Drucksache Nr. 1288/2018 F1:
Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion Die FRAKTION zu ethischen Ansprüchen an Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen
in der Ratssitzung am 21.06.2018, TOP 2.1.6.

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverDrucksachen-Zeichen
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1288/2018 F1
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Antwort der Verwaltung auf die
Anfrage der Fraktion Die FRAKTION zu ethischen Ansprüchen an Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen
in der Ratssitzung am 21.06.2018, TOP 2.1.6.

Die Landeshauptstadt Hannover als Arbeit- und Auftraggeber trägt in vielerlei Hinsicht große Verantwortung. Unternehmen, die Aufträge erhalten, oder Subunternehmer, die für die LHH Arbeiten erledigen, sollten auch immer in dem Bewusstsein ausgewählt werden, dass die LHH ihrer Vorbildfunktion in der Öffentlichkeit gerecht wird. Trotzdem werden Aufträge für beispielsweise Baumaßnahmen an Unternehmen vergeben, die einen zweifelhaften Ruf genießen. Die Züblin AG ist eines dieser Unternehmen. Die Züblin AG steht für u.a. Zwangsarbeit in der NS-Zeit, Lohndumping bis hin zu moderner Sklaverei*. Nicht nur aus ethischer Sicht scheint die Vergabe von Aufträgen an dieses Unternehmen also fragwürdig. Auch zeigt die jüngste Vergangenheit schwerwiegende und vor allem kostenintensive Probleme mit der Züblin AG bzw. deren Subunternehmern im Zuge des Neubaus der Hauptfeuerwache am Weidendamm.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Verwaltung:
1. Wie setzen sich die Vergabevorschriften derzeit zusammen, gibt es ggf. einen verpflichtenden „Verhaltenskodex für Lieferanten/Subunternehmer”, und spielen schlechte Erfahrung aus der Vergangenheit oder auch eine ethische Komponente bei der Auswahl überhaupt eine Rolle?
2. Inwieweit qualifizieren sich Unternehmen, für die LHH einen Auftrag durchzuführen? Geht es hierbei nur um das günstigste Angebot, und wenn nein, wie ist die Gewichtung zu anderen ausschlaggebenden Punkten?
3. Hat die LHH die Möglichkeit, selbstständig Korrekturen am Vergaberecht durchzuführen, können Ausschreibungen zukünftig so formuliert werden, dass die ethische Komponente eine Rolle spielt?

Julian Klippert
Fraktionsvorsitzender

Text der Antwort


Frage 1: Wie setzen sich die Vergabevorschriften derzeit zusammen, gibt es ggf. einen verpflichtenden „Verhaltenskodex für Lieferanten/Subunternehmer“ und spielen schlechte Erfahrungen aus der Vergangenheit oder auch eine ethische Komponente bei der Auswahl überhaupt eine Rolle?

Die vergaberechtlichen Vorschriften für die Durchführung von EU-weiten und nationalen Ausschreibungen ermöglichen die Einbindung von nachhaltigen (sozialen und umweltbezogenen) Aspekten in Vergabeverfahren. Grundlage hierfür sind für EU-weite Vergabeverfahren.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 4. Abschnitt (GWB)
die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV)
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)
und bei nationalen Ausschreibungen:

Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A)
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A)
Niedersächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz (NTVergG)
Niedersächsische Kernarbeitsnormenverordnung (NKernVO)

Im Rahmen von vertraglichen Auftragsausführungsbestimmungen werden z. B. soziale Kriterien wie:

Verpflichtung zum Einsatz von Arbeitnehmer/innen, die sich nicht in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 8 SGB IV befinden
Entgeltgleichheit von Frauen und Männern
Tariftreueklauseln bzw. Mindestlohn gemäß dem Mindestlohngesetz

bei Ausschreibungen der Landeshauptstadt Hannover berücksichtigt.

Zudem wird gemäß der Niedersächsische Kernarbeitsnormenverordnung – NKernVO bei einschlägigen Produkten von den Unternehmen eine Erklärung gefordert, ob Waren geliefert oder verwendet werden, die die Einhaltung der in den Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) festgelegten Mindestanforderungen erfüllen.

Für ein noch umfangreicheres Portfolio an Produkten fordert die Landeshauptstadt Hannover bereits mit dem Ratsbeschluss (Drs. 0315/2009) vom 26.09.2009 mit der Umsetzung der Milleniumserklärung der Mitgliedskommunen des Deutschen Städtetages von den Unternehmen Erklärungen, ob der Auftrag ausschließlich mit Produkten ausgeführt wird, die unter Beachtung der in den International Labour Organisation (ILO)-Kernarbeitsnormen festgelegten Mindeststandards hergestellt/erzeugt oder bearbeitet wurden.

Diese Regelungen gelten für den Lieferanten/ Dienstleister und für die ggf. beauftragten Subunternehmer.

„Schlechte“ vertragliche Erfahrungen mit Unternehmen können im Rahmen der Eignungsprüfung kontrolliert werden. Dies betrifft die Anforderungen an das Unternehmen hinsichtlich Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit.
Darüber hinaus sind im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zwingende Ausschlussgründe definiert (z. B. Verurteilungen bei Bildung krimineller Vereinigungen, Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche, Subventionsbetrug, Bestechlichkeit, Menschenhandel oder deren Förderung) bei dessen Vorliegen das Unternehmen vom Verfahren ausgeschlossen werden muss.

Frage 2: Inwieweit qualifizieren sich Unternehmen für die LHH einen Auftrag durchzuführen? Geht es hierbei nur um das günstigste Angebot, und wenn nein, wie ist die Gewichtung zu anderen ausschlaggebenden Punkten?

Neben dem Preis können auch weitere durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigte Kriterien wie beispielsweise Qualität, technischer Wert, Ästhetik, Umwelteigenschaften bei der Wertung berücksichtigt werden. Dem öffentlichen Auftraggeber stehen für die Berücksichtigung von mehreren Kriterien verschiedene Wertungssysteme zur Verfügung, die es ermöglichen neben dem Preis auch weitere Kriterien mit einer hohen Wertigkeit zu berücksichtigen, um das wirtschaftlichste Angebot zur ermitteln.

Frage 3: Hat die LHH die Möglichkeit selbständig Korrekturen am Vergaberecht durchzuführen, können Ausschreibungen zukünftig so formuliert werden, dass die ethische Komponente eine Rolle spielt?

Die Landeshauptstadt Hannover hat durch die Milleniumserklärung und der damit einhergehenden Forderung nach Erklärungen, dass der Auftrag ausschließlich mit Produkten ausgeführt wird, die unter Beachtung der in den ILO-Kernarbeitsnormen festgelegten Mindeststandards hergestellt/erzeugt oder bearbeitet wurden, die bestehenden vergaberechtlichen Vorgaben ergänzt und umfassender gestaltet als es der z. B. niedersächsische Gesetzgeber vorsieht.

Grundsätzlich ist es öffentlichen Auftraggebern nur möglich „ethische“ Kriterien festzulegen die mit dem Auftragsgegenstand in einem sachlichen Zusammenhang stehen.