Drucksache Nr. 1654/2013 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion DIE HANNOVERANER zur vermehrten In-Obhut-Nahme von Kindern und Jugendlichen in Hannover
in der Ratssitzung am 22.08.2013, TOP 3.5.2.

Inhalt der Drucksache:

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1654/2013 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion DIE HANNOVERANER zur vermehrten In-Obhut-Nahme von Kindern und Jugendlichen in Hannover
in der Ratssitzung am 22.08.2013, TOP 3.5.2.

Laut Pressemeldungen nimmt das Jugendamt der Stadt Hannover analog zur Entwicklung im Bundesgebiet immer mehr Kinder und Jugendliche in Obhut. Die Zahl der aus der Familie genommenen minderjährigen Personen ist auf Bundesebene seit 2007 um 43 Prozent gestiegen. In Hannover ist diese Entwicklung offenbar weniger stürmisch verlaufen. Dennoch gibt auch hier die deutlich erhöhte Zahl von Inobhutnahmen Minderjähriger zu denken. Denn die Entwicklung macht deutlich, dass in vielen Familien in Hannover die Eltern-Kind-Beziehung erheblich gestört ist. Viele Familien sind entweder zeitweise oder dauerhaft durch Defizitprobleme unterschiedlicher Art überfordert, oder sie sind sogar ganz in Auflösung begriffen. Das stellt für die heranwachsenden Kinder und Jugendlichen eine schwere Beeinträchtigung ihres Lebens und ihrer Chancen dar.

Wir fragen deshalb die Verwaltung:

1. Aus welchen familiären Verhältnissen stammen die in Obhut genommenen Minderjährigen? Bitte die Zahlen aufschlüsseln nach: a) beide Eltern vorhanden, b) alleinerziehende Mütter oder Väter, c) Eltern unbekannt.

2. Verfährt die Stadtverwaltung genauso wie die Regionsverwaltung,
indem sie Kinder und Jugendliche, die sich aus eigenem Antrieb beim Jugendamt melden und um Aufnahme bitten, in Obhut nimmt, „ganz gleich, was sie uns erzählen“ (HAZ vom 08.08.13), und erst danach mit den Eltern spricht? Oder sucht sie in solchen Fällen erst das Gespräch mit den Eltern, um die Angemessenheit einer Inobhutnahme, die ja einen schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie der Familie bedeutet, sachgemäß beurteilen zu können?

3. Ist die o. g. Entwicklung für die Verwaltung ein Anlass, über die Richtigkeit oder Falschheit der derzeitigen Familienpolitik mit ihrer tendenziellen Abwertung der Familie nachzudenken, oder ist sie der Auffassung, dass die Inobhutnahme junger Menschen lediglich eine administrative Aufgabe sei und man so weitermachen könne wie bisher?

Jens Böning
Fraktionsvorsitzender

Text der Antwort

Frage 1: Aus welchen familiären Verhältnissen stammen die in Obhut genommenen Minderjährigen? Bitte die Zahlen aufschlüsseln nach: a) beide Eltern vorhanden,
b) alleinerziehende Mütter oder Väter, c) Eltern unbekannt.

Aufenthalt der Kinder und Jugendlichen vor Inobhutnahme im Jahr 2012:

Familie 97
Alleinerziehende Elternteile 152
Patchwork Familie 28
Freunde/Verwandte 51
Trebe 39
Psychiatrie/Therapie/Krankenhaus/Haft 151
Gesamt 518

Frage 2: Verfährt die Stadtverwaltung genauso wie die Regionsverwaltung, indem sie Kinder und Jugendliche, die sich aus eigenem Antrieb beim Jugendamt melden und um Aufnahme bitten, in Obhut nimmt, „ganz gleich, was sie uns erzählen“ (HAZ vom 08.08.13), und erst danach mit den Eltern spricht? Oder sucht sie in solchen Fällen erst das Gespräch mit den Eltern, um die Angemessenheit einer Inobhutnahme, die ja einen schwerwiegenden Eingriff in die Autonomie der Familie bedeutet, sachgemäß beurteilen zu können?

Frage 3: Ist die o. g. Entwicklung für die Verwaltung ein Anlass, über die Richtigkeit oder Falschheit der derzeitigen Familienpolitik mit ihrer tendenziellen Abwertung der Familie nachzudenken, oder ist sie der Auffassung, dass die Inobhutnahme junger Menschen lediglich eine administrative Aufgabe sei und man so weitermachen könne wie bisher?

Das Jugendamt ist gem. § 42 SGB VIII berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn das Kind oder der/die Jugendliche darum bittet (§ 42 Abs. 1 Nr. 1 SGB VIII), eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder Jugendlichen vorliegt (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII), oder ein ausländisches Kind oder ein/e ausländische/r Jugendliche/r unbegleitet nach Deutschland kommt und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte im Inland aufhalten (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 SGB VIII). Bittet ein Kind in der Landeshauptstadt Hannover um Inobhutnahme, so wird entsprechend der gesetzlichen Vorgaben so schnell wie möglich mit den Eltern bzw. Personensorgeberechtigten Kontakt aufgenommen, um zu klären, inwieweit die Voraussetzungen für eine Inobhutnahme vorliegen. Liegen die Voraussetzungen vor und widersprechen die Eltern dieser Maßnahme, wird eine Entscheidung des zuständigen Familiengerichts eingeholt.

Das Jugendamt wird auf der Grundlage des § 1 SGB VIII tätig, wonach jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auch Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat. Die Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuförderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft. Die Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechts nach Abs. 1 insbesondere junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen, Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen, Kinder und Jugendliche vor Gefahren für ihr Wohl schützen, dazu beitragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen.