Informationsdrucksache Nr. 2607/2013:
Zuwanderung aus Staaten Südosteuropas –
Situationsbeschreibung und Handlungskatalog

Informationen:

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2607/2013 (Originalvorlage)

Beratungsverlauf:

Nachrichtlich:

  • Stadtbezirksräte 01 - 13

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverInformationsdrucksache-ZeichenInformationsdrucksache
In den Ausschuss für Integration, Europa und Internationale Kooperation (Internationaler Ausschuss)
In den Sozialausschuss
In den Schulausschuss
In den Jugendhilfeausschuss
In den Stadtentwicklungs- und Bauausschuss
In den Ausschuss für Haushalt Finanzen und Rechnungsprüfung
In den Verwaltungsausschuss
In die Ratsversammlung
An die Stadtbezirksräte 01 - 13 (zur Kenntnis)
 
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2607/2013
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Zuwanderung aus Staaten Südosteuropas –
Situationsbeschreibung und Handlungskatalog

Im Rahmen der Beratungen zum Haushaltsplanentwurf 2013 wurde die Verwaltung beauftragt, eine Drucksache vorzulegen, die Herausforderungen sowie Handlungs- und Regelungsbedarfe durch den verstärkten Zuzug aus Osteuropa beschreibt. Dabei sollte u.a. auch auf Regelungsbedarfe der übergeordneten Politik auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene eingegangen werden.

Vorbemerkung:

Das Thema der verstärkten Zuwanderung aus Staaten Südosteuropas und die damit verbundenen Problemlagen – auch und gerade auf kommunaler Ebene – war in den letzten Monaten Gegenstand zahlreicher Gespräche und Veröffentlichungen auf unterschiedlichen Ebenen.
Insbesondere haben hierzu der Deutsche Städtetag, der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge und eine von der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Länder (ASMK) eingesetzte Kommission, letztere als „Bund- Länder- Arbeitsgemeinschaft“ und unter kommunaler Beteiligung, wichtige Problemaufrisse vorgelegt sowie Lösungsbeiträge für Einzelfragen erarbeitet. Auch die Bundesregierung hat, z.B. in der Beantwortung parlamentarischer Anfragen, wiederholt zu diesem Komplex Stellung genommen.
Die Verwaltung der Landeshauptstadt Hannover hat sich an diesen Prozessen beteiligt und in die Gremien und Entschließungen ihre jeweiligen Kenntnisse und Vorschläge eingebracht. Aus den so erarbeiteten Papieren wird deshalb im Folgenden, z.T. in komprimierter Form, teilweise wiedergegeben und generell Bezug genommen.


1. Südosteuropäische EU-Erweiterung
1.1 EU-Beitritt Bulgariens und Rumäniens
1.2 Verstärkte Wanderungsbewegungen
1.3 Differenzierte Struktur der Zuwanderung

2. Aufenthaltsrechtliche Situation/EU-Freizügigkeit
2.1 Grundsätzliche Freizügigkeit für EU-Bürger
2.2 Einschränkungen der Freizügigkeit

3. Soziale Absicherung
3.1 Grundsicherung für Arbeitssuchende/SGB II
3.2 Sozialhilfe/SGB XII
3.3 Gewerbeanmeldung/Scheinselbständigkeit
3.4 Gesundheitliche Versorgung
3.5 Unterbringung/Zugang zu Wohnraum
3.6 Kindergeld
3.7 Kinder- und Jugendhilfe
3.8 Integrationskurse

4. Situation in Hannover
4.1 Ordnungs- und Gewerberecht
4.2 Soziale Sicherung
4.3 Gesundheitliche Versorgung
4.4 Wohnsituation
4.5 Schulsituation
4.6 Kinder- und Jugendhilfe
4.7 Prostitution

5. Lösungsvorschläge
5.1 Lösungsvorschläge auf nationaler Ebene
5.1.1 Leistungsrecht
5.1.2 Kindergeld
5.1.3 Integrationskurse
5.1.4 Arbeitsmarkt
5.1.5 Gesundheitssituation

5.2 Lösungsvorschläge auf europäischer Ebene
5.2.1 Nutzung europäischer Mittel
5.2.2 Maßnahmen in den Herkunftsländern
6: Handlungskatalog der Stadtverwaltung











Zuwanderung aus Südosteuropa

Insbesondere einige bundesdeutsche Großstädte (genannt werden vordringlich: Duisburg, Dortmund, Berlin (Neukölln), Mannheim u.a.) verzeichnen seit der Aufnahme von Rumänien und Bulgarien in die EU eine verstärkte Zuwanderung aus diesen Ländern. Die Wanderungsprozesse sind intensiv und beinhalten sehr differenzierte Beweggründe und Aufenthaltszeiten. Ein Teil dieser Zugewanderten kann qualifizierte und nachgefragte Berufsbilder nachweisen. Diejenigen, die über einen nur geringen Bildungsstand verfügen, haben jedoch nachhaltige Probleme, Arbeit zu finden; sie haben somit keine solide Grundlage für eine erfolgreiche Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland. In Niedersachsen ist in besonderem Umfang die Landeshauptstadt Hannover betroffen.


1. Südosteuropäische EU-Erweiterung

1.1. EU Beitritt Bulgariens und Rumäniens

Mit dem Beitritt Bulgariens (7,3 Mio. Einwohner) und Rumäniens (21 Mio. Einwohner) im Januar 2007 wurde die fünfte Erweiterung der Europäischen Union abgeschlossen. Gefördert wurde dieser Prozess durch den Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Osteuropa. Der größere Binnenmarkt und die neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten haben nach Ansicht der EU-Kommission den Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit der Europäer gesteigert.
Neben ökonomischen Aspekten wirkt sich die europäische Integration zunehmend auch auf die soziale Ebene der Gesellschaften der Mitgliedsstaaten aus. Wachsendes Wohlstandsgefälle und stark differenzierte Teilhabechancen erhöhen Wanderungsdruck und - bewegungen. Mit Bezug auf Rumänien und Bulgarien hat die Europäische Kommission hierauf bereits in der Vorbereitungsphase des Beitritts beider Staaten 1997 hingewiesen und festgestellt, dass die soziale Lage insgesamt in beiden Staaten problematisch ist.
Auch in den Bereichen Bildung und Arbeit, Gesundheit und Wohnen, Menschenrechte und Minderheitenschutz wurden beträchtliche Defizite gesehen. Davon sei vor allem die Minderheit der Roma betroffen. In ihren das gesamte Beitrittsverfahren begleitenden, regelmäßigen Berichten räumt die Kommission erhebliche Umsetzungsdefizite beim Prozess der Angleichung ein. Sämtliche Erkenntnisse im Rahmen der EU-Beitritte Bulgariens und Rumäniens bestätigen, dass sich die 1997 festgestellten defizitären Bedingungen in den Herkunftsländern bis heute nicht oder nur bedingt positiv entwickelt haben.
Vierzehn Jahre später fasste im Jahr 2011 auch die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage „Zur Situation von Roma in der Europäischen Union und in den (potentiellen) EU-Beitrittsstaaten“ (BT Drucksache 17/7131) zusammen, dass insbesondere die Lebensbedingungen der Roma in vielen Mitgliedstaaten trotz erzielter Fortschritte von offensichtlichen Benachteiligungen geprägt sind. Am deutlichsten treten danach in den wirtschaftlich schwächeren EU-Mitgliedstaaten Mängel im Rahmen der sozialen und wirtschaftlichen Integration auf, konkret in den Bereichen Ausbildung, Beschäftigung, Gesundheit und Wohnen. Programme, dies zu ändern – wie der bulgarische „National Action Plan Roma Inklusion Decade 2005-2015“ oder die „Strategie zur Integration rumänischer Bürger, die der Roma-Minderheit angehören“ – seien nach Ansicht der Bundesregierung entwickelt, nicht aber konsequent umgesetzt worden.
Diese Personen leben vielfach unter schlechtesten sozioökonomischen Bedingungen, in – für gesamteuropäische Verhältnisse – erschütternder Armut, Diskriminierung und ohne gesellschaftliche Teilhabechancen (siehe auch: http://www.stolipinovo.wordpress.com).

1.2. Verstärkte Wanderungsbewegungen

Folge dieser nicht gelösten Probleme sind mit EU-Beitritt ermöglichte Wanderungsbewegungen. Die Bürger/-innen aus Bulgarien und Rumänien nutzen die nunmehr erworbene bestehende Freizügigkeit, um ihre Herkunftsländer zu verlassen und in andere EU-Staaten einzureisen. Die von der EU beabsichtigte Freiheit des Verkehrs von Waren, Dienstleistungen und Arbeitsmarktteilnehmern/-innen wird durch Wanderung der Armutsbevölkerung ergänzt.

Hiervon ist auch Deutschland z.T. als Ziel, z.T. aber auch als Durchwanderungsland betroffen.

Vollständig verlässliche Zahlen hierzu liegen nicht vor, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass alle Personen auch ordnungsbehördlich gemeldet sind. Außerdem ist davon auszugehen, dass Saisonarbeiter und Durchwanderer nur kurzfristig nach Deutschland kommen.
Regelmäßig ist zudem von einem erheblichen Fortzug (Abwanderung) dieses Personenkreises auszugehen; die Nettozuwanderung betrug zuletzt (Stat. Bundesamt) etwa 75.000 Personen (2012) aus beiden Ländern gegenüber noch etwa 32.000 im Jahre 2007.

Nach den Erkenntnissen des Statistischen Bundesamtes haben sich die reinen Zuzüge aus Rumänien und Bulgarien wie folgt entwickelt:

2008 Bulgarien: 23.600 Rumänien: 47.000
2009 Bulgarien: 29.200 Rumänien: 57.300
2010 Bulgarien: 39.000 Rumänien: 75.000
2011 Bulgarien: 52.000 Rumänien: 98.000
2012 Bulgarien: 59.000 Rumänien: 119.000

Die Bundesregierung hat mitgeteilt, dass die Zahl der rumänischen und bulgarischen Staatsbürger/-innen, die sich in Deutschland aufhalten, rd. 213.000 (2012) beträgt, davon rd. 20.000 in Niedersachsen.

1.3. Differenzierte Struktur der Zuwanderung

Diese Zahlen geben allerdings keine realistische Spiegelung der mit der Zuwanderung verbundenen Problemlagen wieder:
Zum einen gehören zu den Zuwanderern vielfach auch Menschen, die aufgrund ihrer Ausbildung in der komplexen Arbeitswelt Deutschlands gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben und aufgrund des demografischen Wandels als Arbeitskräfte nachgefragt werden. Hier tauchen eher Fragen der Abwanderung qualifizierter Fachkräfte aus den Herkunftsländern infolge des europäischen Einkommensgefälles auf.

In einer erheblichen Zahl kommen aber auch Menschen nach Deutschland, die weder eine Berufsausbildung noch eine Schule besucht oder abgeschlossen haben und die aufgrund dieses niedrigen Bildungsniveaus auch langfristig eine besonders schlechte oder gar keine Perspektive haben, in Deutschland nachhaltig in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.
Hinzu kommt, dass dieser Personenkreis sehr häufig über keine angemessene soziale Absicherung in Deutschland verfügt (s.u.).
Insbesondere aber ist darauf aufmerksam zu machen, dass sich diese neue Form der Zuwanderung keinesfalls gleichmäßig verteilt:
Es sind in erster Linie die großen Städte, die vom Zuzug dieses Personenkreises betroffen sind. Vor allem in Städten, in denen Zuwanderer Möglichkeiten haben, in leer stehende Immobilien zu ziehen und Einkommen durch niedrig bewertete Tätigkeiten zu erzielen, gibt es in einigen Quartieren sichtbare Problemkonstellationen, die als solche auch in den Nachbarschaften wahrgenommen werden und zur Verunsicherung der dort wohnenden Bevölkerung sowie Konflikten führen können. Städte mit angespanntem Wohnungsmarkt haben demgegenüber deutliche Probleme, entsprechende Unterbringungskapazitäten für die Zuwanderer zu finden.

Die Zuwanderer – insbesondere aus der Zugehörigkeit zur ethnischen Gruppe Roma – siedeln sich zudem bevorzugt in größeren Familien– oder auch Nachbarschaftsverbänden an, die bereits durch eine enge Verbundenheit in den Herkunftsländern gekennzeichnet sind. Diese wird nach Möglichkeit auch nach der Zuwanderung beibehalten, so dass sich eindeutige Konzentrationen in bestimmten Städten – und hier wieder in ausgewählten Quartieren – ergeben. Beispielhaft wird etwa die Gesamtzahl aller gemeldeten Bulgaren und Rumänen in Berlin mit 27.000, in Dortmund mit 3.500, in Duisburg mit 2.200, in Hamburg mit 13.800 oder in München mit 23.300 Personen beziffert. In Hannover beträgt die Gesamtzahl dieser Personen (ordnungsbehördlich gemeldete Staatsangehörige) bisher rund 3.500 Personen.


2. Aufenthaltsrechtliche Situation / EU-Freizügigkeit

2.1. Grundsätzliche Freizügigkeit für EU-Bürger

Zugewanderte aus Rumänien und Bulgarien genießen als Unionsbürger/-innen in Deutschland grundsätzlich das allgemeine Recht auf Freizügigkeit nach Maßgabe des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (§ 2 Abs.1 FreizügG/EU). Sie dürfen visumfrei einreisen und sich als Tourist/-innen bis zu drei Monate im Bundesgebiet aufhalten. Der Gesetzgeber unterstellt dabei, dass ausreichende Existenzmittel und Krankenversicherungsschutz vorhanden sind. Eine Überprüfung dieser Voraussetzungen ist nicht vorgesehen. Ausreichend für den Aufenthalt ist der Besitz eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses.

Ein Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten besteht für rumänische und bulgarische Staatsangehörige dann, wenn sie:



· Arbeitnehmer/-innen, arbeitssuchend (bis zu 6 Monaten) oder Auszubildende sind (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) oder

· eine selbständige Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 2 Nr.2 FreizügG/EU) ausüben oder

· als nicht Erwerbstätige über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen (§ 4 S. 1 FreizügG/EU).


Ab dem 01.01.2014 genießen auch rumänische und bulgarische Staatsangehörige die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das heißt, dass sie anders als noch bis zum Jahresende 2013 keine Arbeitserlaubnis der Bundesagentur für Arbeit mehr benötigen, um nichtselbständig erwerbstätig zu sein. Sie dürfen sich wie alle EU-Bürger/-innen ohne Einschränkung auf jede Stelle bewerben. Wegen überwiegend fehlender Sprachkenntnisse und mangelhafter Schul- und Berufsbildung dürften die Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt für einen Teil der Zugewanderten allerdings sehr gering sein.
Für die Dauer der Arbeitssuche bestehen in der Regel keine Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII. Anders als Drittstaatsangehörige benötigen Unionsbürger/innen keinen Aufenthaltstitel, der ihnen das Aufenthaltsrecht bestätigt. Bis zum 28.01.2013 wurde freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger/-innen eine Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht ausgestellt. Diese ausschließlich deklaratorische Freizügigkeitsbescheinigung wurde durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU vom 21.01.2013 ersatzlos abgeschafft.
Das Freizügigkeitsrecht erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Familienangehörigen des/der Unionsbürger/-in, wenn diese ihn begleiten oder nachziehen.

2.2. Einschränkungen der Freizügigkeit

Liegen die Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts nicht vor oder entfallen sie später, besteht grundsätzlich keine Freizügigkeitsberechtigung. Dies trifft auf diejenigen Eingewanderten zu, die keinen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt finden. Auch soweit die Betroffenen ein Gewerbe anmelden, besteht Freizügigkeit nur, wenn die selbständige Erwerbstätigkeit nicht nur beabsichtigt und aufgenommen, sondern auch tatsächlich ausgeübt wird.

Eines Verwaltungsaktes, der zum Verlust des Freizügigkeitsrechts führt, bedarf es allerdings nicht. Trotz fehlender Freizügigkeit (und damit unrechtmäßigem Aufenthalt) ist aber eine Aufenthaltsbeendigung praktisch unmöglich. Zwar besteht die Möglichkeit, durch Bescheid den Verlust oder das Nichtbestehen des Freizügigkeitsrechts festzustellen, eine Ausreisefrist zu setzen und die Abschiebung anzudrohen (§ 5 Abs. 4 FreizügG/EU). Die Betroffenen können aber jederzeit auch nach einer Ausreise ein Recht auf Freizügigkeit geltend machen. Ein Aufenthalts- und Wiedereinreiseverbot ist mit dieser Feststellung nicht verbunden, so dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen wirkungslos sind.

Etwas anderes gilt nur für die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (§ 6 Abs.1 FreizügG/EU). Diese Feststellungen haben mindestens ein befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot zur Folge. Allerdings sind die rechtlichen Voraussetzungen hierfür selbst bei Vorliegen von Straftaten sehr eng. So muss insbesondere eine gegenwärtige schwere Gefährdung vorliegen, die die Grundinteressen der Gesellschaft berührt, was extrem selten nachzuweisen ist.


3. Soziale Absicherung

3.1. Grundsicherung für Arbeitssuchende / SGB II

Erwerbsfähige Zuwanderer/-innen (zwischen 16 und 65 Lebensjahren) aus Südosteuropa und ihre Familienangehörigen können – wie alle Unionsbürger/-innen – einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende („Hartz IV“) geltend machen. Rumänische und bulgarische Staatsangehörige sind grundsätzlich trotz ihres bis zum 31.12.2013 eingeschränkten Arbeitsmarktzugangs erwerbsfähig, da ihnen eine Arbeitserlaubnis-EU erteilt werden könnte. Ab dem 1.1.2014 ist ihnen die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung immer erlaubt. Ausgeschlossen ist ein Leistungsbezug für die ersten drei Monate des Aufenthalts (§ 7 Abs. 1 SGB II). Ausgeschlossen von Leistungen nach dem SGB II sind weiterhin Ausländer/-innen und ihre Familienangehörigen auch über die ersten drei Monate ihres Aufenthalts hinaus, soweit sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Besteht neben der Arbeitssuche ein weiterer Aufenthaltsgrund, greift der Ausschlussgrund nicht.
Die Europarechtskonformität dieser Regelungen ist z.Zt. strittig; in einzelnen Verfahren ist die Anwendbarkeit der o.g. Ausschlussgründe als Verstoß gegen europäisches Recht gewertet worden. Bisher fehlt es jedoch an einer höchstrichterlichen Entscheidung zur Europarechtskonformität der Leistungsausschlüsse.


3.2. Sozialhilfe / SGB XII

Für Ausländer/-innen, die sich tatsächlich im Inland aufhalten, regelt § 23 Abs. 1 SGB XII einen Anspruch auf Hilfen zur Sicherung des Lebensunterhalts, Hilfe bei Krankheit, Schwangerschaft, Mutterschaft sowie Pflege nach dem SGB XII. Die Gewährung weiterer Leistungen (§ 8 SGB XII) ist in das Ermessen des Sozialhilfeträgers gestellt (§ 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII). Allerdings ist in § 23 Abs. 3 SGB XII ein genereller Ausschluss von den Sozialhilfeleistungen festgelegt, soweit die Einreise erfolgte, um Sozialhilfe zu erlangen. Ausgeschlossen sind Ausländer/-innen von sämtlichen SGB XII-Leistungen zudem, wenn sich ihr Aufenthaltsgrund allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Liegt der Zweck der Einreise in der Behandlung einer Krankheit, sollen Hilfen bei Krankheit nur zur Behebung eines akut lebensbedrohlichen Zustandes oder für eine unaufschiebbar und unabweisbar gebotene Behandlung einer Krankheit geleistet werden (§ 23 Abs. 3 Satz 2 SGB XII). Krankenhilfe kommt zudem nur in Betracht, wenn der Krankenversicherungsschutz nicht durch die gesetzlich Krankenversicherung oder einen Träger im Herkunftsland gedeckt ist.
Auch hier ist die Vereinbarkeit dieser Regelungen mit europäischem Recht aktuell in der Diskussion.
Generell ist somit festzuhalten, dass für die zugewanderten Unionsbürger/-innen zwar das Recht auf Aufenthalt besteht, zugleich aber keine existenzsichernde soziale Absicherung besteht. – Eine in der öffentlichen Diskussion immer wieder behauptete „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ findet also gerade nicht statt, weil jedenfalls der in Deutschland ansonsten rechtlich garantierte Mindestschutz nicht besteht.

3.3. Gewerbeanmeldung / Scheinselbständigkeit

Um Freizügigkeit abzusichern, bzw. auch Zugang zu Sozialleistungen zu erreichen, besteht grundsätzlich auch für Zugewanderte die Möglichkeit der Gewerbeanmeldung („unternehmerische Tätigkeit“). Besondere Anforderungen an Ausmaß und Qualität der anzumeldenden Gewerbe bestehen nicht; häufig werden qualifikationsniedrige Gewerbe (Hausmeisterdienste; Sammlungen aller Art, Dienstleistungen bei Saisonarbeiten etc.) gewählt. Wird das Gewerbe legal ausgeübt, besteht auch die Möglichkeit, bei nicht ausreichenden Einkünften aus der Erwerbstätigkeit, aufstockende SGB II-Leistungen zu erhalten, ggf. verbunden auch mit Krankenversicherungsschutz.
Infolge z.T. extrem angewachsener Anmeldungen einzelner Gewerbe in bestimmten Städten/Regionen sind auch zunehmend Missbrauchsverdachte und Rechtsprechung hierzu erfolgt. Zuletzt hat z.B. das Landessozialgericht Niedersachsen/Bremen festgestellt, dass insbesondere eine bloße Gewerbeanmeldung nicht zur Leistungsbegründung ausreicht, vielmehr ist auf eine tatsächliche und ernsthafte unternehmerische Tätigkeit abzustellen.

3.4. Gesundheitliche Versorgung

Eine erhebliche Anzahl der Zugewanderten hat Berichten aus der Praxis zur Folge zum Teil schwere gesundheitliche Probleme oder verfügt häufig über keinerlei oder unzureichenden Impfschutz. Zudem fehlen oft Mindestkenntnisse über Hygiene und Gesundheitsschutz. Besonders betroffen von gesundheitlicher Unterversorgung sind Frauen und Mädchen. Unzureichende Sprachkenntnisse erschweren den Zugang von Zugewanderten zum Gesundheitssystem. Zunehmend sind vorhandene medizinische Anlaufstellen auch mit älteren, pflegebedürftigen Menschen mit komplexen Versorgungsbedarfen konfrontiert. Besonderer Handlungsbedarf besteht bei der Verbesserung des Infektionsschutzes (z.B. bei Tuberkulose), der Senkung der Häufigkeit von Neu-Erkrankungen, der Verbesserung der pädiatrischen Versorgung (einschließlich präventiver Maßnahmen wie Impfungen), der Prävention von HIV und Drogenmissbrauch sowie bei der Betreuung von Schwangerschaften und Geburten.
Größte Probleme werfen dabei die Kosten der Gesundheitsversorgung auf. Sofern Zugewanderte Unionsbürger/-innen nicht in ihrem Herkunftsland krankenversichert sind, können diese unter Umständen in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig werden. Mangels Abgleichsmöglichkeit mit den Heimatländern, Meldung und Beitragszahlung entfällt dieser Schutz jedoch in der Praxis sehr häufig bzw. bereitet dessen Durchsetzung nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Für eine Übernahme der Beiträge durch den Sozialleistungsträger fehlt es an einer Rechtsgrundlage (s.o.). Ähnliche Probleme mit der Anerkennung und Durchsetzung des Versicherungsschutzes können dann auftreten, wenn von einer bestehenden Krankenversicherung in den Heimatländern auszugehen ist.
Unionsbürger/-innen, die in ihrem Herkunftsland krankenversichert sind, und ihre Versicherung nachweisen können, werden nach deutschem Recht auf Rechnung des Krankenversicherungsträgers im Herkunftsland behandelt. Zur Durchführung der Kostenerstattung zwischen den Trägern im In- und Ausland ist ein Informations- und Datenaustausch notwendig, der in der Praxis sehr oft nicht zu verwirklichen ist. Regelmäßig ist eine Erstattung von Krankenbehandlungskosten in den Herkunftsländern Bulgarien und Rumänien nicht möglich, da es an Ansprechpartner/-innen in den Herkunftsländern fehlt. Ist der Krankenversicherungsstatus unklar oder fehlt eine Krankenversicherung, sind zunächst freie und caritative Anbieter von Gesundheitsdiensten, insbes. auch Krankenhäuser von finanziellen Mehrbelastungen durch die gesundheitliche Versorgung der Zugewanderten betroffen. Dies ist der Fall, wenn aus humanitären und sozialkompensatorischen Gründen oder aus Gründen der öffentlichen Gesundheit Hilfe geleistet wird. Da diese Leistungen bisher nicht gegenfinanziert sind, werden regelmäßig kommunale Stellen hierzu aufgefordert.

3.5. Unterbringung / Zugang zu Wohnraum



Die zugewanderten Unionsbürger/-innen aus Südosteuropa stellen – entsprechend den Gewohnheiten in ihren Herkunftsländern – regelmäßig unterdurchschnittliche bis extrem geringe Anforderungen an ihre Wohnraumsituation. Dies gilt in besonderem Ausmaß für die aus slum-ähnlichen Situationen heraus Zugewanderten. Von daher werden im Aufnahmeland auch Unterbringungs- und Wohnverhältnisse z.T. weit unterhalb der hier gewohnten Verhältnisse und Ansprüche akzeptiert. Da zudem die eigenen wirtschaftlichen Mittel stark eingeschränkt bis kaum vorhanden sind (s.o.), kommt es vor, dass auch einzelne Vermieter die Situation der Zuwanderer ausnutzen, um ihre Mieterträge durch zimmerweise Vermietung älterer Wohnungen und Überbelegungen zu steigern. Durch Presseberichte ist deutlich geworden, dass u.a. in Städten mit entspannten Wohnungsmärkten den Betroffenen auch Wohnungen vermietet werden, die stark verwahrlost sind und bei der einheimischen Bevölkerung keine Akzeptanz mehr finden. Alternativ sind in einzelnen Kommunen auch leerstehende Häuser bzw. Wohnungen von den Zuwanderern ohne Eingehung von Rechtsverhältnissen genutzt worden. Da die Zuwandernden sich vorzugsweise in solchen Quartieren niederlassen, die ohnehin eine hohe Migrations-, Arbeitslosen- und Sozialleistungsquote aufweisen, kann es zu Problemen bei der Quartiersentwicklung und dem nachbarschaftlichen Miteinander kommen.

Besondere Schutzvorschriften für die Zugewanderten auf dem Wohnungsmarkt bestehen nicht. Auch eine rechtlich fixierte Überbelegungsregelung für Wohnraum existiert im Bundesland Niedersachsen nicht. Sofern als Zuwanderer/-in ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII besteht, umfasst dieser Anspruch auch Hilfen zur Erlangung von Wohnraum; sehr häufig ist dieser Anspruch jedoch nicht gegeben (s.o.).

Auch die für Asylbewerber/-innen geltenden spezifischen Unterbringungsregelungen finden auf den Personenkreis der Unionsbürger/-innen grundsätzlich keine Anwendung, sofern nicht im Einzelfall ein Asylverfahren eingeleitet wird.


Sofern Personen aus dem genannten Kreis obdachlos werden, greifen in Niedersachsen die Regelungen nach dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG), wonach eine Unterbringung zur Abwehr von Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit über eine kurzen Zeitraum durch die zuständige Kommune zu erfolgen hat.

3.6. Kindergeld

Die in § 62 Abs. 1 EStG geregelten Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld sind niedrig. Für freizügigkeitsberechtigte Ausländer/-innen genügt danach der gewöhnliche Aufenthalt im Inland. Kindergeld kann grundsätzlich auch für Kinder bezogen werden, deren gewöhnlicher Aufenthalt im Ausland liegt. Die Höhe des Kindergeldes in Deutschland (z.Zt. 184 Euro für die ersten beiden, 190 Euro für das dritte, 215 Euro für jedes weitere Kind) bietet im Vergleich zu den sehr niedrigen Durchschnittseinkommen in den Herkunftsländern einen gewissen Einreiseanreiz.

Nicht freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger/-innen haben keinen Anspruch auf Kindergeld. Die zuständige Familienkasse (Bundesagentur für Arbeit) hat in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts im Einzelfall vorliegen. Ob dieses angesichts der oben geschilderten Schwierigkeiten zur Feststellung der Freizügigkeit durchgängig praktizierbar ist, erscheint fraglich.

3.7. Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII)



Grundsätzlich haben osteuropäische Zugewanderte als Bürger/-innen der europäischen Union (ungeachtet des Leistungsausschlusses bei SGB II und SGB XII) Ansprüche auf Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe (§ 2 Abs. 2 SGB VIII).
Dies betrifft insbesondere Leistungen der Hilfe zur Erziehung (§§ 27ff. SGB VIII ff) – wobei allerdings regelmäßig Voraussetzung ist, dass der zuständige Jugendhilfeträger Kenntnis vom Hilfebedarf erhält.
Darüber hinaus besteht Rechtsanspruch auf Betreuung in einer Kinderbetreuungseinrichtung ab Vollendung des ersten Lebensjahres (Krippe bzw. Tagesmutter) oder ab Vollendung des dritten Lebensjahres im Kindergarten bzw. einer Tagesmutter.

3.8. Integrationskurse

Zu Integrationskursen, einschließlich der Sprachkurse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, haben Unionsbürger/-innen zwar Zugang, sofern Kapazitäten vorhanden sind, einen Rechtsanspruch auf Teilnahme haben sie, anders als Drittstaatler/-innen jedoch nicht. Zudem stellt der Unkostenbeitrag (1,20 Euro pro Stunde) eine Hürde für die Teilnahme dar. Dieser kann bei Nachweis der Bedürftigkeit erlassen werden, jedoch ist der Nachweis für Armutsmigranten/-innen häufig schwer zu erbringen, insbesondere da er durch Vorlage von Bescheinigungen eines SGB II- oder Wohngeldbezuges zu führen ist.
Außerdem sind die Kurse häufig nicht auf die Bedürfnisse der speziellen Zielgruppe der osteuropäischen Zuwanderer zugeschnitten (z.B. niedrigschwellige Angebote, voraussetzungslose Teilnahme, Orientierung an Familienzusammenhängen, Vorhandensein entsprechender Lehrkapazitäten).

4. Situation in Hannover

Im Rahmen der vorstehend geschilderten generellen Situation stellt sich die derzeitige
Problemkonstellation in Hinblick auf zugewanderte Personen aus Südosteuropa in der Landeshauptstadt Hannover zusammengefasst wie folgt dar:


4.1. Ordnungs- und Gewerberecht

Ordnungsbehördlich gemeldet sind zuletzt in der Landeshauptstadt Hannover 1.372 Personen aus Rumänien und 2.166 aus Bulgarien (Mai 2013). Wie schon oben ausgeführt kann dabei allerdings nicht danach unterschieden werden, welche dieser Personen mit welchen Motivationen oder Qualifikationen nach Hannover gekommen sind.
Festzustellen ist allerdings, dass bis zur EU-Erweiterung 2007 die Zahlen für beide Nationalitäten langjährig konstant bei etwa 350 Personen lagen und sich danach kontinuierlich erhöht haben:

In Hannover gemeldete Personen
Bulgaren
Rumänen
Gesamt
2008
604
505
1109
2009
845
476
1321
2010
1013
525
1538
2011
1299
664
1963
2012
1812
1123
2935
2013
2.166
1.372
3538

Seit 2008 hat sich die Gesamtzahl dieser Zuwander/-innen bis heute mehr als verdreifacht.

Die Meldungen geben allerdings die tatsächliche Zahl der sich in der Stadt aufhaltenden Menschen nur eingeschränkt wieder; hierzu trägt auch bei, dass nach Beobachtung der Stadtverwaltung z.B. auch Abmeldungen erfolgen, weil (irrtümlich) davon ausgegangen wird, es finde eine Überprüfung von Überbelegungen von Wohnungen statt, obwohl hierfür in Niedersachen tatsächlich keine rechtliche Grundlage besteht.

Im Bereich der Gewerbeanmeldungen durch Personen mit rumänischer oder bulgarischer Staatsbürgerschaft ist festzustellen, dass sich die Zahl der Eintragungen im Gewerberegister durch rumänische bzw. durch bulgarische Gewerbetreibende von 150 (2010) auf zuletzt 925 deutlich erhöht hat.

4.2. Soziale Sicherung

Im zuständigen JobCenter Region Hannover haben nach dortiger Auskunft bisher rund 500 Personen aus dem Kreis der Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien Leistungen beantragt. Dabei handelt es sich in aller Regel um Personen, die ein selbständiges Gewerbe angemeldet haben. Antragstellungen durch Erwerbstätige bzw. Arbeitssuchende beschränken sich hingegen auf Einzelfälle. Auf Grundlage der fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit geht das JobCenter davon aus, dass Zugewanderte aus Rumänien/Bulgarien in aller Regel nicht die Voraussetzungen eines Leistungsbezuges erfüllen. Im Bereich der sozialen Hilfen ist der zuständige Fachbereich Soziales besonders stark in die Geltendmachung/Abwicklung von Kostenansprüchen im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung (s.u.) eingeschaltet.
Darüber hinaus wenden sich in erheblichen Ausmaß Einzelpersonen, Betroffene, sowie interessierte Institutionen und Verbände mit Fragen der allgemeinen Sozialberatung, wozu auch solche über Möglichkeiten des Aufenthalts und der Versorgung gehören, an diverse Dienststellen der Stadtverwaltung.
Anfragen in Bezug auf das Kindergeld werden an die zuständige Familienkasse der Agentur für Arbeit weitergeleitet; nach deren Angaben beziehen z.Zt. 204 bulgarische Familien (für insgesamt 290 Kinder) und 106 rumänische Familien (für insgesamt 184 Kinder) in Hannover Kindergeld.


4.3. Gesundheitliche Versorgung

Auch in Hannover stellt sich die gesundheitliche Versorgung der Zuwanderer aus den südosteuropäischen Staaten (vgl. die oben geschilderte grundsätzliche Problematik) als aufwendige, ungelöste Problemkonstellation dar.
Um zwischen den Beteiligten eine abgestimmte Problemwahrnehmung und Handlungsweise zu erzielen, hat der Fachbereich Soziales eine Arbeitsgruppe eingerichtet, der u.a. folgende Institutionen angehören:
- Malteser Migranten Medizin
- Klinikum Hannover
- Krankenhäuser der Diakonischen Dienste Hannover
- Medizinische Hochschule Hannover
- Kinderkrankenhaus Auf der Bult
- Region Hannover / Öffentlicher Gesundheitsdienst
- Straßenambulanz der Caritas
- „Zahnmobil“ / Diakonisches Werk.
Dabei steht die Kostenübernahme für Personen, die als Notfall in einem Krankenhaus aufgenommen werden und keinen Krankenversicherungsschutz genießen, im Vordergrund. Dies schließt auch Entbindungen ein. Hinzu kommen verstärkt Fragen der Nachsorge nach Entlassungen aus dem Krankenhaus durch den ambulanten Bereich.

Anknüpfen lässt sich dabei in Hannover insbesondere an den Versorgungsangeboten freier Träger, die auch schon bisher ohne Absicherung durch das gesetzliche Versorgungssystem arbeiten. So hat der Fachbereich Soziales mit der Malteser Migranten Medizin ein Verfahren entwickelt, unter welchen Voraussetzungen Krankenhilfeleistungen an sich in Hannover aufhaltende, nicht gemeldete oder mit unklaren Aufenthaltsstatus befindliche Personen als Notfallleistungen erbracht werden können. Zwischenzeitlich wurde dieses Verfahren nach entsprechenden Gesprächen auch auf die Krankenhäuser ausgeweitet. Daneben wurde für die Krankenhäuser (Krankenhaussozialarbeit) im JobCenter und im Fachbereich Soziales zentrale Ansprechpartner/-innen benannt um die Kommunikation zu verbessern.

Im vergangenem Jahr hat die Malteser Migranten Medizin als wesentlicher Eckpfeiler dieser Versorgung – wie auch andere Institutionen – darüber berichtet, dass sich eine deutliche Zunahme des Personenkreises aus Südosteuropa in ihrem Klientenkreis bemerkbar mache, der auch insgesamt deutlich angewachsen sei. Hinzu komme ein teilweise besorgniserregender Gesundheitszustand, insbesondere bei rumänischen Kindern mit schlechtem bis fehlendem Impfschutz, schlechten Gebissen, Hautkrankheiten und Parasiten. Auffallend bei erwachsenen Personen sei der im Verhältnis hohe Prozentanteil an Herzkrankheiten. Die Malteser Migranten Medizin stellte dar, dass sie an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gerate.
Festzustellen ist des Weiteren, dass die Hannoverschen Krankenhäuser als sogenannte „Nothelfer“ im zunehmenden Maße Zugewanderte aus Bulgarien und Rumänien behandeln müssen und wegen der oft nicht nachweisbaren Hilfebedürftigkeit bzw. eines fehlenden Versicherungsschutzes auf den Kosten sitzen bleiben. Die gemeldeten Krankheitsfälle zeigen statistische Schwerpunkte bei Chronikern mit Diabetes oder Herz-/Kreislauferkrankungen aber auch zunehmend schwere Herzerkrankungen.
Ein besonderer Handlungsbedarf ergibt sich aus dem Umstand, dass eine größere Anzahl von Frauen aus dem zugewanderten Personenkreis schwanger ist. Besonders engagiert/ betroffen ist in diesem Zusammenhang das Friederikenstift, nach dessen Auswertung von rund 330 Geburten aus diesem Personenkreis über 2/3 der Fälle keinem Kostenträger zugeordnet werden konnten.

4.4. Wohnsituationen

Grundsätzlich liegen der Stadtverwaltung keine repräsentativen Erkenntnisse darüber vor, wo und unter welchen Verhältnissen die Zuwanderer wohnen. Andererseits werden durch diverse Äußerungen aus der Stadtöffentlichkeit, aber auch im Rahmen der regelmäßigen Routinegespräche der Polizeidirektion Hannover und durch die Tätigkeit des Stadtbezirksmanagements immer wieder verschiedene Problemkonstellationen im Zusammenhang mit Zuwanderung aus Südosteuropa deutlich.
Dazu gehört zum einem, dass verschiedene Liegenschaften bekannt geworden sind, die konzentriert von Zugewanderten aus Bulgarien/Rumänien bewohnt werden. Offenbar werden dabei bevorzugt Wohnungen bezogen, die auf dem normalen Wohnungsmarkt nicht mehr vermietbar sind. In nicht wenigen Fällen besteht kein schriftlicher Mietvertrag und die Mietzahlungen erfolgen „auf die Hand“. Regelmäßig ist auch von Überbelegung auszugehen.
Zudem fällt auf, dass in den von Roma bewohnten Objekten häufig Personen türkischer Herkunft als Vermieter auftreten. Dieses Abhängigkeitsverhältnis kann auch bei Erwerbstätigkeiten festgestellt werden, wenn türkischstämmige Unternehmer Verträge mit Roma als Subunternehmer eingehen. Ursächlich hierfür scheint zu sein, dass insbesondere viele bulgarische Zuwanderer aufgrund ihrer Geschichte die türkische Sprache sprechen.
Für die Stadtverwaltung (Bauaufsicht) bestehen im Grundsatz keine rechtlichen Möglichkeiten auf die Anzahl der in einer Wohnung lebenden Personen Einfluss zu nehmen.

Weiterhin tauchen gelegentlich Probleme durch das Lagern von Personen aus dem Zuwandererkreis auf ungenutzten Grünflächen o.ä. auf. Wiederholt wurde festgestellt, dass mehrere Personen z.B. unter Brücken oder an anderen geschützten Orten auch über längere Zeit versuchen Aufenthalt zu nehmen. Im Rahmen wiederholter Kontaktaufnahmen vor Ort durch verschieden Dienste der Stadtverwaltung wurde diesen Personen regelmäßig angeboten, vorübergehend in einer städtischen Unterkunft untergebracht zu werden. Über die Gefahren eines Übernachtens im Freien sowie die auch zu beachtenden Rechte der Grundeigentümer wurde regelmäßig aufmerksam gemacht. Häufig ist dabei allerdings eine sehr eingeschränkte Bereitschaft zur Einsicht und Mitwirkung der betreffenden Gruppen festzustellen.

Wie oben ausgeführt, sind die wohnungslosen EU-Bürger/-innen vom Prinzip her mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestattet wie Inländer. Personen und Familien, die aufgrund der Europäischen Freizügigkeitsregelungen insbesondere aus Osteuropa nach Hannover kommen, müssen sich, wie jeder andere EU-Bürger auch, in erster Linie am örtlichen Wohnungsmarkt mit Wohnraum versorgen. Wie auch bei anderen obdachlos gewordenen Personen erfolgt in Notsituationen bei Einzelpersonen eine Unterbringung in Notschlafstellen. Ziel ist die Abwendung einer unmittelbaren Gefahrensituation; eine über einen kurzen Zeitraum hinausgehende Unterbringung ist nur möglich, wenn gleichzeitig ausreichende Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Zugleich fragen bereits heute auch größere Familienzusammenhänge aus Osteuropa bei der städtischen Wohnraumvorsorge um Obdach nach, weil ihre Mietverhältnisse vor dem Hintergrund stetigen Nachzugs weiterer Personen kurzfristig gekündigt werden.
Bei Familien ist eine Unterbringung in einer Notfallschlafstelle grundsätzlich nicht möglich; sofern ein entsprechender Bedarf auftrat, sind entsprechende Familienverbände daher bisher übergangsweise in entsprechenden Unterkünften untergebracht worden, wobei der Familienzusammenhang beachtet wurde. Nach dem Niedersächsischen Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung sind die Gemeinden verpflichtet, bei entsprechender Notlage Obdach zu gewähren. In welcher Art und Weise dies zu geschehen hat, ist gesetzlich nicht festgelegt.


Die Landeshauptstadt unterhält zurzeit folgende Gebäude zur Versorgung von Obdachlosen Menschen mit Unterkunft:

- Gebäude, Schulenburger Landstr. 335 für Männer mit 147 Plätzen

- Gebäude, Wörthstr. 10 für Männer mit 48 Plätzen

- Gebäude Türkstr. 14 für Männer mit 11 Plätzen

- Gebäude Vinnhorster Weg 73 A für Frauen mit 64 Plätzen

- Mobilwohnheim Burgweg 13 für Paare und Familien mit 28 Plätzen, ab 25.11.13 mit 64 Plätzen

- und ca. 160 Wohnungen

Aktuell und perspektivisch können insbesondere und vor dem Hintergrund stark steigender Zahlen von gesetzlich unterzubringenden Asylbewerber/-innen keine ausreichenden Unterbringungskapazitäten für eine längerfristige Unterbringung des Zuwandererkreises zur Verfügung gestellt werden.



4.5. Schulsituation

Der Schulträger ist bemüht, den Schulkindern der Zugewanderten schulisch eine Heimat zu bieten. Dazu gehört, dass Kindern, die von mehreren Umzügen im Stadtgebiet betroffen sein können, ein Verbleib an ihrer Einschulungsschule ermöglicht wird, um eine Kontinuität für die entstandenen Bezüge zu erhalten. Über den Besuch von Sprachlernklassen soll der Zugang und das Erlernen der deutschen Sprache erleichtert werden.
Im Rahmen von zur Verfügung stehenden Plätzen werden Einschulungen an Ganztagsschulen vorgenommen. Die Ganztagsschulen bieten beste Voraussetzungen über eine größere Zeitspanne Raum für Lernerfahrungen und soziale Kontakte zu bieten. Darüber hinaus können die Eltern z.B. eine Früh- und Spätbetreuung nutzen. Die Schulen klären in Einzelfällen die Fragen des Schülertransportes mit der Region Hannover.

Für die Kinder der Zugewanderten besteht ebenso wie für deutsche Kinder die allgemeine Schulpflicht. Die Schulpflicht beginnt mit einem Aufenthalt von fünf Tagen in Niedersachsen. Zuständig im Grundschulbereich ist die Schule, in deren Schuleinzugsbereich das Kind wohnt.
Ausgehend vom Prinzip der wohnortnahen Beschulung in der Grundschule hat die Landesschulbehörde in diesem Bereich darauf verzichtet, zentrale Sprachlernklassen einzurichten. Für den Bereich der Sekundarstufe I gilt das gesamte Stadtgebiet als Einzugsbereich. Zureisende Jugendliche, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, sollen den berufsbildenden Bereich besuchen. Meldebescheinigungen oder Zeugnisse sind zur Aufnahme in der Schule nicht notwendig; die zuständige Schule überwacht die Schulpflicht und übernimmt die Beratung der Familien – auch die Schullaufbahn betreffend.
Stehen Plätze in den Sprachlernklassen zur Verfügung, können die Kinder bei fehlenden Deutschkenntnissen diese besuchen. Andernfalls sind sie in den Regelschulen aufzunehmen. Eine Umfrage im Kreis der Schulleiter/-innen hat ergeben, dass die vorhandenen Sprachlernklassen überfüllt sind und weitere Kinder nicht mehr aufnehmen können. Rückmeldungen, nach denen Regelschulen die Aufnahme eines Kindes verweigert haben, ist nachgegangen worden. Die Landesschulbehörde hat die Schulleitungen noch einmal schriftlich auf die geltenden schulrechtlichen Bestimmungen im Umgang mit diesem Personenkreis hingewiesen.
Erschwerend ist, dass viele Kinder Analphabeten sind und selbst im Unterricht der Sprachlernklassen völlig überfordert sind. Hinzu kommen die eigenen Wertvorstellungen von einigen Zugewanderten, in denen ein regelmäßiger Schulbesuch keinen sehr hohen Stellenwert hat bzw. Schulpflicht nicht ernst genommen wird.

Betroffene Schulen erhalten zusätzliche Stunden für die Einrichtung von Förderkursen zum Erlernen der deutschen Sprache. Für den Sekundarbereich I existieren derzeit zwölf Sprachlernklassen, die von bis zu 16 Schülerinnen und Schülern besucht werden können. In diesen Klassen können die Kinder und Jugendlichen bis zu einem Jahr verbleiben und sollen auf den Besuch der Regelschule vorbereitet werden. Probleme bereitet dabei sowohl die Zunahme der Zuwanderung insgesamt als auch die Zunahme der Anzahl der nicht alphabetisierten Kinder. Die Lehrkräfte sind auf diese Problemgruppe nur selten vorbereitet.

Das Niedersächsische Kultusministerium hat seit drei Jahren das „Netzwerk für Deutsch als Zweit- und Bildungssprache, Mehrsprachigkeit und interkulturelle Kompetenz in Niedersachsen“ installiert. In drei Phasen nehmen viele Schulen aller Schulformen der Stadt Hannover an diesem Projekt teil. Die beteiligten Schulen sollen befähigt werden, alle Fragen im Zusammenhang der Sprachbildung – sei es die Förderung von Bildungssprache bei Kindern mit Migrationshintergrund bis zur Beschulung von Kindern mit geringsten Deutschkenntnissen – systematisch und kooperativ zu bearbeiten. Dabei geht es nicht nur um Probleme des Deutschen als Zweitsprache, sondern auch um die Würdigung der Mehrsprachigkeit in der Schule.

In den ersten zwei Jahren des Aufenthaltes ist eine Benotung der schulischen Leistungen nicht vorgesehen. In dieser Zeit können frei Bemerkungen über die Entwicklung des Leistungsstandes erstellt werden.

Wie viele Kinder von Zugewanderten in Hannover in den Schulen angemeldet worden sind, lässt sich nicht ermitteln, weil das Merkmal „Osteuropäischer Zuwanderer“ nicht definiert ist. Auffälligkeiten machen sich in der Regel an unentschuldigten Fehltagen fest. Erst bei Hausbesuchen durch die Lehrkräfte wird vielfach deutlich, dass die angegebene Wohnadresse nicht (mehr) von den Familien des Schülers/der Schülerin genutzt wird. Die Kinder dieses Personenkreises besuchen überwiegend Grund- und Hauptschulen, so dass sie sich auf über 60 Schulen verteilen können. In den Schulen wird in nicht wenigen Fällen festgestellt, dass die Kinder die Schule nicht mehr besuchen, nachdem eine Schulbescheinigung ausgestellt wurde.

4.6. Kinder- und Jugendhilfe

Wie bereits erläutert, stehen die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe prinzipiell allen sich im Gebiet der Landeshauptstadt Hannover aufhaltenden Kindern und Jugendlichen zu. Besondere Beachtung verdienen im Zusammenhang mit den Zuwanderern aus Südosteuropa die Kindertagesstätten und die Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII). Für den Bereich der Kinderbetreuung ist eine bisher sehr zurückhaltende Nutzung in Einzelfällen sowie durch länger ansässige Zuwanderer festzustellen.
Der Bereich der Kindeswohlgefährdung wird u.a. durch - auch in Hannover in Erscheinung tretende – bettelnde Mütter in Begleitung von Säuglingen oder Kleinkindern relevant. In diesen Fällen überprüfen die Mitarbeiter der Servicegruppe Innenstadt die Personalien und sprechen Platzverweise aus, die in aller Regel befolgt werden. Sofern dabei Hinweise auf eine Kindeswohlgefährdung deutlich werden, wird der Kommunale Sozialdienst (KSD) eingeschaltet. Dies geschieht auch dann, wenn entsprechende Hinweise von Bürgerinnen und Bürgern eingehen. Es wird vor Ort eingeschätzt, ob eine Kindeswohlgefährdung vorliegt; bisher sind allerdings Fälle ausgeblieben, in denen eine solche festgestellt werden musste. Für eine entsprechende Einschätzung werden regelmäßig Pädiater/-innen der Region Hannover, mit denen der KSD im Rahmen des Kinderschutzkoordinierungszentrums eng zusammenarbeitet, hinzugezogen.
Im Zusammenhang der Kooperation mit den Krankenhäusern ist in bisher fünf Fällen ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung im Zusammenhang mit Zuwanderern/-innen aufgetaucht. Durch gute und enge Kooperation konnten jeweils eine sofortige und umfassende Überprüfung durchgeführt und gegebenenfalls entsprechende Schutzmaßnahmen, wie sie auch für andere Fälle gelten, eingeleitet werden.

4.7. Prostitution

Aufgrund der aktuellen Sperrbezirksverordnung für den Straßenstrich Hannover dürfen Frauen nur noch in der Mehlstraße, der Herschelstraße (zwischen Brüderstraße und Celler Straße) und Teilen der Andreaestraße der Prostitution nachgehen. Der Verein Phoenix e.V. hält im Rahmen des Projekts „Nachtschicht“ ein erweitertes Beratungsangebot für die Frauen vor. In den letzten Jahren hat sich die Zusammensetzung des Personenkreises deutlich verändert: Etwa die Hälfte der Prostituierten sind Frauen mit Migrationshintergrund, ein großer Teil stammt aus Bulgarien und Rumänien.

Zum Teil haben die Frauen ihre Kinder bei der Familie im Heimatland gelassen und unterstützen diese regelmäßig mit Geld. Andere leben hier in Familienzusammenhängen, gehen für den Lebensunterhalt der Prostitution nach, während andere Familienmitglieder die Kinder beaufsichtigen oder betteln gehen.
Ausweislich der Erfahrungen des Vereins Phoenix sind viele der Frauen bemüht, einen angemessenen Wohnraum zu finden und ihre Kinder in die Schule zu schicken. Oft reicht das Einkommen (inkl. Kindergeld) nur für die Grundversorgung (Miete und Lebensmittel). Für eine Krankenversicherung ist meist kein Geld mehr vorhanden.

Der Verein berichtet von einer hohen Fluktuation auf dem Straßenstrich, die sich besonders auf junge Frauen bezieht, die ohne Familie in Deutschland leben und wiederholt zur Prostitution die Stadt wechseln. Diese Frauen sind häufig Opfer von Zwangsprostitution.


5. Lösungsvorschläge

5.1. Lösungsvorschläge auf nationaler Ebene

Aufbauend auf den genannten Positionspapieren, insbesondere des Deutschen Städtetages und des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, hat zuletzt unter Federführung der Freien und Hansestadt Hamburg die Bund- Länderarbeitsgemeinschaft „ Armutswanderung aus Osteuropa“ ihren Abschlussbericht für die Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder, den diese wiederum der Bundesregierung zuleitet, vorgelegt. In den Arbeitsgruppen zur Erstellung aller drei genannten Berichte hat die Landeshauptstadt Hannover mitgewirkt.
Als wichtigste zurzeit aufgestellte Forderungen zum Umgang mit der neuen Qualität der Zuwanderung von Menschen aus Südosteuropa an Bund, Länder und die europäische Ebene seien hier zusammenfassend genannt:

5.1.1. Leistungsrecht

Die Bund- Länder-AG hat sich für eine rechtliche Klarstellung im SGB II und SGB XII ausgesprochen, die Rechtssicherheit über die nach diesen Gesetzen zu leistenden Nothilfeleistungen, die auch dann zu gewähren sind, wenn keine anderen Leistungsansprüche bestehen, gibt. Der Bund lehnt diesen Vorschlag bisher mit der Begründung des Schaffens einer neuen Sozialleistung für einen Personenkreis, der eigentlich von Leistungen ausgeschlossen werden soll, ab.

5.1.2. Kindergeld

Die Bund- Länder-AG hält eine Anpassung der Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld, z.B. durch Kopplung an einen Schulbesuch oder den tatsächlichen Aufenthalt des Kindes in Deutschland für erstrebenswert.
Seitens der Bundesregierung bestehen hiergegen europarechtliche Bedenken; dies wird jedoch überprüft.

5.1.3. Integrationskurse

Die Bund- Länder-AG hält einen Rechtsanspruch auf Teilnahme an den Integrationskursen auch für Unionsbürger/-innen für notwendig.
Darüber hinaus wurde eine durch die Südosteuropa-Erweiterung notwendige Erhöhung der Kapazitäten der Integrationskurse gefordert.

Das federführende Bundesinnenministerium hegt Zweifel im Hinblick auf die Erreichbarkeit der Zielgruppe und lehnt bisher beide Schritte ab.

5.1.4. Arbeitsmarkt

Im Hinblick auf die vielfach vorhandene Unkenntnis der Rechte als Arbeitnehmer hat die Bund- Länder-AG an die Bundesagentur für Arbeit appelliert, in allen laufenden Antragsverfahren eine Prüfung vorzunehmen, ob insbesondere bei Zuwanderern aus Osteuropa ausbeuterische Arbeitsverträge vorliegen.

5.1.5. Gesundheitssituation

Die Bund- Länder-AG ist der Auffassung, dass für die Gruppe der neuen Zuwander/-innen in jedem Fall eine (Mindest-) Absicherung im Krankheitsfall bestehen soll, sei es durch eine Krankenversicherung im Heimatland oder in Deutschland oder über Sozialleistungssysteme. Über welches konkrete Versorgungssystem eine Absicherung erfolgt, muss jedoch in jedem Einzelfall geklärt werden. Hierfür schlägt die Bund- Länder-AG u.a. vor:
- Ein vom Bund finanziertes Kompetenzzentrum, das neben einer Beratung zur
Rechtslage auch die Durchsetzung von Rechtsansprüchen bündelt und
koordiniert.
- Eine zusammenfassende, aktualisierte Kurzdarstellung der Rechtssituation
insbesondere den Trägern der Krankenversicherung zukommen und von diesen durchsetzen lassen.
- Eine Fondslösung um Kosten der betroffenen Kommunen aufzufangen.

Allen genannten Forderungen stehen nach Ansicht des Bundes verfassungsrechtliche Bedenken und bereits vorhandenen Zuständigkeiten entgegen.

5.1.6 Unterstützung für die Kommunen

Die Bund- Länder-AG hat anerkannt, dass für die betroffenen Kommunen erhebliche Kosten u.a. für:
· Notfallversorgung im Krankheitsfall und Durchführung erforderlicher Impfungen,
· Krankentransporte ins Heimatland,
· Betreuung der zugewanderten Kinder in Kitas und Schulen,
· Hilfen zur Erziehung,
· Betreuung der Zuwanderer durch Sozialarbeiter und Beratungsstellen mit muttersprachlicher Kompetenz,
· eigene Anlaufstelle, die zu Perspektiven und Rückkehrmöglichkeiten ins Heimatland beraten und leisten,
· Einhaltung ordnungsrechtlicher Vorschriften,
· öffentliche Unterbringung

entstehen.

Trotz der Einstufung dieser Problemlagen als „nicht temporäres soziales Problem“ und dem Verweis auf die Bundes-Zustimmung zur EU-Erweiterung konnte eine entsprechende Lösung bisher nicht gefunden werden. Auch seitens des Landes Niedersachsen sind entsprechende Vorschläge bisher nicht bekannt geworden.


5.2 Lösungsvorschläge auf europäischer Ebene

5.2.1 Nutzung europäischer Mittel

Der Bund verweist insbesondere auf die Nutzung von Programmen, die aus dem europäischen Sozialfonds (ESF) für die Zuwanderer-Integration nutzbar gemacht werden könnten. Allerdings ist dies entscheidend von der Gestaltung der Umsetzung durch die Länder abhängig. Zudem ist für praktisch alle ESF-Mittel ein Arbeitsmarktbezug erforderlich, der gerade vielen dieser Zuwanderer/-innen fehlt. Die Einbringung von Eigenmitteln kommt hinzu.
Eine Änderung/Ausweitung des ESF-Bundesprogramms für die Zielgruppe der Armutswanderer wird bisher abgelehnt.

5.2.2 Maßnahmen in den Herkunftsländern

Um Abwanderungen dauerhaft zu stoppen, werden immer wieder insbesondere auch wirksame Maßnahmen in den Herkunftsländern gefordert.
In den diversen Arbeitspapieren wird dazu darauf aufmerksam gemacht, dass insbesondere die 2014 beginnende neue Förderperiode des Europäischen Strukturfonds genutzt werden könnte.

Städtetag, Deutscher Verein u.a. fordern deshalb v.a. dazu auf:
- Bei EU-Förderprogrammen der Periode ab 2014 die Unterstützung und Integration von Armutszuwanderern aufzunehmen.
- Rumänien und Bulgarien bei der Ausschöpfung von Förderprogrammen - auch bi-nationale - Hilfestellung zu leisten.
- Z.B. „Integrationskommissare“ der EU in diesen Ländern einzusetzen, um
Strategien der Chancenverbesserung für Minderheiten und Armuts-
population mit europäischer Unterstützung zu eruieren.


6. Handlungskatalog der Stadtverwaltung

Die Landeshauptstadt Hannover besitzt eine langjährige Tradition als integrationsfreundliche und tolerante Gemeinschaft. Dies gilt auch gegenüber Zuwander/-innen, die ihre Heimat aus materieller Not und/oder wegen diskriminierender Lebensumstände verlassen.

Andererseits bleibt Integration ein gegenseitiger Prozess, der auch von den Zuwandern/-innen Anpassungsleistungen verlangt. Gerade die Aufnahme von Armutszuwanderern verlangt jedoch die Gestaltung integrationsfreundlicher Rahmenbedingungen auf allen Ebenen. Hier fehlt bisher wirksame Anerkennung und Unterstützung des Bundes und des Landes. Eine reine „Kommunalisierung“ des Zuwanderungsprozesses kann nicht erfolgreich sein.

Mit ausschließlich eigenen Mitteln und Konzepten sind bisher die unten aufgeführten Punkte eingeleitet worden. Angesichts der aber vermutlich erst beginnenden Problematik wird dieser Katalog beständiger Überprüfung und ggf. Fortschreibung zu unterliegen haben.
Deutlich geworden ist schon jetzt, dass gewohnte, herkunftsunspezifische Integrationskonzepte der Ergänzung und/oder Anpassung im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse dieser Gruppe bedürfen.

1. Dezernatsübergreifende Arbeitsgruppe
Um auf die Herausforderungen angemessen reagieren zu können, ist ein koordiniertes Zusammenwirken der beteiligten Fachbereiche erforderlich. Hierzu sind eine Arbeitsgruppe (Federführung: Fachbereich Soziales) eingerichtet und Unterarbeitsgruppen beschlossen worden, die anfallende Probleme abstimmen. Regelmäßig werden auch Beteiligte außerhalb der Verwaltung eingebunden, z. B. Polizei, aha, Region Hannover, Freie Wohlfahrtspflege, JobCenter, Landesschulbehörde etc.

2. Koordinierungsstelle „Südosteuropäische Zuwanderer“
Im Zuge der vom Oberbürgermeister eingeleiteten Neuordnung der Stadtverwaltung wird ab 01.01.2014 eine „Koordinierungsstelle Südosteuropa“ im gleichfalls neu eingerichteten Bereich „Migration und Integration“ im Fachbereich Soziales eingerichtet.
Im Vorgriff sind bereits 2013 jeweils eine rumänisch und bulgarisch sprechende Mitarbeiterin zur Beratung der Zuwanderer eingestellt worden.

3. Kooperationsrunde mit betroffenen Institutionen
Alle mit osteuropäischen Zugewanderten in prekären Verhältnissen betroffenen Institutionen werden vom Fachbereich Soziales zu einem regelmäßigen Austausch eingeladen. Damit soll eine regelmäßige, umfassende Information der Verwaltung wie auch der Aufbau eines Hilfenetzwerkes, auf das die Außendienste zugreifen können, gewährleistet werden.

4. Zusammenarbeit mit der Polizei
Die regelmäßigen Abstimmungsgespräche zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Ordnungsdezernenten betreffen übergreifend alle Berührungspunkte zur Stadt Hannover, u.a. auch das sogenannte "Unordnungskataster". Die Koordinierung bei Problemen mit einzelnen privaten Gebäuden wird vom Stadtbezirksmanagement wahrgenommen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Stadtbezirksmanagement und den jeweils zuständigen Polizeidienststellen klappt ausgezeichnet

5. Unterbringung
Da die genannten Kapazitäten vor dem Hintergrund ohnehin strukturell steigender Obdachlosenzahlen weitgehend erschöpft sind, musste die Verwaltung kurzfristig in der 2. Jahreshälfte 2013 für mehrere osteuropäische Familien in der Turnhalle der Obdachlosenunterkunft Wörthstrasse 10 (5 Familien, insgesamt 32 Personen), in der ehemaligen Flüchtlingsunterkunft Alte Peiner Heerstraße2 (9 Familien, insgesamt 35 Personen) Unterkunftsmöglichkeiten im Obdach zur Verfügung stellen. Seit dem 25. November 2013 stehen in der erweiterten Obdachlosenunterkunft im Burgweg 13 weitere 36 Plätze zur Verfügung, von denen die ersten bereits wieder belegt sind.
Gegenwärtig halten sich 28 Familien mit insgesamt 103 Personen aus Osteuropa in kommunalen Obdach auf.

Anders als bei der Versorgung von Flüchtlingen mit Unterkunft nach Asylbewerberleistungsgesetz ist es für die Verwaltung nicht absehbar, wie sich durch die Liberalisierung der Freizügigkeitsregelungen der EU die Lage im Obdach entwickeln wird. Aus diesem Grunde und zur Vermeidung von falschen Erwartungen an die Möglichkeiten der Landeshauptstadt Hannover in diesem Bereich, wird davon abgesehen, im zeitlichen Vorgriff Kapazitäten zu schaffen. Soweit möglich werden stattdessen kurzfristig und vorübergehend Notunterkünfte im baulichen Bestand aktiviert.


6. Unterstützung ethnischer Vereine
Um ihre besonderen ethnischen und sprachlichen Kompetenzen bei den Zuwanderern zu nutzen, werden seit dem Haushaltsjahr 2013 der „Verein für Sinti und Roma in Niedersachsen“ und das „Forum für Sinti und Roma e. V.“ mit jeweils 15.000,- Euro von der Stadt unterstützt.

7. Stabilisierung der medizinischen Notfallhilfe

Um das medizinische Notfallangebot der Malteser-Migranten-Medizin trotz des erheblich angestiegenen – und ausdifferenzierten – Bedarfs aufrecht zu erhalten, wird dies seit 2013 städtischerseits mit 30.000 Euro jährlich unterstützt. Durch Gespräche mit der Region Hannover konnte zudem erreicht werden, dass eine gleichhohe Förderung auch von dort aus geschieht.

8. Kinderbetreuung
Die Nachfrage nach Kinderbetreuung durch Zuwanderer-Eltern aus Südosteuropa beschränkt sich bisher auf Einzelfälle. Es soll deshalb sowohl in den Kontaktgesprächen wie auch durch entsprechende muttersprachliche Handreichungen verstärkt auf einen Kitabesuch hingearbeitet werden. Der Einbezug der Sensibilisierung für die besonderen Belange dieser Zuwanderungsgruppe in Fortbildungen für das Personal ist geplant.

9. Einrichtung eines Elterntreffs

Aufgrund eines Beschlusses des Bezirksrat Mitte prüft die Verwaltung die Umsetzung eines Elterntreffs in Trägerschaft der Katholischen Familienbildungsstätte in der Calenberger Neustadt sowie eine mögliche diesbezügliche Landesförderung. Durch geeignete Vernetzung mit den bestehenden Hilfs- und Betreuungsangeboten soll für Familien mit kleinen Kindern auch aus dem osteuropäischen Zuwandererkreis ein niedrigschwelliger Zugang erreicht werden.




10. Wahrung des Kindeswohls
Grundsätzlich wird der Kommunale Sozialdienst (KSD) bei allen Fragen zur Wahrung des Kindeswohls eingeschaltet.
Durch die Servicegruppe Innenstadt werden die Personalien von beim Betteln in der Innenstadt angetroffenen Frauen mit Kindern regelmäßig überprüft.
Das Betteln mit Kindern wird als Ordnungswidrigkeit eingestuft, erforderlichenfalls werden Platzverweise ausgesprochen, die notfalls wiederholt werden, wenn die Personen mit den Kindern an anderen Orten angetroffen werden. Der KSD wird zur Abklärung weiterer Schritte im Interesse des Kindes eingeschaltet.

11. Schulische Förderung
Bei allen Beratungssituationen wird – soweit einschlägig – auf die in Deutschland bestehende Schulpflicht einschließlich der mit ihrem Nicht-Einhalten verbundenen Sanktionen, hingewiesen. Kinder mit fehlenden Deutschkenntnissen sollen in Zusammenarbeit mit den Schulen soweit möglich Sprachlernklassen besuchen können.
Soweit erforderlich können mit Rücksicht auf die Unterbringungssituation bei schulpflichtigen Kindern befristete Ausnahmen von den Schulbezirksgrenzen zugelassen werden.

12. Muttersprachliche Beratung für Prostituierte
Die Stadt fördert mit 35.000 Euro pro Jahr den Einsatz einer bulgarisch sprechenden Sozialarbeiterin auf dem Straßenstrich beim Verein „Phoenix“.

13. Rückkehrhilfen und –beratung

Der Fachbereich Soziales übernimmt als freiwillige Leistung in Absprache mit der Bahnhofsmission die Kosten für eine Rückkehr ins Heimatland (Busfahrt) wenn dies gewünscht wird. Über das Verfahren wurden aus Anlass der zunehmenden Zahl von Zugewanderten alle betroffenen städtischen Dienststellen, die Krankenhäuser und Organisationen informiert.

14. Integrationskurse
Aufgrund der nicht ausreichenden Kursangebote des Bundesamtes prüft die Verwaltung, welche Möglichkeiten bestehen, 2014 ein erhöhtes Angebot an Integrationskursen bereitzustellen.

15. Scheingewerbe
Gewerbeanmeldungen, bei denen die Personen erkennbar nicht die Absicht haben das Gewerbe auch tatsächlich auszuüben, nimmt der Fachbereich Recht und Ordnung nicht zur Bearbeitung an. Bei Verdacht auf Scheinselbständigkeit wird die zuständige Behörde (Hauptzollamt) informiert.

16. Kontaktaufnahme zu den Herkunftsländern
Um insbesondere Ansprechpartner/-innen für Beratung, rechtliche Probleme und Sozialversicherungsfragen zu bekommen, hat sich die Verwaltung an die Botschaften Rumäniens und Bulgariens gewandt und versucht, entsprechende Kontakte anzubahnen.
Mit Vertreter/-innen der bulgarischen Botschaft hat – gemeinsam mit Vertretern der Polizei und der Wohlfahrtspflege – ein grundlegendes Austauschgespräch stattgefunden. Als ein Ergebnis wird eine Kollegin aus der bulgarischen Sozialverwaltung für vier Wochen in Hannover hospitieren. Mit rumänischen Vertreter/-innen wird Ähnliches angestrebt.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Auch in der Frage der gleichberechtigten Teilhabe der Geschlechter an Lebenschancen bestehen bei den Zuwanderern/-innen aus Südosteuropa z. T. deutliche Unterschiede zur ansässigen Bevölkerung. Die Lebensumstände sind zudem stark von dem Zusammenleben größerer Familienverbände gekennzeichnet, was wiederum besondere Ansprüche an verschiedene Zugangs- und Hilfesysteme stellt. Hierauf wird bei den einzelnen Thematiken jeweils eingegangen.

Kostentabelle

Eine unmittelbare Entscheidung über Haushaltsmittel ist mit dieser Information nicht verbunden.

Dez. III , Hannover/10.12.2013
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