Drucksache Nr. 2052/2017:
Unterstützung der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“

Inhalt der Drucksache:

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2052/2017
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Unterstützung der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“

Antrag,

Die Landeshauptstadt Hannover unterstützt durch Unterzeichnung der in Anlage 2 beigefügten Erklärung die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ initiiert von der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband und der Bundesärztekammer. Der Rat beauftragt die Verwaltung, die Umsetzung der in der Charta geforderten Grundsätze zu verfolgen. Der Rat wird sich im Rahmen der ihm gegebenen Möglichkeiten für die Umsetzung der Charta einsetzen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Die Unterstützung der „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ richtet sich an alle Personen, unabhängig vom Geschlecht.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Begründung des Antrages

Am 17. August 2010 wurde eine Charta verabschiedet, in welcher der Ist-Zustand in der Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland dargestellt wird – verbunden mit Handlungsoptionen und einer Selbstverpflichtung für die Zukunft. Träger sind die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), der Deutsche Hospiz- und Palliativverband (DHPV) und die Bundesärztekammer (BÄK). Am 8. September 2010 ist die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ in Berlin präsentiert worden.

Die fünf Leitsätze der Charta sind:

1. Gesellschaftspolitische Herausforderungen – Ethik, Recht und öffentliche Kommunikation
2. Bedürfnisse der Betroffenen – Anforderungen an die Versorgungsstrukturen
3. Anforderungen an die Aus-, Weiter- und Fortbildung
4. Entwicklungsperspektiven und Forschung
5. Die europäische und internationale Dimension

Die Charta soll dazu beitragen, unter Beachtung bestehender Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten die auf unterschiedlichen Ebenen bestehenden Interessengegensätze zu überwinden und die Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen zu verbessern. Im Rahmen einer Nationalen Strategie will die Charta dazu beitragen, Sterben, Tod und Trauer als Teil des Lebens zu begreifen und eine Verantwortung der Gesellschaft, Politik und aller Beteiligten im Gesundheitssystem für einen gerechten Zugang zu einer würdevollen Begleitung und Versorgung am Lebensende zu ermöglichen und damit das Versorgungsangebot schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland weiter zu entwickeln.

Der vollständige Text der Charta ist als Anlage 1 beigefügt.

Im Internet ist die Charta zu finden unter
http://www.charta-zur-betreuung-sterbender.de/files/dokumente/RZ_151124_charta_Einzelseiten_online.pdf

Der Deutsche Städtetag hat sich am Runden Tisch (initiiert von den Trägern des Charta-Prozesses Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, Deutscher Hospiz- und Palliativverband und Bundesärztekammer) beteiligt, der zur Entwicklung der Charta gegründet wurde. Die Charta wurde 2010 am Runden Tisch von den beteiligten Institutionen im Konsens verabschiedet.

Weitere Entwicklungen
Fünf Jahre nach der Erstveröffentlichung der Charta wurde 2015 ein inhaltlich unveränderter Neudruck, der um einen Ausblick zur Umsetzung erweitert wurde, herausgegeben. Daran anknüpfend sind Handlungsempfehlungen im Rahmen einer nationalen Strategie veröffentlicht worden.

Der Gesetzgeber hat mit dem Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) im Dezember 2015 auf die zunehmenden Herausforderungen einer alternden Gesellschaft und den damit verbundenen Anforderungen an die Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen bis ans Lebensende reagiert. Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. (DV) hat im Rahmen eines Empfehlungspapiers im März 2017 Anregungen für die Weiterentwicklung der hospizlichen Begleitung und Palliativversorgung älterer und hochaltriger Menschen herausgegeben, um die würdevolle Begleitung, Versorgung und Betreuung in der letzten Lebensphase zu fördern.

Die Empfehlungen des DV weisen ebenso wie auch schon die Charta daraufhin, dass mit der zunehmenden Zahl älterer und hochaltriger Menschen der Bedarf an hospizlicher Begleitung, palliativmedizinischer und palliativpflegerischer Versorgung und ebenso an psychosozialer und spiritueller Begleitung bis zum Lebensende ansteigen wird. Die meisten Menschen (ca. 60 %) äußern den Wunsch, in ihrer vertrauten Umgebung, im Kreise der Familie und anderer Vertrauenspersonen zu sterben. Tatsächlich aber sterben rund 75 % aller Menschen in Deutschland in Krankenhäusern (40 %), wohin sie oftmals noch kurz vor dem Sterben überwiesen werden, oder in stationären Pflegeeinrichtungen (ca. 35 %). Auch diese sind häufig nicht der seit geraumer Zeit vertraute Lebensort, denn ca. 30 % aller Bewohner/innen von stationären Pflegeeinrichtungen versterben bereits im ersten Vierteljahr nach dem Einzug. Der Ort und die Umstände des Sterbens entsprechen somit häufig nicht dem Wunsch sterbender Menschen und ihrer Angehörigen. Hospizbewegung, Hospizarbeit und Palliativversorgung haben zur Verbesserung der Begleitung und Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen und zur Unterstützung Angehöriger und anderer Vertrauenspersonen entscheidend beigetragen. Sie haben die Wahrnehmung für die Bedürfnisse schwerstkranker und sterbender Menschen geschärft und den Umgang mit Sterben, Tod und Trauer als eine gesellschaftliche Aufgabe thematisiert. In den letzten Jahren sind beim Auf- und Ausbau der Versorgung bereits Fortschritte erzielt worden. Damit alle schwerstkranken und sterbenden älteren Menschen an ihren vertrauten Lebensorten möglichst bedarfsgerecht versorgt werden können, ist jedoch eine gezielte Weiterentwicklung der Hospiz- und Palliativversorgung erforderlich.

Mit Stand vom Juli 2017 haben 1.582 Organisationen und Institutionen, darunter Landesministerien, Landeshauptstädte, Städte, Kreisstädte und Landkreise, sowie 17.275 Einzelpersonen die Charta unterschrieben.

Für die schwerstkranken und sterbenden Menschen, ihre Familien und ihnen Nahestehende ist entscheidend, die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen“ in die Öffentlichkeit zu tragen, zu verbreiten und den Dialog über ihre Inhalte und Ziele zu fördern sowie die für notwendig erachteten Umsetzungsschritte einzuleiten und in ihrer Wirksamkeit zu überprüfen.

Trotz der genannten Ansätze und des HPG gibt es noch weiteren (gesetzgeberischen) Handlungsbedarf und die Notwendigkeit, hospizliche und palliative Strukturen weiterzuentwickeln und zu gestalten. Dazu gehört die Schaffung besserer Rahmenbedingungen in Stadt und Land, insbesondere in stationären Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, die Vernetzung bestehender Angebote untereinander und eine palliative und hospizliche Kultur in allen Versorgungsbereichen, in denen ältere Menschen betreut werden, gilt es zu stärken. Für die wachsende Gruppe älterer Menschen mit Demenz, mit Behinderungen sowie mit Migrationshintergrund sind adressatengerechte Angebote erforderlich. Im Übrigen ist die hospizliche und palliative Versorgung als eine Aufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte und relevanten Akteure zu verstehen.

Situation in der Region Hannover
Mit dem Runden Tisch Palliativ und Hospiz in der Region Hannover, der seit 2003 die Aufgabe übernommen hat, alle Einrichtungen zusammen zu schließen, die medizinische, pflegerische und sonstige Leistungen für kranke und sterbende Menschen in der Region Hannover anbieten, setzt sich die Region Hannover u. a. für eine höhere Transparenz der Angebote, eine Verbesserung der Kooperation und Koordination der bestehenden Einrichtungen sowie die Erleichterung des Zugangs zu Angeboten ein. Der Runde Tisch informiert kontinuierlich über palliativmedizinische und hospizliche Angebote für schwerst- und sterbenskranke Menschen in der Region Hannover.

In der Region gibt es derzeit 13 ambulante Hospizdienste, davon 5 für Erwachsene im Stadtgebiet und 7 im Umland Hannovers, davon 1 für Kinder und Jugendliche zuständig für das Stadtgebiet und das Umland Hannovers (in Deutschland sind es rund 1.500), 3 stationäre Hospize für Erwachsene, alle im Stadtgebiet Hannovers + 2 weitere in Gründungsüberlegungen /Burgwedel, Barsinghausen) (221 in Deutschland), kein Kinderhospiz in der Region – Hospiz Löwenherz in Syke ist das nächstgelegene (14 in Deutschland) sowie 4 Palliativstationen und –einheiten in der Region Hannover, davon 3 im Stadtgebiet Hannovers (304 in Deutschland). Ferner gibt es 4 Teams der spezialisierten allgemeinen Palliativversorgung (SAPV-Teams) in der Region, 3 davon zuständig für das Stadtgebiet Hannovers – (deutschlandweit fast 300).

Diese Charta beabsichtigt sowohl die Landeshauptstadt Hannover als auch die Region Hannover zu unterzeichnen.
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Hannover / 21.08.2017