Drucksache Nr. 0148/2018:
Kommunalaufsichtsbehördliche Beanstandung der Benennung des Halim-Dener-Platzes

Informationen:

Beratungsverlauf:

  • 31.01.2018: Stadtbezirksrat Linden-Limmer : 11 Stimmen dafür, 5 Stimmen dagegen, 2 Enthaltungen inkl. der beschlossenen Änderungen aus Drucks. Nr. 15-0259/2018
  • 01.02.2018: Verwaltungsausschuss: Einschl. 1. Ergänzung mit 9 Stimmen dafür, 1 Stimme dagegen und 0 Enthaltungen beschlossen.

Inhalt der Drucksache:

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Landeshauptstadt HannoverBeschlussdrucksache-ZeichenBeschlussdrucksache
In den Stadtbezirksrat Linden-Limmer
In den Verwaltungsausschuss
 
Nr.
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0148/2018
10
 
BITTE AUFBEWAHREN - wird nicht noch einmal versandt

Kommunalaufsichtsbehördliche Beanstandung der Benennung des Halim-Dener-Platzes

Antrag,

gegen den als Anlage 1 beigefügten Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 02.01.2018 kein Rechtsmittel einzulegen.

Berücksichtigung von Gender-Aspekten

Genderspezifische Aspekte sind nicht betroffen.

Kostentabelle

Es entstehen keine finanziellen Auswirkungen.

Begründung des Antrages

Die Kommunalaufsichtsbehörde hat mit Erlass vom 02.01.2018 (Anlage 1) gegenüber der Landeshauptstadt Hannover gemäß § 88 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 173 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) den Beschluss des Stadtbezirksrats Linden-Limmer über die Benennung des Halim-Dener-Platzes (DS Nr. 0980/2017 in der Fassung der DS Nr. 1615/2017) kommunalaufsichtsbehördlich als offenkundig rechtswidrig beanstandet.

Zur Verfahrenshistorie:

Der Stadtbezirksrat Linden-Limmer hatte am 10.05.2017 die Benennung eines Platzes im Stadtbezirk zwischen Velvet- und Pfarrlandstraße südlich der Wilhelm-Blum-Straße in Hannover als Halim-Dener-Platz sowie die Anbringung einer Legendentafel mit einem konkreten Hinweistext zu der geehrten Persönlichkeit beschlossen (vgl. DS-Nr. 0980/2017, Anlage 2).

Gegen diesen Beschluss hatte der Verwaltungsausschuss am 17.05.2017 gemäß § 79 NKomVG Einspruch eingelegt, da er hierdurch das Wohl der Landeshauptstadt gefährdet sah (vgl. DS-Nr. 1283/2017, Anlage 3).

Ebenso hatte der Oberbürgermeister am 17.05.2017 gemäß § 88 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 NKomVG Einspruch gegen diesen Beschluss eingelegt. Er erachtete den Beschluss für rechtswidrig, da der Stadtbezirksrat bei seiner Entscheidung die ihm nach § 93 Abs. 1 Satz 2 NKomVG obliegende Rechtspflicht der „Beachtung der Belange der gesamten Stadt“ missachtet habe (vgl. Anlage 4).

Infolge der o.g. Einsprüche hatte der Stadtbezirksrat Linden-Limmer gemäß § 79 Satz 3 NKomVG bzw. § 88 Abs. 1 Satz 3 NKomVG nochmals über den zugrundeliegenden Beschlussantrag zu entscheiden. In seiner Sitzung am 07.06.2017 hat er den Beschlussantrag (DS-Nr. 0980/2017) zur Benennung des Halim-Dener-Platzes in Gestalt eines Änderungsantrags vom 07.06.2017 (DS-Nr. 1615/2017), mit dem die Anbringung einer Legendentafel von der Verwaltung nunmehr erbeten wurde, der Ursprungsantrag im Übrigen aber unverändert blieb, erneut beschlossen und somit die Platzbenennung bestätigt (vgl. Anlage 5).

Hierauf berichtete der Oberbürgermeister mit Schreiben vom 08.06.2017 dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport gemäß § 88 Abs. 1 Satz 4 NKomVG über den Sachverhalt und bat um kommunalaufsichtliche Prüfung (vgl. Bericht vom 08.06.2017, Anlage 6).

Mit Erlass vom 10.07.2017 teilte das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport der Landeshauptstadt mit, dass die kommunalaufsichtliche Prüfung die Rechtswidrigkeit des o.g. Beschlusses des Stadtbezirksrats ergeben habe und eine Beanstandung nach § 173 Abs. 1 NKomVG beabsichtigt sei (vgl. Anlage 7).

Zu dieser beabsichtigten Maßnahme haben der Stadtbezirksrat Linden-Limmer am 23.08.2017 (vgl. DS-Nr. 2101/2017, Anlage 8) sowie der Oberbürgermeister – auf Anforderung der Kommunalaufsichtsbehörde vom 09.11.2017 (Anlage 9) – mit Schreiben vom 23.11.2017 (Anlage 10) jeweils Stellung genommen.


Die Kommunalaufsichtsbehörde hat nun mit Erlass vom 02.01.2018 (Anlage 1) den o.g. Beschluss gemäß § 88 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG als offenkundig rechtswidrig beanstandet. Der Erlass ist der Landeshauptstadt am 08.01.2018 bekanntgegeben worden.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Stadtbezirksrat Linden-Limmer bei Beschlussfassung über die Benennung des Halim-Dener-Platzes die ihm gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 NKomVG obliegende konkrete Rechtspflicht zur Beachtung der gesamtstädtischen Belange nicht ausreichend berücksichtigt hat. Die im Einspruch des Oberbürgermeisters vom 17.05.2017 sowie in seinem Bericht vom 08.06.2017 vorgetragenen Sachverhalte verdeutlichen, dass der o.g. Beschluss nicht mit den Gesamtbelangen der Landeshauptstadt vereinbar ist.

Der o.g. Beschluss verstößt gegen die in Bezug auf die innertürkischen Konflikte dargelegte neutrale Haltung der Landeshauptstadt, die zur Sicherstellung des friedlichen Zusammenlebens der türkischstämmigen Bevölkerungsgruppen in Hannover gewahrt wird. Hiernach werden von der Landeshauptstadt keine Maßnahmen ergriffen, die auf Konfrontation oder einseitige Parteilichkeit gerichtet sind. Einseitige Polarisierung oder die Instrumentalisierung von Personen, Plätzen oder Begebenheiten gefährdeten hingegen den sozialen Frieden im Stadtgebiet.

Im Hinblick auf das sich unter den in Hannover lebenden türkischen, teils kurdisch-stämmigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern auch in der Person des Halim Dener widerspiegelnde Konfliktpotential, der von PKK-Anhängern als Märtyrer des Widerstands, von türkischen Organisationen als Mitglied einer Terrororganisation angesehen wird, erweckt der o.g. Beschuss zur Ehrung des Halim Dener den Anschein hoheitlicher Parteinahme der Landeshauptstadt in diesem Konflikt zugunsten einer Seite.

Zudem ist der Konflikt um die Person Halim Dener nicht nur auf die türkischen Bevölkerungsgruppen begrenzt, denn Halim Dener stellt auch für die Anhänger der linksextremen Szene ein Symbol für die ihrer Ansicht nach unrechtmäßige Anwendung von Polizeigewalt dar. Die Benennung eines Halim-Dener-Platzes ist damit geeignet, sowohl PKK-nahen Kurden als auch Anhängern der linksextremen Szene, eine symbolträchtige Öffentlichkeit zu eröffnen.

Letztlich ist der o.g. Beschluss auch geeignet, in der öffentlichen Außenwirkung den Eindruck zu erwecken, die Landeshauptstadt identifiziere sich mit den Überzeugungen, Ideen und politischen Zielen Halim Deners und ergreife Partei zugunsten der Ziele der PKK. Dies kann zu einer Assoziierung der Landeshauptstadt mit den Zielen einer – gemäß Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 02.04.2004 – terroristischen Vereinigung, die im Widerspruch zu den für die Gesamtrechtsordnung wesentlichen Gesetzen steht, führen.

Zu den Einzelheiten wird auf die Inhalte des o.g. Erlasses Bezug genommen.


Gegen den o.g. Erlass ist der Landeshauptstadt Hannover die Möglichkeit der verwaltungsgerichtlichen Klage gegen das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport eröffnet. Die Klagefrist endet am 08.02.2018.

Nach der kommunalverfassungsrechtlichen Kompetenzzuordnung des NKomVG liegt die interne Entscheidungszuständigkeit für die Frage, ob die Landeshauptstadt die Kommunalaufsicht wegen Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts verklagt, nach § 76 Abs. 2 Satz 1 NKomVG in der Auffangkompetenz des Verwaltungsausschusses (vgl. VG Hannover, Urteil vom 17.03.2014 – 1 A 240/13, in: BeckRS 2014, 49529). Weder ist hierfür eine anderweitige Organzuständigkeit normiert, noch handelt es sich angesichts der gesamtstädtischen Bedeutung und erheblichen Tragweite einer solchen Entscheidung um ein Geschäft der laufenden Verwaltung des Oberbürgermeisters.

Der Oberbürgermeister teilt die Auffassung der Kommunalaufsichtsbehörde. Der o.g. Erlass lässt keine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der Landeshauptstadt erkennen. Es wird daher vorgeschlagen, dass die Landeshauptstadt keine Klage gegen die Beanstandung erhebt.
OB 
Hannover / 22.01.2018