu geschaffene Regelung zur Einziehung und „Gewinnabschöpfung“ täten ihr Übriges.

Durch die kontrollierte Abgabe von Cannabis ergäben sich mehr Chancen zur Prävention und Aufklärung. Die Gesundheitsgefährlichkeit von legalen und illegalen Drogen hänge ab von:
Der bio-chemische Wirksubstanz, der individuellen Persönlichkeitsstruktur und der Dosiswahl sowie dem sozialen und legalen Kontext des Gebrauchs. Zwei der drei genannten Faktoren könnte mit der Legalisierung begegnet werden. Die Legalisierung könnte auch das Gesundheitsrisiko von Cannabis erheblich mindern. Der Schwarzmarkt biete weder Verbraucheraufklärung noch Gesundheits- oder Jugendschutz. Diverse „Quasi-Feldexperimente“ mit liberalisiertem Zugänglichkeit z.B. in den Niederlanden, der Schweiz, Spanien, Portugal oder Tschechien zeigten, dass das die befürchtete Ausweitung des Cannabis-Konsums ausbleibe.

Durch eine kontrollierte Abgabe erhöhten sich die Chancen des Jugendschutzes:
der Schwarzmarkt und die Gefahr des Beikonsums (eine Begründung bei Einführung des BtMG, die nicht belegbar sei) könnten eingeschränkt werden,
die Preise müssten mit denen des Schwarzmarktes konkurrieren können, was bei einer möglichen Besteuerung zu beachten sei,
der Reiz des Verbotenen entfalle und
die Legalisierung könnte mit einer Verschärfung der Sanktionen des BtMG betreffend der Abgabe an Minderjährige einhergehen, so dass auch dieser Gefahr begegnet sei.

Zusammenfassend sei der Landeshauptstadt Hannover zu empfehlen, sich am Modellprojekt anderer Städte (Düsseldorf, Münster, Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg) zu beteiligen, bzw. ein eigenes Modellprojekt starten. Entscheidend sei, über die Gefährlichkeit von Drogen aufzuklären. Sollte sich hierfür keine Mehrheit finden, sollte zumindest für eine Entkriminalisierung eingetreten werden. Auch ohne die Schaffung eines legalen Cannabismarktes sei die Kriminalisierung schlicht nicht mehr hinnehmbar.


Herr Westermann stellte sich als Einrichtungsleiter der DROBS Hannover vor. Von den Vorrednern sei bereits Vieles vorgetragen worden.

Auch im Hilfesystem zeigten sich die von medizinischer und polizeilicher Seite erwähnten Problematiken; es würden jedoch daraus andere Schlüsse gezogen. Grundsätzlich sei jede Aktivität und Initiative, die den Status Quo in positive Bewegung bringe, zu befürworten. Der derzeitige Stand sei dafür verantwortlich, dass nur die auf starken THC-Gehalt gezüchteten Sorten auf dem Markt erhältlich seien, die die benannten Gefährdungen bergen. Der Status Quo sei ebenfalls dafür verantwortlich, dass jegliche Kontrolle des Zugang Minderjähriger zu dieser Droge verhindert werde und daher keinerlei Jugendschutz möglich sei. Allein schon aus diesem Grund sollte versucht werden, auf andere Erfahrungen und Erfolge, wie z.B. beim Umgang mit Alkohol oder Nikotin, zurückzugreifen. Hier gebe es eine offensive Herangehensweise, um das Thema zu bewegen und auch mit Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Diese Möglichkeiten gebe es bei Cannabis nicht. Die häufigste Frage von Schülern laute „Warum ist Cannabis verboten und Alkohol nicht?“. Hier könne lediglich auf die Gesetzeslage verwiesen werden; eine inhaltliche Begründung sei dies allerdings nicht. In der Beratung seien eher die gelegentlichen Konsumenten anzutreffen, die Mediziner sähen eher die schweren Fälle. Dies liege auch an dem auf dem Schwarzmarkt erhältlichen Cannabis, das auf einen hohen THC-Gehalt hin gezüchtet werde. Dabei trete der Cannabidiol-Anteil, der ausgleichend wirke und die schädlichen Auswirkungen des THC abpuffere, in den Hintergrund. Dies erfordere einen dringenden Handlungsbedarf. Dabei sei zu bedenken, dass auch ein Modellprojekt in einer Kommune nicht allein die kontrollierte Angabe sicherstellen müsse, sondern u.a. auch die Saatgutproduktion, den Anbau, den Vertrieb usw. kontrollieren müsse. Darüber hinaus sei neben der Abgabe auch eine Beratung sicherzustellen. Unabdingbar dafür sei eine enge Vernetzung mit dem bestehenden Hilfesystem. Bereits jetzt zeigten sich in der Beratung steigende Zahlen von Hilfssuchenden, die wegen Cannabis Rat suchten. Genau deswegen sei diese Vernetzung so wichtig, einschließlich Schulungen und Fortbildungen. Ein wesentlicher Punkt sei auch die Unterstützung für Schulen und Jugendeinrichtungen. Wenn es erst ein Modellprojekt gebe, führe dies zu einem erheblichen Beratungsbedarf, gerade um zu vermeiden, dass die kontrollierte Cannabisabgabe als Verharmlosung missverstanden werde. Mit den Jugendlichen müsse offensiv auch über Konsumverhalten und Genussorientierung gesprochen werden. Die Bildungseinrichtungen seien unbedingt mit zu beteiligen, dabei sei auch über Bildungspolitik zu sprechen. Dies könne dann allerdings nicht ausschließlich auf kommunaler Ebene erfolgen, sondern an dieser Stelle müsse auch die Landespolitik mit bedacht werden.


Herr Wieker stelle sich als 1. Vorsitzender des Cannabis Social Club Hannover vor. Er wolle die Arbeitsweise eines Cannabis Social Clubs kurz vorstellen. Ein Cannabis Social Club sei ein im Jahr 2005 von der paneuropäischen Organisation ENCOD (European Coalition for Just and Effective Drug Policies) vorgeschlagenes Modellprojekt, um eine legale Anbau- und Vertriebsmöglichkeit von Cannabis als Rauschmittel an volljährige Personen zu ermöglichen. Ein Cannabis Social Club sei ein nichtkommerzieller Verein, welcher den professionellen, kollektiven Anbau einer limitierten Menge von Cannabis organisiere, um die persönlichen Bedürfnisse der volljährigen Clubmitglieder zu decken.

Ein Cannabis Social Club arbeite, zitierend aus Wikipedia, nach folgenden Regeln:
- Anbau, Transport, Verteilung und Konsum unterlägen Sicherheitschecks und Qualitätskontrollen
- Werbung wie Ladenschild oder Schaufenster seien nicht erlaubt
- Mitglieder sicherten die Finanzen des Systems durch Mitgliederbeiträge entsprechend ihren Bedürfnissen
- Cannabishandel dürfe es nicht geben. Die Mitglieder müssten sich dazu verpflichten, kein Cannabis zu verkaufen und nicht Dritte, vor allem Minderjährige, zum Konsum zu ermuntern.

Zudem könne in Cannabis Social Clubs Beratung, medizinische Betreuung und soziologische Beobachtung angeboten werden, um Schäden vorzubeugen und im Bedarfsfall vom Konsum abzuraten oder eine Therapiemaßnahme anzubieten. Der Cannabis Social Club Hannover sei ein nach deutschem Vereinsrecht gegründeter Zusammenschluss von erwachsenen und konsummündigen Bürgern mit dem Ziel, die Erlaubnis zu erlangen, die Eigenversorgung seiner Mitglieder mit sauberem Cannabis zum Selbstkostenpreis unter den gegebenen Auflagen zu organisieren.

Das Modell eines Cannabis Social Clubs in Hannover für die regulierte Abgabe von Cannabis sei ein Vorschlag und ein Angebot zur Verbesserung der Situation in einem überschaubaren Rahmen. Das Modell sei einfach zu verstehen und umzusetzen, verantwortungsvoll und nicht gewinnorientiert. In der Umsetzung werde ein ungenutzter Bunker für den Anbau und eine ehemalige Bankfiliale als Niederlassung vorgeschlagen. In beiden könnten die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet werden, beide seien diskret und gut zu schützen. Der Club übernähme die Organisation und stelle qualifiziertes Fachpersonal ein, Sicherheitsdienste übernähmen den Objektschutz und den Transport, Gewerbeaufsicht und Zoll kontrollierten die Qualität und die Einhaltung der Regeln. Die Genehmigung könne vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erteilt werden, das dem Bundesgesundheitsministerium unterstehe. Der Modellversuch könnte mit 250 bis 500 handverlesenen Konsumenten starten, was genügen würde um die Kosten für den Einzelnen in der Form darstellbar zu gestalten, dass jeder ca. 50 bis 100 Euro pro Monat für maximal 5 Gramm pro Tag und 30 Gramm pro Monat ausgeben könne. Wenn nur die Cannabis-Kunden der Faustwiese in Linden für das Modellprojekt gewonnen würden, wäre diese Problemzone schon vom Schwarzmarkt befreit. Dies sei etwas, was der Repression seit vielen Jahren nicht gelinge.

Bis dahin betreibe der Cannabis Social Club Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit über soziale Netzwerke und mit Demos, Aktionen und Veranstaltungen, vernetze sich national und international, trage damit Erkenntnisse und Erfahrungen sowohl aus dem liberalen als auch aus dem restriktiven Umgang mit Cannabis zusammen und gebe diese weiter.


Frau Reichenbach stellte sich als Apothekerin und ehemalige Lehrerin an Berufsbildenden Schulen vor. Sie komme nicht aus Hannover und kenne den hier eingeladenen Herrn Dr. Cimander, den sie heute vertrete, aus einer gemeinsamen Arbeitsgruppe. Auch sie wolle sich kurzfassen und nicht wiederholen, was ihre Vorredner bereits erwähnt hätten.

Die Risiken, die mit der legalen Abgabe von Cannabis verbunden sein könnten, könnten durch einen Cannabis Social Club minimiert werden. Dazu gehöre eine Begrenzung der Zugangsbedingungen (Alter ab ca. 25 Jahre, Wohnort Stadt oder Region Hannover), ein Mitgliedsausweis, eine Begrenzung der individuellen Bezugsmenge, Verbot der Weitergabe von Cannabis an Andere (insbesondere Jugendliche), kein privater Anbau von Cannabis, Qualitätskontrolle der Cannabisprodukte, kein Konsum sonstiger (auch nicht legaler) Drogen, umfassende Informationen und individuelle Beratung für Clubmitglieder, lückenlose Kontrolle der Bezugswege, keinerlei Werbung, angemessene Preise und Steuern, Verbot des Konsums in der Öffentlichkeit und in Einrichtungen, an denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten.

Zwingend erforderlich sei dies durch den Ausbau flankierender Maßnahmen zur Suchtprävention und –therapie. Dazu gehörten niedrigschwellige (auch aufsuchende) Präventions- und Beratungsangebote für Erwachsene, fest etablierte Präventions- und Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche, u. a. in Schulen (bevorzugt nach Auswertung der spezifischen lokalen Besonderheiten, die vorher zu ermitteln seien und sich je nach Kommune, manchmal auch von Schule zu Schule unterschieden, Fortbildungen für Lehrkräfte, Beratungsangebote für Schulen zu akuten Problemlagen niedrigschwellige Beratungsangebote für Eltern Therapieplätze für Kinder und Jugendliche in ausreichendem Umfang (was derzeit nicht gegeben sei) sowie Therapieplätze für Erwachsene in ausreichendem Umfang.

Wenn das Genannte realisiert würde, ergäbe sich die Chance einer wissenschaftlichen Evaluation und dadurch einer Genehmigungsgrundlage für einen solchen Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung. Man könnte prüfen, wie die gesundheitliche und soziale Auswirkungen auf eine definierte Population von Erwachsenen und auch darüber hinaus sind, welche Auswirkung es auf die Sicherheit im Straßenverkehr, den Schwarzmarkt in Hannover und Art und Umfang des Substanzmissbrauchs von Kindern und Jugendlichen gebe. Die Wirkung auf die Häufigkeit von Arztbesuchen und Krankenhauseinweisungen von Kindern und Jugendlichen als Folge von Substanzmissbrauch könnten ermittelt und unterschiedlicher Präventionsmaßnahmen in Bezug auf den Substanzmissbrauch von Jugendlichen evaluiert werden.

Zusammenfassend sei zu sagen, dass ein solches Studiendesign sehr sorgfältig ausgewählt und begleitet werden müsse und auch die flankierenden sowie die Risikominimierungsmaßnahmen, einschließlich Kontrollen weiterlaufen müssten. Hierfür werde Polizeiarbeit weiterhin notwendig sein.


Ratsfrau Klingenburg-Pülm dankte den Gästen für ihre Vorträge sowie dafür, dass es ihnen gelungen sei, sich an die engen Zeitvorgaben zu halten. Dies ermögliche es dem Sozialausschuss, abschließende Fragen zur Vertiefung zu stellen.


Ratsherr Förste sagte, auch nach seiner Beobachtung habe sich in den letzten Jahren, bis auf den zunehmenden Konsum, wenig geändert. Er frage, ob Cannabis nicht vielleicht deswegen als Einstiegsdroge gelte, weil die Dealer auch mit anderen Stoffen handelten und genau dadurch erst der Kontakt zu diesen Stoffen hergestellt werde. Darüber hinaus sei ihm bekannt, dass bereits der Anbau zum Eigenverbrauch streng verfolgt werde und auch ein Joint nicht geteilt werden dürfe, weil dies bereits als Weitergabe von Drogen gelte. Hierzu bitte er um einige Erläuterungen.

Frau Folberth-Seibel erklärte, natürlich handelten die Dealer mit allem, was Geld bringe. Nach ihrer Erfahrung probierten die Jugendliche Drogen jedoch eher in ihren Peer-Groups, also ihrem Freundeskreis, aus, als quer durch die Stadt zu einem unbekannten Dealer zu fahren und dort Cannabis zu erwerben. Die Peer-Group sei entscheidend dafür, ob konsumiert werde und inwieweit der Jugendliche in der selbstbewusst genug sei, trotz des Druckes durch seine Freunde Nein zu Drogen zu sagen.

Bezüglich des Anbaus für den Eigenbedarf müsse unterschieden werden zwischen einer einzelnen Pflanze und einem Anbau über ganze Wohngebäude mit Licht- und Bewässerungsanlagen, so dass 2-3 Ernten jährlich generiert werden könnten. Diesen Unterschied gelte es juristisch zu bewerten. Eingezogen werden müssten die Pflanzen in beiden Fällen, da es verboten sei, Cannabis anzubauen.

Die Weitergabe von Joints sei strafrechtlich relevant, die Verfolgung liege eher im theoretischen Bereich. Klar zu verfolgen sei beispielsweise die Weitergabe eines Joints durch einen Lehrer an seine Schüler.

Weiter bat Ratsherr Förste um Erläuterung, ob eventuell durch die Kriminalisierung des Cannabiskonsums die bestehenden Hilfsangebote nicht in Anspruch genommen würden. Darüber hinaus interessiere es ihn zu erfahren, ob nicht durch den Schwarzmarkt an sich, bei dem zur Gewinnmaximierung Drogen gestreckt würden, zusätzliche Gefahren bestünden, die es bei einer Legalisierung nicht gäbe.

Herr Westermann erläuterte, er könne nicht bestätigen, dass sich Menschen vom Aufsuchen der Beratung abhalten ließen. Diejenigen, die mit ihrem Konsum Probleme hätten, kämen auch zur, garantiert anonymen, Beratung. Bei den Erstkontakten in der Sprechstunde gebe es von 2015 auf 2017 eine Steigerung von 34 auf 38 % bei Personen, die lediglich Probleme mit Cannabis hätten. In absoluten Zahlen seien die 600 von 1.500 Personen in 2017. 8-10 % dieser Menschen würden zur Behandlung weitervermittelt, da sie ein Sucht- oder anderweitiges Problem hätten. Dies seien sehr ernste Fälle. Die restlichen Personen seien diejenigen, die mit Cannabis erwischt worden seien, mit ihrem Leben insgesamt gut klarkämen und für sich selbst keine Probleme mit dem Freizeitkonsum sähen. Insbesondere in der Genderarbeit mit jungen Männern kämen ¾ allein wegen Auflagen z.B. von Ausbildungsstätten oder Jugendgerichtshilfe zur Beratung. Von sich selbst sagten sie, keinerlei Probleme zu haben, einzig, dass sie erwischt worden seien.

Zur Frage der Prävention in Schulen könne Cannabis nicht offen und herangehend thematisiert werden. In der Regel werde sich kaum ein Schüler zu seinem Cannabiskonsum bekennen, da dies schnell eine Klassenkonferenz sowie Ärger zuhause nach sich ziehe, bis hin zum Schulverweis. Bei Alkohol sei es deutlich einfacher, dort könne über Konsumgewohnheiten gesprochen werden, Konsumprofile erstellt, über die Unterschiede zwischen den einzelnen Alkoholika gesprochen werden um zu erläutern, was bereits mit 16 Jahren erlaubt sei und was erst ab 18. Bei Cannabis sei die Aufklärung durch den Status Quo behindert.

Auch wenn es in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden könne, dass Cannabis gestreckt werde, sei dies doch eher unwahrscheinlich. Cannabis könne billig produziert werden, so dass sich der Aufwand nicht rentiere. Das größte Problem sei immer noch der extrem angestiegene Anteil von THC, der das ausgleichende und den psychotischen Anteil mindernde Cannabidiol zurückdränge.

Zur Frage von Herrn Schultz, wie Alkohol im Vergleich zu Cannabis bei Schwangerschaften zu beurteilen sei, sagte Frau Dr. Wenker, beide seien problematisch, aber einmal gemachte Fehler müssten nicht wiederholt werden. Das Fetale Alkoholsyndrom sei sehr schlimm und gegen Alkohol in der Schwangerschaft müsse entschieden angegangen werden.

Zur Anmerkung von Herrn Schultz, dass nach Meinung vieler Experten eine Psychose oft bereits im Menschen vorhanden sei und erst z.B. durch den Konsum des hoch THC-haltigen Cannabis ausbreche, erklärte Frau Dr. Wenker, dies halte sie für eine ausgesprochen gewagte These, die wissenschaftlich nicht belegt sei. Bei Cannabis handele es sich um eine pharmakologische Droge, die aus verschiedenen Substanzklassen mit nachgewiesen psychotischen Effekten bestehe, die neurodegenerative Erkrankungen verursachen könnten. Innerhalb der Bevölkerung gebe es keine große Gruppe von Neurotikern. Aus ihrer Praxis als Onkologin könne sie berichten, dass derzeit vermehrt Cannabinoide in der Schmerztherapie eingesetzt würden. Bei 2/3 der Patienten müsse diese Therapie beendet werden, da sie nicht mit den Nebenwirkungen klarkämen. Die Patienten schilderten genau diese Nebenwirkungen und wünschten sich wieder eines der kalkulierten anderen Analgetika. Cannabis habe also psychogene Nebeneffekte, die therapeutische Breite sei ausgesprochen gering.

Herr Schultz führte weiter aus, die These, Cannabis sei eine Einstiegsdroge, sei lange widerlegt. Zur Fahrtauglichkeit könne, wie beim Alkohol auch, eine Grenze für die Fahrtauglichkeit festgelegt werden. Schwere Körperverletzungen, wie unter dem Einfluss von Alkohol, gebe es, wie bereits von Herrn Dr. Hüttl erwähnt, nach dem Konsum von Cannabis nicht. Die Mittel, die für die Einleitung von Ermittlungsverfahren – die später eingestellt würden – aufgewendet würden, könnten besser für Prävention eingesetzt werden.

Frau Folberth-Seibel entgegnete, bei Alkohol sei der Abbau von 0,1g pro Kilogramm Körpergewicht und Stunde prognostizierbar. Beim THC sei dies nicht der Fall. Auch wenn die aggressionsfördernde Wirkung von Alkohol, insbesondere bei Männern, der Polizei viel Arbeit mache, seien sie nicht miteinander vergleichbar.

Herr Alter sagte, da sich der THC-Gehalt in den letzten Jahrzehnten derart erhöht habe, könne nicht mehr von einer „weichen“ Droge gesprochen werden. Er bitte um ergänzende Erläuterungen zu den gesundheitlichen Folgekosten und sowie den der Volkswirtschaft entstehenden Kosten des exzessiven Cannabiskonsums. Weiterhin interessiere es ihn zu erfahren, ob es in den vergangenen Jahrzehnten Änderungen in den Therapieeinrichtungen gegeben habe oder welches Szenario im Falle einer Legalisierung denkbar sei.

Frau Dr. Wenker erläuterte, die Kalkulation volkswirtschaftlicher Folgekosten sei extrem schwierig, da es neben den ausschließlich Cannabis Konsumierenden auch eine hohe Mischgruppe mit weiteren Drogen, anderen Substanzen sowie anderen Erkrankungen gebe. Klar sei, dass es in Deutschland jährlich 600.000 Jugendliche gebe, die von akuter Cannabisintoxikation betroffen seien, so dass sie nachts in den Notfallaufnahmen der Krankenhäuser aufgenommen werden müssten. Auch der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung spreche von einer Zunahme in den letzten Monaten. Die These hierzu sei, dass die Debatte um eine Legalisierung zur Verharmlosung geführt habe. In einem Aufsatz der Kinder- und Jugendpsychologischen Fachgesellschaft von vor einem Jahr sei festgestellt worden, dass sich die derzeitige Drogenpolitik bewährt habe. Aus Sicht der Verfasser wäre die Legalisierung von Cannabis ein Schritt in die falsche Richtung. Sie setze den generalpräventiven Effekt des BtMG aufs Spiel und konterkariere den erfolgreichen drogenpolitischen Kurs in der Angebots- und Nachfragereduzierung von Cannabisprodukten bei jungen Menschen. Daraus lasse sich ableiten, dass die Zahlen der drogen- und cannabiserkrankten Kinder und Jugendlichen bei einer Legalisierung ansteigen würden. Dies erhöhe definitiv die Kosten, insbesondere bei kleinen Kindern durch Cannabis konsumierende Schwangere. Diese Kinder hätten einen deutlich schwereren Start ins Leben und würden niemals die Erwerbsbiografien durchhalten können, wie gesunde Kinder. Diese Folgekosten seien überhaupt nicht kalkulierbar. Eine Studie dazu mit 2 Gruppen sei allein schon aus ethischen Gründen nicht möglich.

Herr Dr. Hüttl ergänzte, zwar könne er nicht mit Zahlen zu Cannabis dienen, aber für Alkohol lägen Zahlen vor. Im Jahr 2014 standen Steuereinnahmen aus Alkoholverkauf in Höhe von 3,2 Mrd. € Folgekosten in Höhe von 40 Mrd. € gegenüber. Wenn mit Folgekosten argumentiert werde, müsse auch dies mit bedacht werden.

Ratsherr Yildirim erklärte, zwar könne er nachvollziehen, dass Cannabis kontrolliert, nur an Erwachsene, mit Ausweis, medizinisch und sozial begleitet von einer Auswertung, abgegeben werden solle. Allerdings denke er, dass es sich um Suchtkranke handelt, so dass Cannabis auf Rezept abgegeben werden sollte.

Frau Reichenbach entgegnete, einer Abgabe von Cannabis über Apotheken zu Genusszwecken widerspreche sie entschieden. Cannabisprodukte seien keine frei verkäuflichen Arzneimittel, auch nicht für Erwachsene. Es müsse unterschieden werden zwischen dem medizinisch notwendigen, unter ärztlicher Kontrolle abzugebenden Cannabis und dem im Rahmen der kontrollierten Abgabe, beispielsweise über einen Cannabis Social Club abgegebenen Cannabis. Beides dürfe nicht verwechselt werden.

Ratsherr Jacobs sagte, er halte es für sehr gefährlich, wenn bereits Schüler zu sehr auf Cannabis aufmerksam gemacht würden.

Ratsherr Förste ergänzte, zwar wurde zu seiner Schulzeit über Haschisch aufgeklärt, das habe aber eher neugierig gemacht. Ihm sei nicht ganz klar, warum die meisten Antworten hier auf Kinder und Jugendliche sowie Schwangere abhöben. Nur weil es für diese Personen gefährlich sei, könne nicht allen anderen Cannabis verwehrt werden. Er wolle aber betonen, dass es in keinster Weise beabsichtigt sei. Cannabis an Minderjährige abzugeben. Dadurch, dass Cannabis derzeit verboten sei, könne es nur auf dem Schwarzmarkt erworben werden, mit den damit einhergehenden Risiken.

Zur Frage von Ratsherrn Döring, welche Erkenntnisse sich die Polizeidirektion Hannover aus einer lokalen Studie vorstellen könnte, erklärte Frau Folberth-Seibel, diese Frage habe sie sich auch schon gestellt. Auf der ganzen Welt gebe es Forschungen, die sich mit Cannabis befassten, es gebe entsprechende Forschungen zu dem Thema, aber was ein Modellprojekt in Hannover dazu beitragen könne, könne sie nicht beantworten.

(Anmerkung der Protokollführung:
Einige Gäste haben im Vorfeld ihre Redebeiträge übersandt.
Den Anlagen 1 und 2 zu diesem Protokoll können die über das Gesagte hinausgehenden Hinweise der Vortragenden entnommen werden).


Die Anhörung wurde durchgeführt.


TOP 6.
Antrag der CDU-Fraktion zur Einrichtung einer zentralen Ombudsstelle für Flüchtlinge
(Drucks. Nr. 2098/2017)

Ratsfrau Jeschke erinnerte an die gemeinsame Sitzung unter anderem des Sozialausschusses am 16.08.2017 mit der Anhörung zu den Sozialarbeiterischen Standards in Flüchtlingsunterkünften. Dort hätten sowohl ein zeitweilig in einer Flüchtlingsunterkunft untergebrachter Flüchtling, als auch Ehrenamtliche angeregt, eine zentrale und unabhängige Ombudsstelle bei der Stadtverwaltung einzurichten. Diese Anregung habe die CDU-Fraktion bereits in der Anhörung als für die Stadt Hannover wünschenswert erachtet und im Folgenden den hier bereits seit Monaten immer wieder vorgelegten Antrag gestellt. Die Ombudsstelle solle für alle Angelegenheiten rund um die Unterbringung in Flüchtlingsunterkünften zuständig sein und entsprechend halbjährig über ihre Arbeit berichten.

Ratsherr Alter erklärte, auch er erinnere sich an die Anhörung. Aus dem dort Geschilderten zu schließen, im gesamten Stadtgebiet gäbe es Probleme mit Schlechtbehandlung von Flüchtlingen oder dem Beschwerdemanagement, halte er aber für gewagt und bitte daher, die Verwaltung ihre Einschätzung darzustellen.

Stadträtin Beckedorf sagte, seit 2 ½ Jahren gebe es das Integrationsmanagement, das in der Zeit des großen Zuzugs von Flüchtlingen aufgebaut worden sei. Es gliedere sich in 2 Teams, zum einen in den großen Unterkünften, zum anderen dezentral im Fachbereich Soziales. Auch diese Einrichtung mit ihren 40 Stellen entwickele sich ständig weiter. Innerhalb der Stadtverwaltung beschäftigen sich das Baudezernat, mit der Stelle für Unterbringung (des Fachbereiches Planen und Stadtentwicklung), als auch das Sozial- und Sportdezernat, mit dem Integrationsmanagement für Flüchtlingsunterkünfte (des Fachbereiches Soziales), mit dem Thema. Aufgrund der jeweils gemachten Erfahrungen entwickele sich auch diese Arbeit weiter auch im Zusammenspiel beider Dezernate. Insbesondere was die Standards in den Unterkünften angehe, gebe es eine sehr enge Zusammenarbeit. Die Sozialarbeiter des Integrationsmanagements arbeiteten sehr eng mit den Flüchtlingen, so dass sehr viele Informationen bekannt würden. Wenn mal etwas nicht optimal laufe, gebe es kurze Wege zu den Kollegen der Unterbringung.

Speziell für die Ehrenamtlichen gebe es die Koordinationsstelle Flüchtlingshilfe, die ebenfalls im Bereich Migration und Integration des Fachbereiches Soziales angesiedelt sei. Seit Jahresbeginn gebe es dort einen Mitarbeiter, der einen sehr guten und engen Kontakt zu den Ehrenamtlichen pflege.

Ratsfrau Klingenburg-Pülm gab den Vorsitz ab.

Ratsfrau Klingenburg-Pülm sagte, auch ihre Fraktion habe die Anhörung mit dem Eindruck verlassen, dass es wichtig sei, eine derartige Beschwerdestelle zu schaffen. Mit der Stadtverwaltung seien intensive Gespräche geführt worden. Die Verwaltung erarbeite derzeit ein Gewaltschutzkonzept für junge Geflüchtete, das spätestens im Frühjahr 2018 den Ratsgremien vorgestellt werde und auch in den Heimen Anwendung finden könne. Die Verwaltung beabsichtige auch, mehr Personal mit der Kontrolle der Heime zu betrauen. Hierfür könnten sich die Fraktionen in den Haushaltsplanberatungen einsetzen. Der in der Anhörung geäußerte Wunsch sei sicher nicht als aufzunehmende Kritik an der sehr guten Arbeit der Verwaltung zu verstehen.

Ratsfrau Klingenburg-Pülm übernahm wieder den Vorsitz.

Ratsherr Yildirim erklärte, bereits im Internationalen Ausschuss habe er dem Antrag zugestimmt. Er halte die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle für wichtig. Da es sich beim Integrationsmanagement um eine Stelle der Verwaltung handele, glaube er nicht, dass sich Menschen mit ihren Anregungen und Beschwerden dorthin wenden würden. Die Koordinierungsstelle sei seiner Ansicht nach zu wenig bekannt.

Ratsfrau Jeschke machte deutlich, sie habe nicht den Eindruck hinterlassen wollen, dass der geäußerte Wunsch in der Anhörung ihre Fraktion zum sofortigen Handeln veranlasst habe. Vielmehr sei ihr bewusst, dass die immer wieder auftauchenden Probleme den konstruktiven Vorschlag rechtfertigten. Mit einem konkreten Ansprechpartner könne, anders als mit einer ganzen Fachabteilung, besser eine Wertschätzung für die Anliegen der Menschen ausgedrückt werden. Auch die Handhabung bei anderen Kommunen mit Ombudsstelle, einschließlich veröffentlichter Berichte, habe ihre Fraktion zu der Erkenntnis gelangen lassen, auch für Hannover die Einrichtung einer Ombudsstelle zu beantragen.

4 Stimmen dafür, 7 Stimmen dagegen, 0 Enthaltungen


TOP 7.
Antrag der Fraktionen der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zur Modernisierung der Zuwendungen und Optimierung des Controllings
(Drucks. Nr. 2494/2017)

Auf Wunsch der CDU in die Fraktionen gezogen


TOP 7.1.
Änderungsantrag der Fraktion Die FRAKTION zu Drucks. Nr. 2494/2017: Modernisierung der Zuwendungen und Optimierung des Controllings
(Drucks. Nr. 2724/2017)

Auf Wunsch der CDU in die Fraktionen gezogen


TOP 8.
Antrag der CDU-Fraktion zur Streichung der städtischen Zuwendungen für das Jugendzentrum "Kornstraße"
(Drucks. Nr. 2458/2017)

Auf Wunsch der LINKE & PIRATEN in die Fraktionen gezogen


TOP 9.
Antrag der CDU-Fraktion zur Umwidmung der "Stelle für Demokratiestärkung und gegen Rechtsextremismus"
(Drucks. Nr. 2538/2017)

Auf Wunsch der CDU in die Fraktionen gezogen


TOP 10.
2. Ergebnisbericht 2017 für den Teilhaushalt 50 des Fachbereiches Soziales sowie für den gemeinsamen Teilhaushalt 59 der Fachbereiche Soziales und Senioren
(Informationsdrucksache Nr. 2716/2017 mit 2 Anlagen)

Herr Fahlbusch bat um Erläuterung zu Teil I des Teilhaushaltes 50, Erläuterungen. Dort stehe, dass sich der Teilhaushalt planmäßig entwickele, die Mittelfreigabe aufgrund dringender Aufgaben zum Teil nicht eingehalten werden könnten.

Frau Ruhrort erläuterte, die Verwaltung plane den Haushalt mit den ihr zur Verfügung stehenden Zahlen. Regelmäßig würden durch die Kämmerei nur 80 % der Mittel zur Verfügung gestellt. Die Fachverwaltungen seien gehalten, damit auszukommen. Gelinge dies nicht, müsse bei der Finanzverwaltung eine Mittelfreigabe über die
80 % hinaus beantragt werden. Dem werde bei entsprechender Begründung dann entsprochen. Um die Zuwendungen der Empfänger, die bereits bei den Haushaltsplanberatungen berücksichtigt wurden, sei eine Sorge unbegründet.

Herr Fahlbusch hob hervor, er freue sich, dass es gelungen sei, die Jugendarbeitslosenquote in Hannover zu reduzieren (Teil II zu Teilhaushalt 50). Er habe jedoch noch eine Nachfrage zum Produkt 35102, wieso unter Ziffer 2.1 „Ausgestellte Ehrenamtskarten“ der Pfeil zur Seite zeige, was nach der Legende auf Schwierigkeiten bzw. Risiken hindeute.

Frau Ruhrort erinnerte daran, dass die Stadt Hannover im Gegensatz zum Hannover Aktivpass keinen Einfluss auf die Ehrenamtskarten hätte. Es handele sich nicht um ein städtisches Instrument. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Ehrenamtskarte würden vom Land Niedersachsen geprüft und die Verwaltung erhalte lediglich Listen von Berechtigten, beantrage die Karte und gebe diese dann aus. Die Verwaltung habe keinerlei Mittel oder Steuerungsmöglichkeiten, damit die Berechtigten die Karte auch beantragten.

Zur Nachfrage von Ratsherrn Hellmann, wie sich beim Produkt 11132 „Städtische Beschäftigungsmaßnahmen“ bei einem Unterschied von 8,0 zu 7,9 ein -1,25 % ergebe, antwortete Herr Busse, der Unterschied von ergebe in Prozenten eine Abweichung von -1,25 %.

Zur Kenntnis genommen


TOP 11.
2. Ergebnisbericht 2017 für den Teilhaushalt 57 des Fachbereiches Senioren
(Informationsdrucksache Nr. 2576/2017 mit 1 Anlage)

Frau Stadtmüller hob die sehr gute Belegungsquote in den städtischen Alten- und Pflegezentren hervor. Den Mitarbeitern, die dort täglich eine nicht einfache Arbeit verrichteten, solle an dieser Stelle einmal gedankt werden.

Herr Fahlbusch ergänzte, die geplante Durchschnittsnote der Einrichtungen sollte laut Bericht bei <1,3 liegen, erreicht worden sei 1,3. Damit ergebe sich im Bericht lediglich eine „Zielerreichung mit Schwierigkeiten / Risiken“. Da bekanntlich einerseits die Notengebung auch durch die Kompensationsmöglichkeiten nicht wirklich transparent sei, andererseits die Belegungsquote sehr hoch sei, bestehe aus seiner Sicht hier kein Anlass zur Sorge.

Zur Kenntnis genommen


TOP 12.
Jahresbericht des Sozial- und Sportdezernates (Dez. III), Fachbereich Soziales (FB 50) für das Jahr 2016
(Informationsdrucksache Nr. 2771/2017 mit 1 Anlage)

Ohne Aussprache.

Zur Kenntnis genommen


TOP 13.
Bericht der Dezernentin
13.1
Stadträtin Beckedorf wies auf den seit 2011 ausgelobten „Förderpreis Inklusion in der Wirtschaft“ hin. Der Preis könne an Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigten und förderten, vergeben werden. Es wäre ein Anliegen, wenn die Mitglieder des Sozialausschusses den Förderpreis publik machen könnten. Flyer lägen zur Mitnahme bereit.

13.2
Stadträtin Beckedorf berichtete, der Fachbereich Senioren habe vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung aus landesweiten Fördergelder 20.000 € aus einer Richtlinie zur Förderung des Abbaus von Diskriminierungen gleichgeschlechtlich oder bisexuell orientierter, trans- und intergeschlechtlicher Menschen. Das Fördergeld werde für das Projekt Fobimo (Fortbildungsmodule zur Sensibilisierung von Arbeitenden in Medizin, Pflege und Betreuung) für die Bedürfnisse und Bedarfe dieser Personengruppe verwandt.

13.3
Stadträtin Beckedorf machte auf den ebenfalls ausliegenden Flyer zu „Menschen verbinden Menschen“ (ehemals 10.000 Freundschaften) aufmerksam.

13.4
Am heutigen Tage um 16.00 Uhr sei im Bürgersaal des Neuen Rathauses die Ausstellung „Menschen ohne Wohnung fotografieren ihre Stadt“ eröffnet worden, sagte Stadträtin Beckedorf. Die Ausstellung sei täglich von 10:00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Am Freitag, den 24.11.2017 werde am angegebenen Ort eine Diskussions- und Informationsveranstaltung zum Thema stattfinden.

13.5
Stadträtin Beckedorf stellte Frau Dr. Doering als neue Leiterin des Bereiches Migration und Integration des Fachbereiches Soziales vor. Frau Dr. Doering habe die Stelle am 01.11.2017 angetreten. Herr Schneider, der bereits in der vergangenen Woche vom Internationalen Ausschuss verabschiedet worden sei, habe die Bereichsleitung während der 1 ¾-jährigen Vakanz kommissarisch übernommen.

Frau Dr. Doering sagte, sie freue sich, nun motiviert und engagiert in dem Themenfeld für die Landeshauptstadt Hannover tätig zu sein.

Ratsherr Küßner erkundigte sich nach den Sitzungsterminen des Sozialausschusses für 2018.

Stadträtin Beckedorf entgegnete, nach ihrer Kenntnis würden die Termine über die Stelle für Ratsgeschäfte weitergegeben.

Ratsherr Hellmann bat darum, künftig Überschneidungen bei der Sitzungsplanung zu vermeiden.


Ratsherr Gast sagte, er wolle eine Bitte von Ratsfrau Langensiepen weiterreichen. Sie wünsche sich eine Berichterstattung zur Situation von Wohnungslosen und Angebote für diese in Hannover möglichst in der nächsten Sitzung. Dazu bitte sie um Ausführungen zu den allgemeinen Zahlen, bestehende Angebote und deren Auslastung sowie zu besonders schutzbedürftigen Personen wie Frauen und Familien.

Stadträtin Beckedorf wies darauf hin, dass der Stadtentwicklungs- und Bauausschuss hierfür zuständig sei. Gerne werde sie den Wunsch an den Herrn Baudezernenten weiterreichen, dessen Dezernat unter anderem für den Unterhalt und Betrieb von Obdachlosenunterkünften sowie die Angebote in den Unterkünften zuständig sei.

Ratsfrau Klingenburg-Pülm erklärte, auch sie habe den Wunsch nach einem regelmäßigen Bericht zu dem Thema, denn der Sozialausschuss beschäftige sich mit den Hilfsmaßnahmen für Obdachlose. Die genannten Informationen seien daher auch für den Sozialausschuss von Interesse.


Ratsfrau Klingenburg-Pülm schloss die Sitzung.


Beckedorf Hanebeck
Stadträtin für das Protokoll