Drucksache Nr. 1894/2022 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der AfD-Fraktion zu diversen Ratsmitglieder
in der Ratssitzung am 29.09.2022, TOP 3.3.2.

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverDrucksachen-Zeichen
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1894/2022 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der AfD-Fraktion zu diversen Ratsmitglieder
in der Ratssitzung am 29.09.2022, TOP 3.3.2.

Wir fragen wir die Verwaltung:

1. Wie viele diverse Mitglieder gibt es im Stadtrat Hannover, die auch nachweislich im Personalausweis als diverse Person eingetragen sind?
2. Sollte es diverse Ratsmitglieder geben, wie sollen diese nach deutscher Rechtsprechung angesprochen werden?
3. Dürfen sich Ratsmitglieder, die nicht amtlich als „divers“ eingetragen wurden, ihr Geschlecht und die entsprechende Anrede frei aussuchen?

Text der Antwort

Frage 1: Wie viele diverse Mitglieder gibt es im Stadtrat Hannover, die auch nachweislich im Personalausweis als diverse Person eingetragen sind?

Da Personenstandsdaten zu den grundlegenden privaten Informationen einer Person gehören, unterliegen sie besonders strengem Datenschutz. Dies gilt in besonderem Maße für die vom deutschen Personenstandsgesetz vorgesehenen vier möglichen Geschlechtseinträge. Da diese – vor allem die Eintragungen „divers“ und „ohne Angabe“ (PStG, § 22 Abs. 3 und § 45b) – noch immer mit einem erhöhten Diskriminierungspotenzial verbunden sind, gilt der persönliche Geschlechtseintrag als besonders schützenswerte Information.

Gemäß der Antidiskriminierungsstelle des Bundes sollten im Umgang mit geschlechts-bezogenen Daten von Personen mit dem Geschlechtseintrag „divers“ sowie „ohne Angabe“ oder bei jenen, bei denen die amtlichen Angaben von den selbstbestimmten Angaben abweichen, besondere Vorkehrungen getroffen werden, um den Vorgaben der Datenschutz Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) Rechnung zu tragen.

Dies spiegelt sich auch in den am 3. Juni 2022 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und vom Bundesministeriums der Justiz vorgestellten Eckpunkten für das in der Ausarbeitung befindliche Selbstbestimmungsgesetz wider: Das Gesetz soll ein bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot für die Offenlegung des Personenstandes enthalten.

Auf dieser Grundlage kann die Landeshauptstadt Hannover innerhalb einer kleinen Grundgesamtheit wie derjenigen des Stadtrates, die zu leicht Rückschlüsse auf einzelne Personen zulässt, keine Auskünfte darüber erteilen, wie viele Ratsmitglieder den Geschlechtseintrag „divers“ haben.

Frage 2: Sollte es diverse Ratsmitglieder geben, wie sollen diese nach deutscher Rechtsprechung angesprochen werden?

Nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts schützt das im Grundgesetzt verankerte Persönlichkeitsrecht (GG, Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1) die geschlechtliche Identität jeder Person – und damit auch die geschlechtliche Identität von Menschen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Dies entspricht u.a. Personen mit dem Geschlechtseintrag „divers“. Gleichermaßen schützt das Grund-gesetzt Menschen aller Geschlechter vor Diskriminierungen aufgrund ihres Geschlechts (GG; Art.3 Abs. 3). Personen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen, werden in beiden Grundrechten verletzt, wenn sie gezwungen werden sich dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zuzuordnen. (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2017)

Die deutsche Rechtsprechung gibt keine konkreten Anreden für Personen aller rechtlich möglichen Geschlechtseinträge vor. Sie legt jedoch fest, dass die Verweigerung einer korrekten geschlechtlichen Ansprache eine Verletzung der beschriebenen Rechte wäre.

Frage 3: Dürfen sich Ratsmitglieder, die nicht amtlich als „divers“ eingetragen wurden, ihr Geschlecht und die entsprechende Anrede frei aussuchen?

Kommunen sind innerhalb der Staatsorganisation Teil des deutschen Staates und damit im besonderen Maße dazu aufgefordert, die beschriebenen Grundrechte und die Würde aller Menschen in Bezug auf ihre geschlechtliche Identität zu achten und zu schützen. Dies beschränkt sich nicht auf Personen mit dem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag „divers“.

Zeigen politischen Vertreter*innen in kommunalen Gremien der Stadtverwaltung an, dass sie weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehören und entsprechend eine korrekte Ansprache jenseits einer weiblichen oder männlichen Ansprache wünschen, so berücksichtigt die Stadtverwaltung dies gemäß interner Handlungsempfehlungen und in Absprache mit der dem entsprechenden Gremienmitglied.