Antrag Nr. 15-2035/2019:
Umbenennung der General-Wever-Straße

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".

Umbenennung der General-Wever-Straße

Antrag

Der Bezirksrat möge beschließen:
1.) Die General-Wever-Straße wird umbenannt.
2.) Die Verwaltung wird gebeten, gemeinsam mit dem Bezirksrat Bothfeld-Vahrenheide eine stadtbezirksweite Informationsveranstaltung zur Entscheidung der Umbenennung der General-Wever-Straße zu veranstalten. Vorab stellt die Verwaltung in der nächsten Bezirksratssitzung im September ein Konzept für eine Informationsveranstaltung vor, über das die Fraktionen und Einzelvertreter beraten und abstimmen sollen. Besonders wichtig ist dabei die Beteiligung der Einwohner*innen der General-Wever-Straße und der umliegenden Nachbarschaft.
3.) Die Verwaltung wird gebeten, ein Konzept für eine stadtbezirksweite Einwohner*innen-Beteiligung zur Namensfindung und -gebung auszuarbeiten und den Fraktionen und Einzelvertretern in der nächsten Bezirksratssitzung im September zur Beratung und Abstimmung vorzulegen.

Begründung

Siebzig Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland gibt es in deutschen Städten immer noch Straßen und Plätze, die den Namen von Nationalsozialisten und ihren Helfern tragen. Fast fünfundsiebzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Diktatur werden neben den Widerstandskämpfern auch ihre nationalsozialistischen Gegner und deren Unterstützer durch Straßennamen geehrt. Angesichts der Tatsache, dass das Grundgesetz in bewusster Abgrenzung zum Dritten Reich entstand und die Bundesrepublik Deutschland ein freiheitlicher und demokratischer Rechtsstaat ist, kann dieser Zustand nur als peinlich, wenn nicht skandalös, bezeichnet werden.






Im Auftrag des Rates der Stadt Hannover wurde durch den Verwaltungsausschuss 2013 einstimmig ein Projekt begründet, das die wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten durch einen Beirat gewährleisten sollte. In seinem Abschlussbericht empfahl der Beirat im September 2018, siebzehn Straßen in der Stadt Hannover umzubenennen. Diese Straßen tragen den Namen von Personen, die in der Zeit von 1933 bis 1945 gewirkt haben und deren Ziele und Wertvorstellungen im Widerspruch zur Verfassung und den Menschenrechten stehen. Außerdem werden ihnen schwerwiegende persönliche Handlungen, z.B. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, oder die aktive Mitwirkung in einem Unrechtssystem zugeschrieben. Vergl. Abschlussbericht des Beirates zum Projekt Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten , S. 8, als PDF-Datei abrufbar unter https://www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Architektur-Geschichte/Erinnerungskultur/St%C3%A4dtische-Erinnerungs%C2%ADkultur/Wissenschaftliche-Betrachtung-von-namensgebenden-Pers%C3%B6nlichkeiten-in-Hannover , Zugriff: 22.07.2019
Zu diesen Personen gehört auch Walther Wever.
Wever (1887 – 1936) war seit 1905 Berufssoldat, nahm am Ersten Weltkrieg teil und wurde 1917 Generalstabsoffizier des Heeres. Während der Weimarer Republik wurde Wever mehrmals befördert. Einen Schub bekam seine militärische Karriere nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten: Wever war von September 1933 bis zu seinem Tod 1936 Chef des Luftkommandoamtes im Reichsluftfahrtministerium, zunächst im Range eines Oberst. Schließlich wurde er Generalleutnant. In seiner Funktion entwickelte Wever u.a. die Grundsätze der Luftkriegsführung (LwDV 16) auch hinter den feindlichen Linien (im Klartext: auch gegen Zivilisten und zivile Ziele) und trieb die Entwicklung und die Produktion von Kriegsflugzeugen (u. a. Fernbomber, Stukas Ju 87 etc.)voran. In der Luftwaffenhierarchie nahm er nach dem Reichsluftfahrtminister Göring und dessen Staatssekretär die dritte Stelle ein. Zu den genannten Daten und Fakten siehe den Abschlussbericht des Beirates (Anmerkung 1, S. 33) und den Wikipedia-Eintrag zu Walther Wever Der Militärhistoriker Samuel W. Mitcham bezeichnet Wever als den einen (einzigen?) unverzichtbaren Mann in der Geschichte der Luftwaffe: „ … the one indispensable man in the history of the Luftwaffe.“ Samuel W. Mitcham, The Rise of the Wehrmacht: The German Armed Forces and World War II, Westport 2008, S. 87 (abrufbar unter https://books.google.de/books?id=DW66ejQS2xoC&pg=PA84&lpg=PA84&dq=Wehrmacht+Wever&source=bl&ots=m0SYXpNXHC&sig=ACfU3U319isbmSJ6V0ZZ4aXHeN4HQS5Fnw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiKpM_g-8rjAhXNxqQKHfWEDig4ChDoATAAegQICBAB#v=onepage&q=Wehrmacht%20Wever&f=false , Zugriff: 23.07.2019
Zur Verdeutlichung seiner ideologischen Ausrichtung zitiert der Beirat Wever mit den Worten: „Unser Offizierkorps wird nationalsozialistisch sein, oder wir werden nicht sein.“ Abschlussbericht (Anmerkung 1), S.33

Das Fazit des Wissenschaftlichen Beirats fällt eindeutig aus:

„Walther Wever wurde 1938 durch einen Straßennamen in Hannover geehrt. Er war als Luftwaffengeneralstabschef eindeutig eine Stütze des NS-Systems. Auf seinem Feld schuf er Grundlagen für die deutsche Eroberungspolitik der Folgejahre und den vernichtenden Einsatz der Luftwaffe auch gegen zivile Ziele im Zweiten Weltkrieg.“ Ebd., S. 33
Der Beirat empfiehlt, die General-Wever-Straße umzubenennen. Ebd., S. 33

Immer wieder wird gefordert, statt eine Umbenennung durchzuführen, doch einfach einen erklärenden Text unter dem Straßennamensschild einer belasteten Persönlichkeit anzubringen.
Die Installation einer solchen Informationstafel unter einem Straßennamensschild reicht jedoch nicht aus, weil diese Erklärung eben nur dort zu lesen wäre. In Briefköpfen und Adressangaben bliebe der Name aber ohne Hinweis erhalten, die Ehrung würde andauern. Anwohner und Institutionen oder Firmen an der Straße würden in einem Atemzug mit Nazis oder deren Unterstützer genannt. Dies hatte u.a. auch schon die Medizinische Hochschule Hannover veranlasst, darauf zu drängen, die Konstanty-Gutschow-Straße in Carl-Neuberg-Straße umzubenennen. Konstanty-Gutschow war kein Mitläufer, sondern aktiv ins Nazi-Regime verstrickt. Die Konstanty-Gutschow-Straße als Adresse im Briefkopf zu erhalten, erschien dem Senat der MHH untragbar. 1997 wurde die Straße umbenannt (vergl. MHHinfo 2014/, S. 18).
Ein Informationsschild ist allenfalls dann sinnvoll, wenn NACH der Umbenennung auf den vorherigen Namen hingewiesen wird und die Gründe für die Umbenennung dargelegt werden.

Ehrende Straßennamen spiegeln den Zeitgeist der Epoche wieder, in der sie verliehen wurden. In der Kaiserzeit wurden Straßen oft nach Militärs benannt oder nach Orten bedeutender Schlachten. Während des Dritten Reiches ehrten die Nazis u.a. ihre Wegbereiter, als Märtyrer verehrte Mitkämpfer und verdiente Unterstützer des NS-Regimes wie z.B. General Wever. Die Straße Meierwiesen erhielt 1938 seinen Namen. Nicht ohne Grund führte sein Tod zu höchstpersönlichen Reaktionen Görings und auch Adolf Hitlers sowie deren Teilnahme an der Trauerfeier.

Wir sollten uns heute von den Namensgebern aus Kaiser- oder Nazizeit nicht vorschreiben lassen, wie wir unsere Straßen und Plätze zu benennen haben. Eine demokratische Gesellschaft muss auch den öffentlichen Raum mit Symbolen der Menschlichkeit, der Freiheit und der Demokratie gestalten. Er darf nicht den Gegnern und Feinden der Demokratie überlassen bleiben. Deshalb werden heutzutage etwa Verteidiger*innen der Freiheit, bedeutende demokratische Politiker*innen oder einfach nur Bürgerinnen und Bürger, die sich in ihrer Gemeinde für die Gesellschaft eingesetzt haben, mit Straßennamen geehrt. Wohl niemand käme in diesen Tagen auf die Idee, eine Straße nach General Wever zu benennen und ihn damit zu ehren.
Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, General Wever nachträglich zu „verurteilen“, sondern schlicht um die Rücknahme einer mit unserem Werte- und Verfassungsverständnis nicht vereinbaren Ehrung, deren Beibehaltung im Übrigen auch den Grundsätzen des Traditionserlasses der Bundeswehr widerspräche.
Der Eintrag in die Geschichtsbücher ist Nazis und anderen Feinden von Freiheit und Demokratie aus den bekannten Gründen sicher.
Dabei sollten wir es belassen.

Vergl. Abschlussbericht des Beirates zum Projekt Wissenschaftliche Betrachtung von namensgebenden Persönlichkeiten , S. 8, als PDF-Datei abrufbar unter https://www.hannover.de/Kultur-Freizeit/Architektur-Geschichte/Erinnerungskultur/St%C3%A4dtische-Erinnerungs%C2%ADkultur/Wissenschaftliche-Betrachtung-von-namensgebenden-Pers%C3%B6nlichkeiten-in-Hannover , Zugriff: 22.07.2019
Zu den genannten Daten und Fakten siehe den Abschlussbericht des Beirates (Anmerkung 1, S. 33) und den Wikipedia-Eintrag zu Walther Wever
Samuel W. Mitcham, The Rise of the Wehrmacht: The German Armed Forces and World War II, Westport 2008, S. 87 (abrufbar unter https://books.google.de/books?id=DW66ejQS2xoC&pg=PA84&lpg=PA84&dq=Wehrmacht+Wever&source=bl&ots=m0SYXpNXHC&sig=ACfU3U319isbmSJ6V0ZZ4aXHeN4HQS5Fnw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiKpM_g-8rjAhXNxqQKHfWEDig4ChDoATAAegQICBAB#v=onepage&q=Wehrmacht%20Wever&f=false , Zugriff: 23.07.2019
Abschlussbericht (Anmerkung 1), S.33
Ebd., S. 33
Ebd., S. 33
Dies hatte u.a. auch schon die Medizinische Hochschule Hannover veranlasst, darauf zu drängen, die Konstanty-Gutschow-Straße in Carl-Neuberg-Straße umzubenennen. Konstanty-Gutschow war kein Mitläufer, sondern aktiv ins Nazi-Regime verstrickt. Die Konstanty-Gutschow-Straße als Adresse im Briefkopf zu erhalten, erschien dem Senat der MHH untragbar. 1997 wurde die Straße umbenannt (vergl. MHHinfo 2014/, S. 18).