Drucksache Nr. 1342/2013 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der CDU-Fraktion zu Auswirkungen der Gesetzesänderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in der Landeshauptstadt Hannover
in der Ratssitzung am 13.06.2013, TOP 7.3.2.

Inhalt der Drucksache:

Bitte beachten Sie, dass der folgende Text eventuell medienbedingte Formatabweichungen aufweisen kann. Eine formatgetreue Abbildung des Inhalts finden Sie in der Anlage "Druckversion.pdf".
Landeshauptstadt HannoverDrucksachen-Zeichen
An die Ratsversammlung (zur Kenntnis)
 
Nr.
Anzahl der Anlagen
Zu TOP
Antwort
1342/2013 F1
0
 

Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der CDU-Fraktion zu Auswirkungen der Gesetzesänderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts in der Landeshauptstadt Hannover
in der Ratssitzung am 13.06.2013, TOP 7.3.2.

In der Vergangenheit konnte ein Amtsvormund bis zu 120 Kinder und Jugendliche betreuen, sodass die Entwicklung eines persönlichen Verhältnisses zum Mündel in den meisten Fällen erst gar nicht möglich war. Zudem kam es trotz bestehender Vormundschaften zu vermehrter Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen. Aus diesem Grunde wurde im Jahre 2011 das Gesetz zur Änderung des Vormundschafts- und Betreuungsrechts verabschiedet. Ziel der Gesetzesänderung ist Stärkung des persönlichen Kontaktes des Amtsvormundes zu seinem Mündel sowie Verpflichtung zur Förderung der Pflege und Erziehung des Mündels. Seit dem 5. Juli 2012 wurde die Zahl der von einem Amtsvormund betreuten Mündel auf 50 begrenzt und der monatliche Kontakt zum betreuten Kind oder Jugendlichen verpflichtend.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
1. Wie beurteilt die Stadtverwaltung diese Gesetzesänderung und welchen Handlungsbedarf hat sie aus diesen Ergebnissen abgeleitet? Welche Auswirkungen hatte diese Gesetzesänderung auf die Personalsituation des Fachbereiches?
2. Wie stellt die Stadtverwaltung sicher, dass der verpflichtende monatliche Kontakt zu den Mündeln eingehalten wird? Welche Konzepte wurden oder werden entwickelt, um die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zu gewährleisten und den Fachbereich zu entlasten? Wenn es keine Konzepte gibt, warum nicht?
3. Gibt es Einrichtungen im Stadtgebiet, die die Vormundschaft übernehmen können? Wenn ja, arbeitet die Stadtverwaltung mit diesen zusammen? Wenn nein, warum nicht?

Jens Seidel
Vorsitzender

Text der Antwort

Frage 1: Wie beurteilt die Stadtverwaltung diese Gesetzesänderung und welchen Handlungsbedarf hat sie aus diesen Ergebnissen abgeleitet? Welche Auswirkungen hatte diese Gesetzesänderung auf die Personalsituation des Fachbereiches?

Die Gesetzesänderung zur Verbesserung der Situation der Mündel und Pfleglinge wird grundsätzlich begrüßt. Der Fachbereich Jugend und Familie der Landeshauptstadt Hannover (LHH) hat die Gesetzesänderung zum Anlass genommen, seine bestehenden Verfahren zu überprüfen und weiter zu entwickeln.
Die einzelnen Punkte der Gesetzesänderung betreffen Hannover nur punktuell. Im Fachbereich Jugend und Familie erfolgt die Ausübung einer Vormundschaft bzw. Pflegschaft sowohl durch den Kommunalen Sozialdienst (KSD) als auch (im Bereich der Vermögenssorge) durch den Bereich Unterhaltsrecht und Elterngeld. Durch diese Aufteilung der Tätigkeit stellt sich die Situation anders dar, als bei der gesetzlich vorgegebenen Fallzahlbegrenzung der von einem Vormund bzw. Pfleger betreuten Kinder und Jugendlichen.
Die Wahrnehmung der Personensorge bzw. einzelner Aufgabenbereiche daraus übernehmen die jeweils für die Familie des Kindes bzw. Jugendlichen zuständigen Bezirkssozialarbeiter-Innen des KSD. Einen entsprechenden Sonderdienst (wie er z.B. in Bremen existiert), auf den sich auch die Fallzahlbegrenzung bezieht, gibt es in Hannover nicht. Dadurch ist eine intensivere Betreuung der betroffenen Kinder und Jugendlichen möglich. 2012 bestanden insgesamt 320 „bestellte Amtsvormundschaften und Amtspflegschaften“.
Auswirkungen auf die Organisation und die Arbeitssituation der MitarbeiterInnen hatte vor allem die gesetzliche Vorgabe, dass der Vormund mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten und das Mündel in der Regel einmal im Monat in dessen üblicher Umgebung aufzusuchen hat, es sei denn, im Einzelfall sind kürzere oder längere Besuchsabstände oder ein anderer Ort geboten. Dafür wurde dem KSD eine zusätzliche ½ Planstelle zugewiesen.

Frage 2: Wie stellt die Stadtverwaltung sicher, dass der verpflichtende monatliche Kontakt zu den Mündeln eingehalten wird? Welche Konzepte wurden oder werden entwickelt, um die Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zu gewährleisten und den Fachbereich zu entlasten? Wenn es keine Konzepte gibt, warum nicht?

Im KSD gab es auch vor der Gesetzesänderung bereits eine entsprechende Arbeitshilfe (Arbeitsanweisung) zur Regelung der Ausübung einer Vormundschaft bzw. Pflegschaft.
Ein wesentlicher Punkt darin ist der Aufbau eines persönlichen Kontaktes zum Mündel/Pflegling - und die dauerhafte Gestaltung der persönlichen Beziehungen; u.a. durch Besuche in Einrichtungen, Gespräche in Pflegefamilien und Herkunftsfamilien - sowie anlässlich von Hilfeplangesprächen nach § 36 SGB VIII.

Aufgrund einer Fachexpertise des ‚Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V.‘ (DIJuF) wurde 2012 zur Erfüllung der gesetzlichen Vorgabe eines „regelhaften monatlichen Kontaktes“ - in Abstimmung mit dem Familiengericht bzw. der Rechtspflege des Amtsgerichts Hannover - folgendes Prüf- und Bearbeitungsverfahren eingeführt:
§ In jedem Einzelfall ist eine Prüfung zur Kontaktgestaltung und -häufigkeit durchzuführen. Dazu ist ein in einer Arbeitshilfe festgelegter Kriterienkatalog zu beachten. Es finden vom Grundsatz her 3 - 4 Kontakte jährlich statt. In besonderen Einzelfällen erfolgen weitere Kontakte.
§ Es erfolgt eine Dokumentation über die Kontaktgestaltung und -häufigkeit. Dies ist der Dienststellenleitung vorzulegen.
§ Die persönlichen Kontakte werden statistisch (mit Datum, Ort und zeitlichem Aufwand) erfasst.
§ Das Familiengericht erhält regelmäßige Berichte zur Entwicklung des Kindes bzw. der/des Jugendlichen, Angaben zu den persönlichen Kontakten mit dem Kind bzw. der/des Jugendlichen und zur Situation der Eltern.

Frage 3: Gibt es Einrichtungen im Stadtgebiet, die die Vormundschaft übernehmen können? Wenn ja, arbeitet die Stadtverwaltung mit diesen zusammen? Wenn nein, warum nicht?

Die Bearbeitung und Prüfung durch den KSD, ob es gemäß § 53 SGB VIII geeignete Einzelpersonen zur Übernahme einer Vormundschaft bzw. Pflegschaft gibt, war schon immer Bestandteil in familiengerichtlichen Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung. In begründeten Einzelfällen (z.B. bei infrage kommenden Großelternteilen oder anderen Verwandten) wurden diese dem Familiengericht auch entsprechend empfohlen.
Der KSD erarbeitet zurzeit ein Konzept, das auch vorsieht, mit entsprechenden Vormundschaftsvereinen gemäß § 54 SGB VIII ins Gespräch zu kommen, um die Möglichkeit einer Vereinsvormundschaft zu prüfen. In der LHH gib es zurzeit zwei Vereine mit einer entsprechenden Anerkennung.